Hallo zusammen,
da ich in diesem Forum selbst schon einige hilfreiche Berichte und Erfahrungen für mich nutzen konnte, möchte ich nun auch meine Geschichte teilen.
Im Voraus danke für's Lesen - ich versuche mich auf das Wesentliche zu beschränken.
Ich bin 44 Jahre alt und habe mit meinem Mann drei Kinder von 14, 12 und 3 Jahren.
Mit unserer Tochter ist es seit Anfang des Jahres sehr schwierig. Sie ist 14 Jahre und war noch nie „pflegeleicht“. Sie wollte immer alles alleine machen und bestimmen. Eine geringe Impulskontrolle und Frustrationstoleranz führten innerhalb der Familie häufig zu Ärger, während sie sich in Kindergarten und Schule lange Zeit gut anpassen konnte.
Nachdem sie sich bei Wutanfällen selbst verletzte, haben wir auf Anraten der Erziehungsberatungsstelle eine Diagnostik beim Kinder- und Jugendpsychiater begonnen (damals war sie 5,5 Jahre). Ergebnis: kein Leidensdruck etc., sie sei wohl ein starker Charakter…
In den Folgejahren haben wir uns damit arrangiert, dass unsere Tochter eben so ist wie sie ist. Sie hatte in der Grundschule eine enge Freundin, was die Situation insgesamt erleichterte auch wenn sie uns weiterhin sehr distanziert und verschlossen vorkam.
Mit Beginn der Pubertät und dem Ende einer langen Freundschaft begannen dann die größeren Probleme.
Anfang dieses Jahres (sie war gerade 14 geworden) haben wir bemerkt, dass sie nachts regelmäßig abhaute (ihr Zimmer ist im Wohnkeller mit separater Eingangstür). Auf den erfolgten Hausarrest reagierte sie mit Ausbruchsversuchen und Selbstverletzungen. Ich befürchtete eine Drogensucht. Schließlich stellte sich heraus, dass sie regelmäßig Cannabis konsumiert hatte, aber gerade aufhören wollte. Nach und nach erfuhr ich, dass sie auch etliche andere Drogen bis hin zu Kokain probiert hat, die „ihr aber nichts gebracht haben“. Ihre Risikobereitschaft ist sehr ausgeprägt, Angst scheint sie nicht zu kennen.
Im April erhielt ich einen Anruf der Polizei, die gerade dabei war, ihr Zimmer zu durchsuchen. Ihr wurde vorgeworfen, zusammen mit drei Jungs ca. 15 Fahrzeuge beschädigt zu haben. Sie beteuert, nur „passiv“ dabei gewesen zu sein. Ein Strafrechtsverfahren läuft.
Auch schulisch gab es zunehmend Probleme so dass noch vor den Sommerferien ein Wechsel vom Gymnasium auf die Realschule stattfand (neben stark abfallenden Leistungen kam sie auch nicht mehr mit Mitschülern/Lehrern klar).
Auf Anraten der Jugendgerichtshilfe haben wir im Frühsommer noch mal eine Diagnostik angestoßen, die zu der Diagnose „Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens“, sprich ADHS plus Verhaltensstörung, führte. Die empfohlene Verhaltenstherapie läuft seit letzter Woche.
Dass hinter ihren Ausbrüchen Drogen stecken, ist Stand heute ziemlich sicher auszuschließen. Meistens geht es wohl „nur“ darum, mit (uns unbekannten) älteren Bekannten zu chillen.
Durch ihre recht kalte, emotionslose Art sind in den letzten Monaten neu entstandene Freundschaften immer wieder schnell zerbrochen. Vermutlich hält sie deswegen auch so stark an Kontakten fest, die eher zweifelhaft sind.
Bis heute haben wir als Eltern es nicht geschafft, unsere Tochter von den nächtlichen Streifzügen abzuhalten. Weder Konsequenzen, noch Kameras, oder wie zuletzt Belohnungssysteme hatten irgendeinen Einfluss. Gemeinsame Gespräche in der Kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis und der Psychologischen Beratungsstelle hatten ebenfalls keine nachhaltige Wirkung.
Sie sagt uns auch ganz klar, dass sie nachts (nur dann macht es ihr „Spaß“) raus möchte, ohne dass sie jemand einschränkt. Verhandlungen längerer Ausgangszeiten sind damit hinfällig – sie möchte nicht verhandeln, sondern völlige Entscheidungsfreiheit haben. Unsere Sorgen und Ängste sind natürlich maßlos übertrieben und völlig überflüssig.
Wir als Eltern sind mittlerweile absolut ratlos, ob und wie wir überhaupt noch auf sie einwirken können. Der behandelnde Kinder- und Jugendpsychiater rät hinsichtlich unserer Fürsorgepflicht dazu, das Jugendamt hinzuzuziehen. Morgen habe ich dort einen ersten Besprechungstermin.
Meine Hoffnung ist immer noch, dass das Mitmischen des Amtes ihr zu der Einsicht verhilft, jetzt doch besser zu kooperieren und das Abhauen zu lassen.
Falls jemand von euch noch Tipps, Erfahrungen oder Ähnliches hat – ich bin für jeden Gedankenanstoß dankbar!
Sandra