Erziehungsmaßnahme: Bestrafung

Die Bestrafung ist eine erzieherische Maßnahme, bei der aus einer Verhaltensweise des Kindes eine unangenehme Konsequenz durch den Erzieher erfolgt, mit dem Ziel, dass diese Verhaltensweise von dem Kind nicht mehr gezeigt oder ganz verlernt wird.

strafe

Strafen und Bestrafung in der Erziehung

Lob und Belohnungen als Erziehungsmaßnahmen sind umstritten – doch Strafen und Bestrafungen noch sehr viel mehr.

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein war die körperliche Züchtigung als Mittel zum Zweck durchaus üblich, viele Eltern waren der Meinung „ein kleiner Klaps“ könne nicht schaden. Im 19. Jahrhundert war es ganz normal, Kindern „eine Tracht Prügel“ zu verabreichen, wenn sie nicht so funktionierten wie sich die Erwachsenen das vorstellten. Erst nach dem 2. Weltkrieg und dem Niedergang des totalitären Nazi-Regimes setze sich in Deutschland langsam die Erkenntnis durch, dass körperliche und seelische Grausamkeiten gegenüber Kindern einen Machtmissbrauch von Erwachsenen darstellten.

Heute sind Kinder juristisch gegen Gewalt in der Erziehung geschützt. In Paragraph 1631 des BGB heißt es wörtlich:

 „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

 

Dass Kinder nicht geschlagen oder auf irgendeine andere verletzende Art und Weise sanktioniert werden sollten ist für die meisten Eltern heute glücklicherweise selbstverständlich. Aber ist es wirklich möglich und sinnvoll komplett auf Strafen als Erziehungsmaßnahme zu verzichten?

Um das beurteilen zu können muss zunächst klar sein, wie sich eine Bestrafung überhaupt definieren lässt:

 

Eine Strafe ist entweder

  • eine unangenehme Konsequenz, die auf das Verhalten eines Kindes folgt oder
  • das Beenden oder zukünftige Ausbleiben einer angenehmen Situation als Folge des Verhaltens des Kindes.

 

Beide Formen der Bestrafung lassen sich schnell anhand zweier Beispiele veranschaulichen:

 

Beispiel 1:

Weil Anna, 8 Jahre, ihr Zimmer nicht wie vereinbart aufgeräumt hat, muss sie zur Strafe eine Woche lang täglich die Spülmaschine aus- und einräumen. Da Anna an Hausarbeit keine Freude hat, empfindet sie diese Konsequenz als Strafe.

 

Beispiel 2:

Florian, 15 Jahre, kommt zum zweiten Mal abends zu spät nach Hause. Daraufhin darf er eine Woche lang nicht zum Fußballtraining gehen, welches er sehr liebt. Die Strafe besteht in diesem Fall also darin, dass Florian seinem Lieblingshobby eine Zeit lang nicht nachgehen kann. Eine für ihn angenehme Situation bleibt also aus.

 

Abgesehen von der Frage, ob Strafen eine probate Erziehungsmaßnahmen sind oder nicht, ist es gar nicht so einfach eine Bestrafung so einzusetzen, dass sie auch den gewünschten Effekt erzielt. Folgende Dinge gilt es zu beachten, wenn es um pädagogisch sinnvolle Sanktionen geht:

 

  1. Das „Vergehen“ bzw. die Verfehlung des Kindes sollte in einem logischen und zeitlichen Zusammenhang mit der Strafe stehen. Das ist besonders bei jüngeren Kindern wichtig damit sie überhaupt verstehen, was sie falsch gemacht haben.
  2. Strafen müssen verhältnismäßig sein – schon allein, damit ihr Einsatz eben nicht gegen § 1631 verstößt.
  3. Strafen sollten nicht willkürlich eingesetzt werden. Andernfalls liegt der Verdacht nahe, dass Eltern und/oder Erzieher die Bestrafung allein dafür nutzen ihre Macht zu demonstrieren oder diese zu missbrauchen.
  4. Eine Strafe sollte angekündigt werden. So weiß das Kind, dass sein Verhalten negative Konsequenzen nach sich ziehen kann und hat es selbst in der Hand zu entscheiden, wie es handeln will.
  5. Strafen sollten auf keinen Fall zu häufig eingesetzt werden. Sie verlieren ihre Wirkung und Kinder könnten diese selbst als Methode nutzen, um Schwächere zu sanktionieren. Zudem belastet eine Erziehung, die vor allem auf Strafen als Maßnahme zurückgreift, die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Das Vertrauensverhältnis ist dann nachhaltig gestört.
  6. Strafen zu provozieren kann aus Kindersicht auch eine Möglichkeit sein um Aufmerksamkeit zu erhalten. In diesem Fall macht der Einsatz von Sanktionen wenig Sinn, weil das Kind die negative Beachtung die es erfährt nicht als unerwünschte Konsequenz einordnet, sondern diese als Belohnung empfindet. Die Folge: Es stellt das Verhalten nicht ein, sondern wird das nu hat gewünschte Verhalten wahrscheinlich sogar noch häufiger zeigen.
  7. Babys und Kleinkinder zu bestrafen ist nicht sinnvoll. Sie haben noch kein Unrechtsbewusstsein und können die Folgen Ihres Tuns noch nicht abschätzen. Auch die Moralentwicklung hat noch nicht eingesetzt.
  8. Strafen müssen auch als solche empfunden werden, damit sie funktionieren. Daher sollten Eltern diese individuell gestalten.
  9. Eine Erziehung, die auf vor allem auf Strafen setzt kann dazu führen, das Kinder kein Selbstbewusstsein entwickeln, soziale Probleme haben oder sich aggressiv anderen gegenüber zeigen.
  10. Eine Bestrafung ist keine Garantie dafür, dass ein Kind sein Fehlverhalten einsieht. Häufig findet es lediglich Methoden, um der Strafe zu entgehen, zum Beispiel in dem es lügt oder das unerwünschte Verhalten nicht mehr offen zeigt.

 

Häufig sinnvoller als Strafen: logische Konsequenzen

 

Es ist also gar nicht so einfach, Strafen in der Erziehung sinnvoll einzusetzen – kein Wunder, dass viele Pädagogen sie ablehnen. Eine Alternative zur klassischen Bestrafung kann aber eine „logische Konsequenz“ sein. Dabei handelt es sich um eine Folge des eigenen Handelns, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fehlverhalten steht.

 

Beispiel 1:

Lisa, 3 Jahre, will sich unbedingt alleine anziehen. Die Mutter lässt sie gewähren, kündigt aber an: „Du musst dich beeilen, es ist schon fast Abend. Wenn es dunkel wird ist es zu spät um auf den Spielplatz zu gehen.“

Lisa hat es nun selbst in der Hand: Trödelt sie beim Anziehen herum, kann sie nicht mehr auf den Spielplatz gehen – eine von ihr gewünschte Situation tritt nicht ein. Wahrscheinlich erfindet sie diese Konsequenz trotzdem als Strafe, aber in Zukunft wird sie sich vermutlich beeilen, wenn es ums Anziehen geht.

 

Beispiel 2:

Leon, 4 Jahre, zappelt auf seinem Stuhl herum.
Seine Mutter ermahnt ihn daraufhin: „Lasse das sein! Du wirst umfallen und dir weh tun!“
Leon ändert sein Verhalten nicht. Der Stuhl kippt um und Leon weint.
In diesem Fall ist Leons Sturz ganz klar eine logische Folge seines eigenen (Fehl-)Verhaltens.
Wichtig: Leons Mutter sollte ihren Sohn in dieser Situation trotzdem trösten – der Schmerz ist Strafe genug.

 

Info-Box: Gewalt in der Erziehung

2011 führte die Zeitschrift „Eltern“ in Zusammenarbeit mit dem Forsa-Institut eine Befragung zum Thema „Gewalt in der Erziehung“ durch.

Befragt wurden ca. 1000 Eltern von mindestens einem Kind im Alter von bis zu 14 Jahren.

 

Die wichtigsten Ergebnisse in der Zusammenfassung:

  • 40 % der Befragten gaben an in den letzten 12 Monaten ihrem Kind mindestens 1-2 mal einen „Klaps auf den Po“ gegeben zu haben. Die betroffenen Kinder waren im Durchschnitt zwischen zwei und acht Jahren alt.
  • Bei 4 % der Befragten gehörte der „Klaps auf den Po“ zum Alltag, wurde also alle paar Tage als Erziehungsmaßnahme eingesetzt.
  • Als Grund für die Bestrafung wurde in mehr als 50 Prozent der Fälle angegeben, das Kind sei „frech“ oder „unverschämt“ gewesen.
  • 75 % der Eltern hatten ein schlechtes Gewissen, nachdem sie ihr Kind mit einem Klaps oder noch drastischeren Maßnahmen bestraft hatten, die meisten versuchten zudem, ihren Kindern ihre drastische Reaktion zu erklären.
  • Es wird deutlich, dass Eltern, die als Kind selbst Gewalt in der Erziehung erfahren haben, eher bereit waren auch bei ihren eigenen Kindern Gewalt als Erziehungsmaßnahme einzusetzen.

 

Quelle: http://www.eltern.de/public/mediabrowserplus_root_folder/PDFs/Studie_forsa_Gewalt%20in%20der%20Erziehung_2011.pdf

Analog zur Belohnung, kann man die Bestrafung in zwei Arten unterscheiden

  1. Auf das Verhalten folgt eine unangenehme Konsequenz
  2. Auf das Verhalten wird eine angenehme Situation beendet oder sie wird später nicht mehr eintreten

Probleme mit der Maßnahme Bestrafung

  • Bestrafung beseitigt nicht das unerwünschte Verhalten, sondern unterdrückt es nur und verzögert das zeitliche Auftreten
  • Das bestrafte Kind ändert nicht seine Verhaltensweise, sondern versucht der Strafe durch Erlernen neuer Verhaltensweisen zu entgehen, z. B. durch Flucht, Lügen, Einschmeicheln, etc.
  • Bestrafung kann die Beziehung zwischen Erzieher und Kind so stark belasten, dass kein (notwendiges) Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann
  • Häufiges bestrafen kann zu feindseligem und aggressivem Verhalten führen
  • Das Kind sieht sein Fehlverhalten bei Bestrafung nicht ein und ändert deswegen seine Verhaltensweise auch nicht
  • Strafe kann eine Verstärkung der ungewünschten Verhaltensweisen bewirken, z.B. wenn diese die einzige Form der Zuwendung für das Kind darstellt
  • Das Modell der Bestrafung wird von dem Kind selbst eingesetzt um sich gegen andere durchzusetzen
  • Häufige Bestrafung mindert das Selbstwertgefühl des Kindes und kann zu Motivationslosigkeit und Passivität führen
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Autorin: Verena Fischer,
staatlich geprüfte Erzieherin mit Kneipp-Gesundheitsausbildung für Kinder
Letztes Update: Januar 2024
Erstelldatum: Mai 2016
Recherchierte Literatur:
Psychologie (Lehr-/Fachbuch) von Hermann Hobmair bei Bildungsverlag EINS
Pädagogik (Lehr-/Fachbuch) von Hermann Hobmair bei Bildungsverlag EINS

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