Die anderen dürfen das aber auch

  • Als ich eben im Fernsehthread das berühmte "die anderen dürfen das aber auch" las, musste ich an eine Bekannte von mir denken.


    Die hat eine 18jährige Tochter. Das Mädel lernt grad fürs Abitur. Und meine
    Bekannte hat einen "Taschengeldstil", da schüttel ich nur den Kopf.
    Denn das Mädel kriegt 20 Euro im Monat. Davon soll sie Benzin (sie hat
    von den Großeltern ein Auto geschenkt bekommen) und alles andere
    bezahlen.
    Ich hab die Bekannte gefragt, wann sie zuletzt getankt hat. Bei 20 Euro geht das doch allein fürs Benzin drauf.
    - Dann muss sie sich eben einschränken.
    - Sie schränkt sich doch eh schon ein. Sie diskutiert mit dir über jedes
    Buch, jede CD, weil das in dem Taschengeld gar nicht drin ist. Wenn sie
    einmal im Monat mit ihren Freundinnen weggeht, dann ist auch das Geld
    weg. Wenn sie sich zwei Bücher kauft, auch.
    - Ja, aber ich bezahl ihr die Bücher ja extra, falls ich die Bücher okay finde.
    - Sie ist 18. Vielleicht möchte sie mit dir nicht darüber diskutieren, was sie lesen möchte!


    Sie bezahlt ihr ja auch Kleidung extra. Aber natürlich auch nur, wenn sie
    dabei ist und ihren Senf dazu geben kann. Entschuldigung, aber welches
    18jährige Mädchen möchte schon mit ihrer Mutter Klamotten kaufen gehen?
    Sie kauft ihr auch Kosmetika. Wenn das Mädel schwarzen Nagellack möchte,
    kriegt sie den natürlich nicht. Muss sie sich dann von den 20 Euro
    absparen.


    Ich hab ihr vorgeschlagen, dem Mädel Geld für bestimmte
    Bereiche zu geben. Soundsoviel für Klamotten, soundsoviel für Bücher,
    CDs und Schulkram, soundsoviel für's Auto und soundsoviel für Ausgehen
    und andere Dinge. Und dem Mädel dann auch zu überlassen, was sie dann
    tatsächlich wofür ausgibt. Wenn sie lieber was spart, ist das eben so.
    Denn so größere Wünsche kriegt sie auch nicht. Das wird dann auch extra
    bezahlt und vorher diskutiert. Braucht das Kind wirklich einen neuen
    DVD-Player? usw. Das Mädel muss dann genau erklären, dass der alte aber
    hakt. Meistens endet es dann darin, dass die Eltern das nicht für
    wichtig genug erachten und das Mädel sich das natürlich nicht
    zusammengespart bekommt, weil sie ein Geburtstagsgeschenk für eine
    Freundin kaufen will. etc.


    Meine Bekannte meinte nur, dass das bloß den Charakter verderben würde und dieses Argument "die anderen machen das aber auch" würde bei ihr ja gleich gar nicht ziehen, denn
    natürlich hat das Mädel das schon mal angebracht. Es geht ihr im Kern um diese Abgrenzung. Nur weil andere Eltern ihren Kindern mehr Freiräume zugestehen und mehr Taschengeld geben, muss sie das ja nicht mitmachen. Sie will genau wissen, was "das Kind" macht. (Ich hätte den Thread auch "nicht loslassen können" nennen können. ;) )


    Natürlich darf man sich mit "andere dürfen das aber auch" nicht erpressen lassen,
    aber ich denke schon das man sich ein bisschen daran orientieren muss,
    wenn man das Kind nicht komplett ins Abseits stellen will. Denn das
    Mädel wird von so vielem ausgeschlossen, weil sie immer erst mal drei
    Tage diskutieren muss und weil sie wegen chronischem Geldmangel
    letztlich nie irgendwo dabei sein kann, wenn ihre Freundinnen etwas
    unternehmen. Oft fragt sie inzwischen schon gar nicht mehr, sondern nimmt freiwillig Abstand von Unternehmungen, Hobbies usw.


    Welche Erfahrungen habt ihr mit "die anderen dürfen das aber auch" gemacht und wo zieht ihr die Grenze?

  • Hallo Marina,


    so wie Sie diese Geschichte bschreiben, taucht in mir auch zuerst die Vermutung auf, dass es hierbei nicht um ein Abgrenzen und Ablehnen des Scheinarguments "die anderen dürfen das aber auch" seitens der Eltern geht, sondern um ein, wie Sie selbst angemerkt haben, "nicht loslassen können".
    Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage, es klingt für mich nach "Kontrolle", nach "Kontrolle über andere haben wollen".
    Kontrolle ist Macht, der Wunsch nach Kontrolle hat aber ebenso mit Angst zu tun.
    So wie Sie die Geschichte beschreiben, scheint das Taschengeld absolut unangemessen, sprich viel zu gering zu sein.


    Andererseits frage ich mich, warum sich das Mädchen nicht auf die Hinterfüße stellt mit ihren 18 Jahren und sich einen kleinen Nebenjob sucht (Zeitungen oder Prospekte austragen, Kassieren oder Regale einräumen im Supermarkt...). So würde sie vor allem Verantwortung für sich selbst übernehmen und sich zudem aus der Kontroll-Falle befeien. Das funktioniert auch, wenn man für das Abitur lernen muss.
    So könnte sie sich ihr eigenes Geld dazu verdienen und wäre unabhängig(er).


    Vielleicht wäre dies ein guter Gedanke, das Mädchen bzw. die junge Frau dahingehend zu ermutigen und zu motivieren.
    Der Eindruck den Sie haben, dass die junge Frau sich abkapselt und von ihren AltergenossInnen distanziert, ist keine Entwicklung, die ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl stärkt. Im Gegenteil. Das ist der Weg in die Opferrolle, ein Kapitulieren, ein Lethargisch-werden, ein Aufgeben, möglicherweise sogar der Weg in eine Depression.


    Aber zu Ihrer Frage:
    Sie wollen gerne wissen, welche Erfahrungen andere mit dem Scheinargument "die anderen dürfen das ja auch" haben.
    Ich kann mich selbst noch gut an meine Tenagerzeit erinnern und auch ich habe dieses Argument bei meinen Eltern vorgebracht - und stieß auf große Widerstände, ich biss sozusagen auf Granit.
    Ich erinnere mich auch daran, wie grausam und ungerecht ich die Reaktion meiner Eltern fand.
    Schließlich begann ich, stichhaltige Argumente zu finden und diese Floskel zu vermeiden. Ich lernte, anders zu argumentieren, anders nachzufragen. Denn letztlich sind diese Worte "die anderen dürfen das ja auch" ein Druckmittel, das direkt beim Schuldgefühl anpackt und der (emotionalen) Erpressung nahe kommt bzw. ist.


    Sie stehen als Eltern ohnehin unter dem Druck und der Herausforderung, eine gute Balance zu finden zwischen den eigenen Vorstellungen, was die Erziehung betrifft und dem, was sie von anderen Eltern miterleben und erzählt bekommen. Der Druck ist groß und unabstreitbar.


    Ich finde es wichtig, offen zu kommunizieren. Das heißt, diesen Ausspruch "die anderen.... " nicht einfach mit "nein + basta" abzuschmettern, sondern zu erklären, dass Sie selbst das aber anders sehen (Wenn dem so ist). Dass nicht alle Menschen dieselbe Meinung und denselben Standpunkt vertreten. Dass Sie xy nicht gut oder nicht richtig finden, weil... Und warum nicht auch erklären, warum Sie diesen Satz gar nicht mögen?!
    Klar, offen und konsequent sein. Und natürlich kann es auch vorkommen, dass man sich von seinen Kindern auch mal überzeugen lassen darf - allerdings nicht "weichkochen".


    Ihre Klara

  • Hallo Marina,


    Natürlich darf man sich mit "andere dürfen das aber auch" nicht erpressen lassen,
    aber ich denke schon das man sich ein bisschen daran orientieren muss,
    wenn man das Kind nicht komplett ins Abseits stellen will.

    Die Entscheidung, was man als Elternteil erlaubt und was nicht, ist nicht immer einfach zu treffen und ich gebe Ihnen recht, dass man sich durchaus auch etwas an den "Trends" der Zeit orientieren sollte und an dem, was andere Kinder erlaubt bekommen und was nicht, um Kinder nicht zu Außenseitern zu machen.


    Ich finde allerdings auch, dass es ein Unterschied ist, ob ich mir im Vorfeld überlege, an welchen Punkten ich bereit bin, meine eigenen Ansichten zu überdenken, oder ob ich dem "andere dürfen das aber auch" nachgebe. Es gibt sicher Themen, die einem als Eltenteil so wichtig sind, dass man da keine Kompromisse eingehen kann, will und sollte und andere Themen, wo man sich einen Spielraum offen lassen kann.


    Im übrigen finde ich auch, dass man als Erwachsener auch Vorbild ist, wenn man nicht stur an seinen Meinungen und Einstellungen festhält, sondern bereit ist, eigene Standpunkte kritisch zu hinterfragen und auch mal Kompromisse zu schließen. Kinder nehmen das wahr und schauen sich ein solches Verhalten auch ab.


    Insgesamt immer wieder eine individuelle Gradwanderung bei der es kaum ein richtig oder falsch gibt, solange es nicht zu solch extremen Situationen wie die von Ihnen geschilderte Taschengeldfrage kommt.


    Anne

  • Bei dem Mädel ist es schon lange so das sie sich in einer Opferrolle befindet. Einen Job würde ich ihr nicht zumuten wollen. Damit kommt die Bekannte ja auch: "Dann soll sie sich eben einen Job suchen."
    Das Mädel ist aber so schon total überfordert. Eigentlich bräuchte sie dringend therapeutische Hilfe. Eine Weile hatte sie die auch, aber viel gebracht hat das nicht. Seit sie 18 ist, will sie keine mehr. Und ich finde, meine Bekannte guckt da auch nict genau genug hin. Sie sieht nicht, wie schlecht es ihrer Tochter geht.


    Ich hab versucht, das Mädel wieder in eine Therapie zu quatschen, aber es hilft nichts. Jetzt überlegt sie, ob sie nach dem Abi ins Ausland gehen soll, zweifelt aber immer wieder daran. Da bestärke ich sie dann immer wieder, weil ich glaube das es ihr gut tun wird, mal von zu Hause wegzukommen.


    Aber ja, das war nicht das Thema. ;)

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