Unser Sohn ist dreieinhalb. Er besucht seit einem dreiviertel Jahr den Kindergarten. Inzwischen vier Vormittage und einen Tag bis 16 Uhr. Darüberhinaus ist er einen Nachmittag pro Woche bei meiner Mutter. Momentan ist für ihn ganz wichtig, seine Bezugspersonen in Freunde und Nicht-Freunde einzuteilen. Mama ist glücklicherweise der "wichtigste Freund", während Papa "nimmer sein Freund" ist.
Nach ersten "Gehversuchen" ohne Windel zieht er es wieder vor, die Windel zu "benutzen", und zwar ohne irgendeine Meldung, wenn er sein Geschäft darin platziert hat. Im Urlaub schafften wir immerhin schon vier Tage kleines Geschäft auf der Toilette und Windel nur zum Kacken. Was am Kacken auf dem Klo so schwierig ist, kann ich nicht sagen. Möglicherweise merkt er keinen Unterschied zwischen Stuhlgang und Wind, weil er immer sehr weichen Stuhl hat. Alles in allem führt das wiederum dazu, dass man ihn im Kindergarten regelmäßig frisch anziehen muss, weil "alles voll" ist. Das macht ihn bei den Kindergärtnerinnen nicht gerade beliebt. Ob hier schon irgendwelche abwertenden Äußerungen laut wurden, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ich vermute es jedoch.
Er lässt sich nichts mehr sagen. Im besten Fall ignoriert er Anweisungen, im Regelfall macht er genau das Gegenteil. Bei mir. Bei seinem Vater. Bei den Omas. Bei Opa. Im Kindergarten.
Die neue Erzieherin und Gruppenverantwortliche der neuen Kleinkindgruppe, die er seit kurzem besucht, hat er aus seinem "Freundeskreis" gestrichen. Sie verhängt Sanktionen, wenn er sich nicht an ihre Anweisungen hält. Z.B. ein Tag Rutschverbot, weil er irgendwie, aber nicht sitzend rutscht. Oder Sandkastenverbot, wenn er anderen Kindern den Sand mit der Schaufel in die Haare kippt. Allerdings beeindruckt ihn das Verbot überhaupt nicht und er ignoriert es mit dem Ergebnis, dass es verlängert wird, was ihn wiederum nicht interessiert. Oder eine Minute still sitzen, wenn er nicht auf den Hinweis reagiert, dass er nicht rennen soll. Sie ist aber sehr "herzig" und lieb, nimmt die Kinder auch auf den Schoß oder kuschelt mit ihnen. Sie mag Kinder und ihren Beruf, das merkt man. Mir gefällt an ihr, dass ich tatsächlich eine gewisse Erziehung und Konsequenz erkenne. Heute hat sie mich zu einem dringenden Elterngespräch gebeten, am besten gleich morgen. Wir müssten uns unbedingt über den Jungen unterhalten.
Er will nicht schlafen gehen. Er will nicht aufstehen. Er will nicht in den Kindergarten. Er will mittags nicht nach Hause. Er ißt wie ein Schwein, obwohl er es besser kann. Er sagt, er ist satt. Später erfahre ich, dass er danach bei Oma Käsebrot bestellt hat. Er bestellt morgens Tee oder Caro-Kaffee, aber lässt ihn grundsätzlich stehen, auch nach mehrmaliger Aufforderung zum Trinken. Milch ist nicht anders. Auch Tee nicht. O-Saft mag er nicht. Er lässt sich Äpfel aufschneiden oder Birnen, die entweder er stehen lässt, oder ich unterm Tisch wieder finde. Er flüchtet so oft wie möglich ins Untergeschoss zu den Großelter. Und ganz oft sitzt er dann da und schaut sich irgendwelche schon kindgerechten Youtube-Filmchen an, die ihm Oma heraussucht, insgesamt aber einfach zu viel. Ich bring ihn kaum mehr an die frische Luft. Beim Schlehen Pflücken am Samstag hat er bereits bei der fünften Frucht die Lust verloren. Am Spielplatz kann ich ihm hundert Mal sagen, dass er nicht mit dem Kies werfen soll, und im Garten, dass er sich nicht im Dreck suhlen soll und die Wassertonne in Ruhe lassen soll. Es interessiert ihn nicht. Wenn ich sage, er soll die Turnschuhe anziehen, habe ich Glück, wenn er in Gummistiefel schlupft und wenn ich sage, er soll in der Wohnung seine Schlappen anziehen, damit er auf den Fliesen keine kalten Füße bekommt, kann ich mir sicher sein, dass er barfuss unterwegs ist. Jacken sind grundsätzlich nur zum Ausziehen da. mit Ausnahme der neuen Winterjacke, die aber noch viel zu warm ist. Die würde er sogar im Haus tragen. Als Hosen taugen nur "Arbeitshosen" (=Latz- oder wenigstens Cargohosen mit vielen Taschen). Alles andere weigert er sich, anzuziehen.
Ich habe das Gefühl, dass mir der Bub total entgleitet, meine Erziehungsversuche vollständig gescheitert sind.
Hinzu kommt, dass der Großvater, der mit im Haus wohnt, und sehr krank war, seine Verzweiflung auch ausgesprochen hat. Der Bub eignete sich solche Ansagen an wie "der Opa wird nimmer gesund" oder "der Opa muss bald sterben". Meiner Mutter fällt auf, dass er sich viel mit dem Sterben und dem In-den-Himmel-Kommen und Im-Himmel-Sein beschäftigt. Mir fällt auf, dass er vor etwa zwei bis drei Wochen das Stottern begonnen hat.
HILFE!!! Ist das noch normal oder brauchen wir professionelle Hilfe?