Das Leben in einer sogenannten Patchworkfamilie ist eine besondere Herausforderung, kann aber auch eine Bereicherung für alle Beteiligten sein.
In einer Zeit, in der ca. jede dritte Ehe geschieden wird, werden auch die Familienmodelle immer bunter und individueller. Da klassische Modelle als Orientierung wegfallen, müssen (oder dürfen!) die einzelnen Familienmitglieder selber den Weg für ein gelingendes Zusammenleben finden. Jede Familie und auch jede Patchworkfamilie ist individuell und einzigartig, so dass es keine allgemeingültigen Regeln gibt, die das Zusammenleben bestimmen.
Einige Tipps können aber vielleicht helfen und eine Orientierung geben:
Geduld und ein langer Atem
Die neuen Partner sind verliebt und glücklich und möchten vielleicht so schnell wie möglich als neue Familie zusammenleben und das gemeinsame Glück mit den Kindern teilen und genießen. Für die Kinder kann das aber ganz anders aussehen. Die Kinder mussten die Trennung der Eltern verarbeiten, haben einen Verlust erlitten. Sie wünschen sich Stabilität und nicht Veränderung. Haben Sie deshalb keine großen Erwartungen an ein harmonisches Familienleben, sondern geben Sie Ihren Kindern Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Je älter die Kinder sind, desto länger kann dieser Prozess dauern.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind käme zu Ihnen und würde Ihnen erzählen, es hätte beschlossen, dass sein bester Freund jetzt bei Ihnen einzieht und seinen Vater mitbringt. Wie würden Sie sich fühlen? Ich gebe zu: Das Beispiel ist etwas konstruiert, lässt aber vielleicht erahnen, wie sich Kinder in diesem Moment fühlen.
Offenheit
Beziehen Sie Ihre Kinder von Anfang an in alle Entwicklungen mit ein. Versuchen Sie nicht, zu verheimlichen, dass Sie jemanden kennengelernt haben. Die Kinder merken sowieso, dass sich bei Ihnen etwas verändert hat. Wenn Sie gegenüber Ihren Kindern nicht offen sind, fühlt sich Ihr Kind außen vor gelassen, übergangen, unbeteiligt und im schlimmsten Fall nicht mehr geliebt. Erzählen Sie von dem neuen Menschen in Ihrem Leben und unternehmen Sie zunächst gemeinsame Aktivitäten, damit sich alle "beschnuppern" und aneinander gewöhnen können. Erwarten Sie aber nicht, dass der neue Partner sofort von den Kindern geliebt wird. Denn zunächst ist dies für die Kinder ein Fremder, der nun irgendwie zur Familie gehören wird.
Loyalitätskonflikte vermeiden
Für die Kinder gibt es neben dem neuen Partner noch einen leiblichen Vater/eine leibliche Mutter. Wenn die Kinder den neuen Partner mögen, kann dies Loyalitätkonflikten auslösen und sie fühlen sich schuldig gegenüber dem abwesenden, leiblichen Elternteil. Der neue Partner sollte deshalb nicht den leiblichen Vater/die leibliche Mutter ersetzen oder sogar eine bessere Mutter/ein besserer Vater sein wollen. Machen Sie deutlich, dass der getrennt lebende Elternteil weiterhin ein Bestandteil der Familie des Kindes ist. Im Optimalfall ist dies eine Bereicherung des Lebens in einer Patchworkfamilie, weil die Kinder dann neben Vater und Mutter weitere nahe stehende Erwachsene als Ansprechpartner haben.
Geschwisterrivalitäten vermeiden
Wenn beide neuen Partner Kinder haben, bedeutet Patchwork für Kinder immer auch teilen, und zwar sowohl Teilen von materiellen Dingen als auch der Aufmerksamkeit und Zuwendung. Achten Sie deshalb darauf, dass keine Konkurrenzen entstehen, und sich das eigene Kind nicht plötzlich weniger geliebt fühlt. Als Erziehende sollten Sie sich frühzeitig über Erziehungsvorstellungen austauschen und auf gemeinsame Regeln verständigen. Wenn Sie in der Erziehung an einem Strang ziehen, kann vermieden werden, dass Ihre Kinder Ihnen vorwerfen, dass die Kinder des Partners viel mehr dürfen. Vermeiden Sie aber auch, dass sich für einen Teil der Kinder plötzlich alle Regeln ändern, weil plötzlich ein neuer Erziehungsstilherrscht. Dies schafft nur zusätzliche Verunsicherung. Sind die Kinder alt genug, ist es sinnvoll, die (neu) geltenden Regeln beispielsweise in einem Familienrat zu besprechen.
Falls die Kinder des neuen Partners nur an den Wochenenden in der Familie leben, ist es wichtig, dann keine Bevorzugung und Sonderregeln einzuführen. Dies kann bei den Kindern, die dauerhaft in der Familie leben, das Gefühl auslösen, dass die "Gastkinder" mehr geliebt werden.
Ein buntes, individuelles Familienleben mit Rücksichtnahme auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder wünscht
Anne