Hallo,
ich habe dieses Forum entdeckt, als ich auf der Suche nach möglichen Anregungen war, und habe gesehen, dass hier nicht bloß Mütter schreiben, sondern es auch ein paar Psychologen zu geben scheint. Ich hatte nämlich schon überlegt, ob ich einen hinzuziehe.
Ich weiß nicht, ob dieser Bereich des Forums der richtige für meine Frage ist. Falls nicht - bitte verschieben!
Es geht um folgende Situation:
Ich war mit einem Polizisten verheiratet (in einem anderen Land, nicht in Deutschland) und war mit unserer Tochter Caroline schwanger, als er während eines Einsatzes erschossen wurde.
Caroline musste also ohne ihren Vater aufwachsen, konnte ihn nie kennenlernen.
Ich ging mit ihr zurück nach Deutschland und versuchte, ein möglichst normales Leben aufzubauen. Ich denke, das ist mir auch gelungen. Caroline ist eingebunden in ein stabiles soziales Netzwerk, hat viele Freunde, Bekannte und auch männliche Bezugspersonen, die eine Art Vaterersatz darstellen.
Das Fehlen des Vaters habe ich ihr immer altersgerecht erklärt, mit ihr gemeinsam Rituale geschaffen, die ihr ein gewisses Bild vermittelt haben. Also, als sie klein war, wohnte ihr Vater im Himmel und passte von dort auf sie auf usw.
Inzwischen ist sie 14 und weiß in groben Zügen Bescheid, was damals passiert ist. Ich erzähle ihr immer so viel, wie sie wissen möchte.
Bisher sind wir also beide einigermaßen gut mit dieser Situation zurechtgekommen.
Nun haben wir einen Brief von dem Mann erhalten, der meinen Mann damals erschossen hat. Er hat nicht etwa gefragt, ob wir uns kennenlernen und reden könnten, sondern hat recht plump eine Vergebung eingefordert, damit ER besser mit SEINEM Leben zurechtkommt. Von uns war da gar nicht die Rede. Kein Wort von Reue, wie wir das Leben seither gemeistert hätten etc. Es ging nur um ihn. Dass er jetzt clean sei (er war damals drogenabhängig), einen Job habe bla bla. Ist ja alles schön für ihn, aber was interessiert mich das?
Ich habe mich jedenfalls ziemlich über diesen Brief geärgert und dachte nicht im Traum daran, darauf in irgendeiner Form zu reagieren.
Caroline hat aber ganz anders darauf reagiert. Sie möchte unbedingt dorthin fahren und den Mann kennenlernen. Ich habe ihr offen gesagt, dass ich nichts davon halte, eben, weil es ihm anscheinend nur um sich selbst geht, dass er ihr vielleicht Dinge sagen wird, die sie nicht hören möchte. Dass er einen sehr ungebildeten Eindruck macht und auch nicht gerade in der besten Gegend lebt. Aber sie ist nicht davon abzubringen.
Ich habe ihr schließlich vorgeschlagen, dass wir nächstes Jahr im Sommer gemeinsam dorthin fahren, ich ihr alles zeige - wo wir gelebt haben, wo sie geboren wurde - und dass wir dann eben auch diesen Mann treffen, sofern er und sie dann überhaupt noch Interesse daran haben.
Sie meinte daraufhin, ich würde ja nur auf Zeit spielen wollen (klar will ich das) und wir könnten diese Reise auch genauso gut in diesem Sommer machen. Oder wir könnten den Mann ja auch zu uns einladen.
Ich sagte ihr, dass ich nicht glaube, dass sie versteht, worum es dabei wirklich geht. Wir sprechen davon, einen Mörder zu treffen - vollkommen unabhängig davon, dass ihr Vater sein Opfer war.
Und sie meinte - sie ist gerade in so einer sozial engagierten Phase - dass jeder eine 2. Chance verdient habe bla bla und dass es mir doch eher darum ginge, mich selbst anstatt sie zu schützen.
Ich sagte, dass der Mann seine 2. Chance ja längst bekommen habe und es an ihm liege, sie zu nutzen. Wenn er dafür "Vergebung" brauche, dann stimme mit ihm immer noch was nicht. Und wenn er wirklich an einem Täter-Opfer-Ausgleich interessiert wäre, hätte er sich an einen Psychologen oder Sozialarbeiter gewandt, der den dann auch betreut, damit alle Beteiligten etwas davon haben.
Diese Diskussionen wiederholen sich immerzu und drehen sich im Kreis. Sie versteht mich nicht und, ich denke, auch den Kern des Problems nicht, und vielleicht verstehe ich sie auch nicht.
Daher überlege ich jetzt, ob ich ausnahmsweise autorität durchgreife und dieses Treffen schlicht und einfach verbiete oder ob ich eben einen Psychologen zu Rate ziehe, der zwischen uns vermitteln kann. Denn einfach so dahin zu fahren und auf diesen Mann zu treffen, halte ich für eine mehr als schlechte Idee.
Ich will mich nicht mit ihm auseinandersetzen und Caroline halte ich für zu jung, um zu überblicken, worauf sie sich einlässt. Sie ist zwar recht erwachsen und vernünftig für ihr Alter, aber in manchen Dingen doch noch recht naiv.
Oder kann ich ihr das noch auf eine andere Art und Weise nahebringen, ohne dass wir uns wieder in einer endlosen Diskussion wiederfinden? z.B. indem man erwachsene Freunde/Bekannte einbezieht, die ihre Sichtweise darlegen?
Danke im Voraus für die Antworten!