Diese Frage stellen sich nahezu alle Eltern spätestens dann, wenn die Schullaufbahnempfehlung ins Haus flattert. Die Lehrer des Kindes schätzen ein, wofür sich das Kind am besten eignen könnte - Hauptschule, Realschule oder Gymnasium.
Doch liegen sie damit immer richtig?
Diese Einstufung findet zumeist in einem Alter statt, in dem Kinder ihren Charakter und ihre Fähigkeiten noch gar nicht richtig ausgeprägt haben. Während der Pubertät kann sich noch viel ändern - einige Fähigkeiten gehen verloren, andere entwickeln sich, neue Interessen prägen sich heraus.
Diese frühe Selektion ist ein fataler Fehler im deutschen Schulsystem, aber Kinder und Eltern müssen damit leben und sollen nun also die richtige Entscheidung für die nächsten Jahre treffen.
Das ist sehr schwierig. Entscheidet man sich für eine zu niedrige Schulform, hat das Kind später Probleme, eine adäquate Ausbildungsstelle zu finden. Entscheidet man sich für eine zu hohe Schulform, kann es sein, dass das Kind eine Zurücksetzung hinnehmen und verkraften muss.
Was sich Eltern grundsätzlich klar machen müssen, ist, dass die Zeit der Durchlässigkeit der Schulformen - so, wie sie es selbst meistens erlebt haben - vorbei ist. Früher konnte man sich "durcharbeiten". Wer einen guten Hauptschulabschluss schaffte, konnte relativ leicht den Realschulabschluss nachmachen oder gar mit dem Hauptschulabschluss eine Ausbildungsstelle bekommen, sich im Beruf hocharbeiten und durch zusätzliche Ausbildungen und verschiedene Kurse eine gute Qualifikation erlangen.
Mit einem guten Realschulabschluss konnte man in die gymnasiale Oberstufe wechseln und doch noch Abitur machen.
Dies ist heute sehr viel schwieriger. Es ist ein häufiger Denkfehler von Eltern, dass sie von ihren damaligen Voraussetzungen ausgehen und meinen: "Wenn das Kind erst mal auf die Hauptschule geht, ist das nicht schlimm, es kann später ja immer noch auf eine höhere Schule wechseln".
Heute muss man eher von den umgekehrten Voraussetzungen ausgehen. Es muss heißen: "Wenn das Kind das Gymnasium/die Realschule nicht schafft, muss es eben auf eine niedrigere Schulform wechseln und man muss schauen, dass es später über Umwege doch noch an einen höheren Abschluss kommt." (z.B. über berufsorientierte Schulen, Fachoberschulen etc.)
Einer Schullaufbahnempfehlung für die Hauptschule sollte man grundsätzlich sehr kritisch gegenüberstehen. In vielen Bundesländern ist die Hauptschule heute so etwas wie ein "toter Zweig", auf den alles abgeschoben wird, was nicht so recht in die Norm passen will. Die Entwicklungschancen von dort sind äußerst gering. Mit einem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zu finden, ist schwierig. Man bedenke auch die möglichen sozialen Benachteiligungen, die das Kind eventuell hinnehmen muss.
Wenn die Schullaufbahnempfehlung also "Hauptschule" lautet, sollte man nachforschen, warum die Lehrer dem Kind nicht mehr zutrauen. Hat das Kind eine Lernbehinderung? Hat es Sprachprobleme (vielleicht bedingt durch einen Migrationshintergrund)? Langweilt es sich im Unterricht? Ist es überfordert? Kommt es mit Mitschülern und Lehrern nicht gut zurecht?
Langeweile deutet meistens darauf hin, dass das Kind viel mehr könnte, als es bisher gezeigt hat. Hier wäre die Einstufung in die Hauptschule also fatal. Dies gilt auch für soziale oder charakterliche Gründe (z.B. das Kind ist sehr schüchtern und schafft es nicht, sich Gehör zu verschaffen oder es wird oft gehänselt). Aber auch Lernbehinderungen und sprachliche Defizite müssen kein Grund für die Hauptschule sein,
Man sollte also grundsätzlich immer über eine höhere Schulform als die empfohlene nachdenken. Wichtig ist dabei im Grunde nur, dass Eltern und Kinder an einem Strang ziehen und miteinander sprechen. Dies bedeutet, dass man keine Schuldzuweisungen an das Kind wegen dieser Einstufung machen sollte. Weiterhin sollte man gemeinsam beschließen, es zunächst mit der höheren Schulform (z.B. Gymnasium statt Realschule) zu versuchen und hierbei von vorneherein zu erklären, dass man das Kind in jedem Fall unterstützt, auch dann, sollte es diese höhere Schulform doch nicht meistern können.
Sollte es dann tatsächlich dazu kommen, dass das Kind etwa vom Gymnasium auf die Realschule wechseln muss, sollten die Eltern hier ruhig bleiben, keine Vorwürfe machen, sondern eher die positiven Aspekte herausstreichen, etwa, dass das Kind unter großem Druck stand, der nun erst mal genommen wurde.
"Gegenanzeigen" gegen dieses Prinzip gibt es nur sehr wenige. Grundsätzlich kann sich fast jedes Kind positiv entwickeln, wenn man es nur ausreichend fördert. Dies hängt zwar von sehr vielen Faktoren ab, aber negativ ist letztlich nur ein vorzeitiges Aufgeben.