Beiträge von Sissy

    Liebe Kitty,
    ich selbst kenne solche Situationen aus dem Betreuungsalltag Nicht als Erzieherin, sondern als betreuende Psychologin. Auch wenn es schwer zu denken scheint: diese Familie ist nicht primär daran interessiert, ihnen Schaden zuzufügen. Meist steckt eine verdeckte Form von Ablenkung dahinter. So nach dem Motto "Die Erzieherin ist die Böse, wir die Guten". Die Konfrontation mit der eigenen familiären Problematik, die in der begleiteten Unterstützung des Jugendamtes gipfelt (wenn ich es richtig verstanden habe) wird vermieden indem das destruktive Verhalten auf jemand anderen projiziert und fokussiert wird.


    Dass der Junge so gelogen hat ist natürlich nicht richtig - passt aber leider zum Verhaltensmuster von Familien, die Unterstützung von außen brauchen. Er hat sehr viel Aufmerksamkeit dadurch bekommen: "meine Eltern kümmern sich um mich". Es ist traurig, dass manche Kinder zu solchen Behauptungen gelangen weil sie sich (unbewusst) Aufmerksamkeit und Zuneigung erhoffen. Zwar probieren alle Kinder in dem Alter das Lügen aus, Kinder, die in der Familie Rückhalt haben, wissen aber schon früh, welche Lügen moralisch ok sind und welche nicht. Die Eskalation brachte aber ja nicht die Lüge an sich, sondern die Reaktion der Eltern, richtig?


    Die Reaktion der Eltern scheint leider symptomatisch für das Familiensystem als Ganzes. Wie erwähnt, wird hier Ablenkung durch ein neues, außenstehendes Ziel gesucht. Die Familie hält zusammen gegen einen gemeinsamen "Gegner".
    Was ich damit erklären möchte ist: zerrüttete Familiensysteme haben oft nur diese Chance, sich als Zusammenhalt wahrzunehmen. Somit ist die Behauptung des Jungen gerade recht gekommen. Ob Sie es gewesen wären oder eine Kollegin wäre dabei wahrscheinlich egal.


    Was dagegen hilft?
    Ganz ehrlich und aus Erfahrung: Ein Schuss vor den Bug. Die Eltern agieren sehr übergriffig, sind an einem Gespräch und einer konstruktiven Auseinandersetzung nicht interessiert, sondern am Angriff.


    Man könnte nun versuchen zu klären, WAS sich die Familie mit ihrer Vorgangsweise erhofft. Ein Gefühl der Überlegenheit? Geld? Oder einfach nur einen Kampf um des Kämpfens Willen?
    Was es auch immer ist: SIE SIND DAFÜR NICHT ZUSTÄNDIG, es der Familie zu geben.


    Warten Sie mal ab, auch wenn es schwer fällt. Aus dem Vorhaben zum Anwalt zu gehen muss keine Tat werden. Und wenn, dann haben Sie ihren Träger hinter sich.
    Versuchen sie in der Zwischenzeit vorerst nur für sich selbst eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, klar und deutlich. Das hilft ihnen vielleicht, ihren Standpunkt nieder zu schreiben.
    Für den Fall der Fälle, dass doch noch etwas kommt: Erklären Sie bitte, dass Sie das Jugendamt einschalten möchten, zur besseren Klärung. Und dass eine Anzeige auf Verleumdung eingehen wird, sollte die Familie nicht aufhören Sie zu beschuldigen.
    Ein solch klares Vorgehen bringt angriffslustige Menschen oft dazu abzulassen weil ihnen schlimmere Konsequenzen drohen. Alles Gute und nur Mut!!!