Seit Corona ist der Sohn allein

  • Hallo ihr alle,

    ich hab mich hier ganz neu angemeldet, weil ich nicht mehr weiter weiß und hoffe, dass ihr mir irgendeinen Rat habt.


    Mein Sohn ist 15.

    Er ist ein aufgeschlossener, lustiger Kerl, der eigentlich immer viele Freunde hatte und in verschiedenen Vereinen im Ort dabei ist.


    Vor Corona hatte er immer viele Verabredungen.

    Mit Gleichaltrigen und auch viel mit Jüngeren.

    Er war ständig unterwegs.

    Auf dem Fußballplatz, bei Freunden zuhause.


    Während der ersten Homeschooling-Phase lief dann alles noch normal. Die Jungs hatten untereinander noch Kontakt, alles war gut.


    Dann während des zweiten Lockdowns im vergangenen Winter fing es an.

    Die gleichaltrigen Freunde entdeckten plötzlich das Party machen, trinken und Shisha rauchen.

    Sie trafen sich in kleinen, noch erlaubten Grüppchen, bei denen unser Sohn anfangs noch mit dabei war.

    Er merkte aber relativ schnell, dass das (noch????) nicht seine Welt ist. Irgendwie war/ist er noch nicht so weit, ist eher noch der kindliche Typ.

    Er wurde der Stimmungstöter bei den Treffen und war relativ schnell raus aus der Gemeinschaft.

    Das machte ihm zunächst nichts aus, da er ja auch noch die jüngeren Freunde hatte.


    Durch das immer strenger werdende Kontaktverbot bildeten sich da allerdings irgendwann Zweiergruppen und komischerweise war unser Sohn bei keiner Gruppe dabei.


    Er hatte auf einmal weder Kontakt zu den Gleichaltrigen, die nur am Party machen waren und in deren Augen er ein Baby war, noch zu den Jüngeren.

    Er war sehr viel allein.

    Wir vertrösteten ihn auf die Zeit nach dem Lockdown, wenn sich wieder alle gemeinsam treffen dürften.


    Die Zeit ist längst da, die Jungs treffen sich längst wieder in großen Gruppen auf dem Fußballplatz oder radeln durch den Ort.

    Aber auch hier ist unser Sohn plötzlich raus.

    Alle sagen, sie hätten keine Zeit und treffen sich dann trotzdem ohne ihn.

    Keiner von uns kann nachvollziehen, was passiert ist.


    Unser Sohn wird immer trauriger, sitzt allein daheim und versteht nicht, was passiert ist.

    Unser Vorschlag, doch mal direkt, persönlich in einem Gespräch mit den Jungs zu klären, was denn zu der Situation geführt hat, scheitert an der Kommunikationsfähigkeit dieser Generation.

    Es wird nur über Sprachnachrichten per WhatsApp geredet. Kein Aug in Aug Gespräch, was bei solchen Situationen so wichtig wäre und es bleibt weiter alles unklar.

    So sitzt unser Sohn weiter allein daheim und ist traurig.


    Wir wissen nicht mehr weiter.

    Natürlich ist er mit seinen 15 kein kleines Kind mehr, das man durchs Leben führen und betüddeln muss.

    Er muss da eigentlich allein durch.

    Aber es tut (vor allem mir) wahnsinnig weh, ihn so zu erleben.

    Ich möchte ihm helfen.

    Ich rede fast täglich mit ihm und versuche ihm Denkanstösse zu geben, was er ändern kann, um neue Freunde zu finden.

    Andre Hobbies, wo er neue Leute kennenlernt, andre Klassenkameraden, mit denen er sich noch nie getroffen hat…

    Aber ist sitzt nur da und will seine alten Freunde zurück.

    Er versucht es nach wie vor täglich, sich mit ihnen zu verabreden. Manchmal ist es sogar von Erfolg gekrönt und wir alle denken, es war nur eine Phase. Aber meist ist es am nächsten Tag wieder dasselbe Spiel und sie grenzen ihn aus.


    Ich weiß wirklich nicht mehr weiter.

    Inzwischen sitze ich selber fast täglich da und könnt heulen, so zieht mich das runter.

    So gehts nicht weiter.

    Aus dem bisher so fröhlichen Kerl ist ein Häuflein Elend geworden…

    Habt ihr Ideen, was ich, wir oder er alleine tun könnte…

    Wie ich ihm helfen könnte??


    Verzweifelte Grüße


  • Hallo! :)


    Es tut mir leid, dass dein Sohn in solch einer Situation ist. Dass du offen mit ihm sprichst und ihm Denkanstöße gibst, ist wichtig und ein erster Schritt. Der Rest muss sich wohl oder übel von selbst ergeben/entwickeln. Ein bisschen nachhelfen darf man aber durchaus...


    Ich würde stark in Richtung "lerne neue Leute kennen" motivieren! Alles nutzen, was dazu beiträgt (Vereine, Hobbys, Internet etc.). Gemeinsamkeiten verbinden. Wenn dein Sohn mit dem klassischen "Party machen" nichts anfangen kann, wird er dort (wo das passiert) auch keinen Anschluss mehr finden. Deshalb würde ich raten - so schwer es fällt - mit dem "Alten" abzuschließen und sich "Neuem" zuzuwenden.


    Gespräche (ob unter vier Augen oder virtuell) würden meines Erachtens nach nicht mehr dazu beitragen, die "Kinderfreundschaften" zu kitten. Da ist anscheinende eine Entwicklung voneinander weg passiert. Vielleicht würde ein gutes Gespräch für mehr Klarheit sorgen, das schon... Aber ich gehe kaum davon aus, dass 15-jährige, die gerade "Party machen" im Fokus haben, viel Motivation haben, reflektierte Gespräche zu führen. Für mich hört sich das eher so an, als sollte dein Sohn seine Energien eher dazu nutzen, sich anderweitig zu orientieren...


    Dass sich Freundschaften zwischen Kinderalter und Jugendalter verändern und oftmals zerbrechen, weil man sich zu sehr auseinander entwickelt, ist gar nicht selten. Dass es deinen Sohn in dem Ausmaß getroffen hat, ist aber natürlich sehr traurig! :( Ich persönlich finde es gut, dass es (auch) Jugendliche gibt, die den Fokus nicht auf trinken, Party und rauchen legen. Es gibt so einige von der Sorte und dein Sohn wird sicher wieder Anschluss finden...


    Vielleicht auch ein bisschen in Richtung Mädchen öffnen. Freundschaften zwischen den Geschlechtern können ja in jedem Alter sehr gut funktionieren und sind bereichernd. :)


    ---


    Und unabhängig von allen Ratschlägen, ein "Mantra", das mir oft hilft: Es geht vorbei! Du wirst sehen, mit der Zeit wird dein Sohn wieder Anschluss finden und die momentane Situation ist dann nur mehr eine unangenehme Erinnerung!


    Ich wünsche euch alles, alles Gute! :)

  • Hallo :)


    Zunächst einmal hoffe ich sehr, dass die Situation sich mittlerweile zum Positiven verändert hat, da Ihr Post ja doch schon ein Weilchen her ist.


    Ich denke, dass es ungeheuer wichtig ist, dem Selbstwert Ihres Sohnes in dieser Situation eine große Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn sein Selbstwert nicht entwickelt wird (nicht nur der des 15 jährigen Jungen sondern auch der eines jungen Mannes), kann sich das bis ins später Erwachsenenalter hinein ziehen und nur sehr mühsam wieder hergestellt werden.


    Hier mal ein paar Ideen, die mir spontan einfallen würden, wie Sie ihm helfen können, sein Selbstwertgefühl zu stärken bzw zu entwickeln:


    - Verantwortung: Übertragen Sie ihm innerhalb der Familie viel Verantwortung. Binden Sie ihn mit ein. Geben Sie ihm das Gefühl, dass er gebraucht wird(was natürlich sowieso der Fall ist). Es gibt wenige Dinge, die "uns" auf "legitime" Art so viel positives Selbstwertgefühl stiften wie die Übernahme von Verantwortung. Ein positiver "Nebeneffekt" hier wäre, dass ganz einfach weniger Zeit ist, um über seinen "defizitären" Zustand zu sprechen bzw sich darüber Gedanken zu machen.


    - Sport/Selbsterfahrung: Sport ist weiterhin(Sie haben erwähnt, dass ihr Sohn in verschiedenen Vereinen ist) ein wichtiges Tool. Vielleicht darf es sogar mal etwas "extremer" sein. Gehen Sie beispielsweise mit Ihm in den Hochseilgarten. Die Körpererfahrung ist super wichtig (gerade für junge Männer in diesem Alter). Körperliche Anstrengung in Kombination mit ein klein wenig "Grenzerfahrung" ist ideal um das Selbstvertrauen ihres Sohnes zu steigern.


    - Zuhören: Versuchen Sie, ihm aufmerksam zuzuhören. Und damit meine ich nicht nur dann, wenn er von Problemen erzählt. Oftmals "verfallen" "wir" dazu, Annahmen darüber zu treffen, was für einen anderen Menschen, in einer Gewissen Situation, wichtig wäre. Besser ist es jedoch, den Menschen zu fragen, was er braucht bzw er/sie sich wünscht. Das gilt auch für Ihren Sohn.


    Ein Beispiel aus meinem eigenen Leben: Ich war lange Zeit (ca 8-10 Jahre) in meinem jungen Erwachsenenalter schwer depressiv. Meine Mutter, liebend wie jede andere Mutter, hat alles in ihrer Macht stehende getan, um mir zu helfen. Leider war das nur bedingt möglich. Sie war verzweifelt und hat, manchmal wie gegen Windmühlen kämpfend, einfach alles versucht. Alles was IHR eingefallen ist. Ich habe Sie mehrere Male darum gebeten, sich um meine Post/Rechnungen etc. zu kümmern. Das Problem war, sie hat das nicht "gehört". Sie dachte wohl, dass das mein kleinstes Problem sei und hat diesem "Wunsch" keine Beachtung geschenkt. Das Ende dieser Geschichte waren ca. 25.000€ Schulden nach meiner langen Leidenszeit. Was durchaus ein "Päckchen" ist für einen jungen Mann, der erst mit 30 Jahren so wirklich ins Berufsleben einsteigen konnte.


    Ich hoffe, Sie verstehen, womit ich mit meinem Beispiel hinaus möchte und können das Beispiel auf Ihre/seine Situation übertragen. "Hören Sie ihm einfach zu":)


    Mädchen/Frauen: Wie auch die andere Person vor mir schon geraten hat: Unterstützen Sie ihn dabei, Erfahrungen mit Mädchen/Frauen zu machen.


    Coaching/Mentoring: Nicht nur für Ihren Sohn sondern auch für Sie als Eltern kann es eine große Hilfe sein, sich Unterstützung zu holen bei jemanden, der "weiß, was er/sie tut" und noch dazu den nötigen Abstand mitbringt, um mit dieser Situation "richtig" umzugehen. Anders als bei dem Vorschlag, zu einem Psychologen zu gehen, wirkt das für das Kind oftmals weniger "bedrohlich" und vermittelt ihm nicht das Gefühl, "krank" oder "nicht richtig" zu sein (wobei natürlich die psychologische Hilfe das Mittel der Wahl sein muss, wenn die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit Ihres Kinders schon zu groß sind).


    Das bringt mich dann auch zu meinem Schlusssatz: Vergessen Sie sich selbst nicht!

    Für Eltern ist es oftmals schwierig, Abstand von den Sorgen und Nöten ihrer Kinder zu nehmen. Dabei ist es wichtig, dass Sie genügend Kraft haben, um Ihrem Sohn auch immer eine Hilfe sein zu können. Daher achten Sie auch auf sich selbst und Ihre Ehe/Beziehung.


    Ich hoffe, Sie finden in meiner Antwort zumindest ein Paar Wenige Dinge, die Ihnen helfen werden, diese Situation zu meistern.


    Liebe Grüße,


    Sascha

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!