Hallo zusammen.
Ich habe lange gezögert, mich jemandem außer meinen Freundinnen anzuvertrauen, aber mittlerweile kann ich einfach nicht mehr und weiß nicht mehr weiter. Vielleicht ist hier ja jemand, der ähnliche Erfahrungen hat und mir Ratschläge geben kann...
Also, weit ausgeholt, meine Tochter war ein absolutes Wunschkind, die ersten 2 Jahre waren schwierig, schlecht geschlafen, terrible two`s usw. Mit 4 wurde Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) bei ihr festgestellt, als wir die Ernährung umgestellt haben, ging es ihr stetig besser. Sie war immer eine gute Schülerin, hatte aber immer schon Selbstzweifel, obwohl ich ihr immer zu verstehen gegeben habe, dass sie - Zitat - "perfekt" ist, so wie sie ist. Sie kam sehr früh in die Pubertät, bekam ihre erste Periode in der 5. Klasse und hatte ordentlich damit zu kämpfen. Auch da habe ich versucht, ihr beizustehen und ihr zu verstehen zu geben, dass sie nicht damit alleine ist. Leider - was ihre Einschätzung betrifft - hat sie meine Statur geerbt, sie ist eher klein und sehr weiblich gebaut, hat relativ große Brüste aber ist ansonsten schmal gebaut. Seit sie ca. 13 ist höre ich von ihr nur "ich kann das nicht" oder "alle anderen können das aber ich nicht" und ähnliche Aussagen. Aber es ging soweit, viele Diskussionen, Aufmunterungen, Hilfestellungen später kam dann Corona. Sie besucht eine reine Mädchenschule (in die sie unbedingt gehen wollte) und wollte in dieser die sogenannte Talentklasse (Realschule - kombinierter BWR und Französisch-Zweig) besuchen, unter anderem weil sie nicht mit den anderen Mädchen zusammen sein wollte, die sie hänseln und die "gemein" sind. Corona hat ihr anfangs "gut gefallen", das Homeschooling ohne die anderen - Zitat - "bitches" war prima. Sie konnte alles in ihrem Tempo machen und kam gut zurecht. Bis vor kurzem hätte ich gesagt "also bei uns hat Corona eigentlich keine Schäden verursacht".
Und dann ging die Schule wieder los. Und es häuften sich die "die mag mich nicht", "der Lehrer hasst mich", "die bitches machen mich dauernd fertig" Aussagen. Und die schlechteren Noten. Und das Ritzen, das ich - wieder - bemerkt habe. Gespräche, Versprechungen, Hilfestellungen meinerseits. Ein neuer Freundeskreis über eine "alte" Freundin tat sich auf, eine LGBTQ Gruppe. Kein Problem meinerseits damit. Mir wäre es auch schnurzpiepegal wenn meine Tochter ein Sohn werden würde, oder auf wen auch immer "stehen" würde. Aber die Noten wurden kontinuierlich schlechter, genau wie die Laune. "Ich will wieder ins Homeschooling", "Manchmal hab ich nicht mal die Motivation dazu, aufzustehen", "kann mich nicht einfach jeder in Ruhe lassen". Und der immer schlechter und gemeiner werdende Umgang mit ihrem kleinen Bruder (4 Jahre jünger). Und die Respektlosigkeit uns Eltern gegenüber.
Sie erzählt mir, wie gemein die Lehrer sind und dass sie jeder hasst. Ich sage, das kann ich mir gar nicht vorstellen, dass dich jemand nicht mag. Versuche, ihren Blickwinkel auch immer wieder nach rechts und links auszuweiten, weil ihr Blickwinkel starr in eine Richtung geht. Sie versteht aber - hab ich mittlerweile herausgefunden - "Du glaubst mir nicht, ich übertreibe ja alles". Dann erfahre ich, dass sie beim Aufrufen im Unterricht pampig und genervt reagiert, à la "Wie kannst du es wagen, mich aufzurufen? Bin ich schon wieder dein Opfer?". Und mittlerweile sind wir im Abschlussjahr angekommen. Die Noten. Naja. Könnte eventuell klappen mit dem Abschluss. Muss aber nicht. Da ich mittlerweile gar nicht mehr weiß, was ich tun soll und wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll, geht sie zu einer Pädagogin. Die macht aber - wieder Zitat - "nur so komische Sachen und gibt mir zu verstehen, dass ich mir das alles einbilde". Jetzt sind gerade 2 Freundinnen bei ihr und die Mutter einer der beiden Mädchen war noch kurz auf einen Kaffee geblieben, und als wir so tratschten meinte sie, ihre Tochter (oder Sohn, non binary, bedeutet kurzer Rock und Strümpfe aber die Brust abgebunden und will mit "er" oder "xi" angesprochen werden) hätte von einem Transgender in der Gruppe (geb. als Mädchen aber derzeit in Hormontherapie vor der OP) einen Brustbinder bekommen und die Mama äußerte den Verdacht - den ich auch schon hatte - dass meine Tochter auch einen bekommen hätte. Und ihn tragen würde. Meine Tochter hat 70C derzeit und trägt vermutlich den Binder eines 70A Menschen. Ich will mir gar nicht ausmalen, welche gesundheitlichen Konsequenzen das haben könnte.
Was mach ich denn jetzt? Ich weiß echt nicht mehr weiter... Sie ritzt sich derzeit nicht. Glaube ich. Ich versuche, ihr so viele Freiheiten wie möglich zu lassen, aber wenn ich mehr und mehr merke, dass sie mich belügt bzw. hintergeht - eben mit dem Brustbinder und dgl. - kann ich ihr doch nicht die Freiheiten lassen? Ich will sie aber nicht stark reglementieren. Ich bin der Meinung, Menschen brauchen ihre Freiheiten. Nicht, dass ihr das falsch versteht, es gibt bei uns klare Regeln in einigen Dingen, "lüg mich nicht an, sag lieber die Wahrheit, dann finden wir eine Lösung" und ähnliches. Sie weiß, weil ich ihr das immer wieder sage, dass mir ihre Sexualität egal ist, aber dass in einigen Sachen bei mir Grenzen sind (eventuelle Geschlechterentscheidungen etwa nicht in ihrem Alter sondern später), ich ermögliche ihr alles, was ich kann, lass sie ihre Haare bleachen oder färbe ihr selber (auf Wunsch) die Haare rosa. Ich erlaube ihr, die sehr, sehr schwarzen Klamotten zu tragen, verteidige sie vor anderen, weil ich der Meinung bin, dass das ein wichtiger Schritt zum "eigenen Stil" ist.
Aber nochmal die Frage, was mache ich? Soll ich sie gewissermaßen einsperren, ihr den Umgang mit der Clique verbieten, sie nur noch in die Schule gehen lassen (wo sie auf dem Pausenhof die Clique trifft)? Sie jeden Tag kontrollieren? Sie auf den Binder ansprechen? Oder lass ich meine Hosen runter, sage ihr, wie ich mich fühle, was das alles für mich an seelischen Qualen bedeutet? Wie sehr ich mich biegen muss, um meinem Mann das Gefühl zu geben "so schlimm ist es nicht", damit er, der alles etwas eingleisiger sieht, ihr nicht alles verbietet und ihr Dinge an den Kopf wirft, die ihre Beziehung zu ihm vielleicht endgültig zerstört? Ich würde sie zum Psychologen/Psychotherapeuten schicken, aber derzeit ist in unserem Umkreis der nächste mögliche Termin erst in 6 Monaten.
Habt ihr einen Rat für mich? Oder einen Strick??? Ich weiß echt nicht mehr weiter und weiß gleichzeitig, dass ich damit bestimmt nicht die Einzige bin. Die Einzige, die irgendwann zugeben muss : "Ja, jetzt hat diese SCh.... Pubertät uns auch eiskalt erwischt...".
Sorry, das war jetzt sehr lang. Ich hoffe, das Aufschreiben hat auch für mich eine therapeutische Wirkung, die Nacht heute wird sicher nicht erholsam. Wie die letzten Monate auch nicht. Aber es ist ja nur eine Phase, richtig? RICHTIG???????
LG an euch alle...