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Die Generation „Nesthocker“

von News

Nesthocker

Die Generation „Nesthocker“

Kinder brauchen heute immer länger, bis sie “flügge“ werden, also das behütete Elternhaus verlassen und auf eigenen Beinen stehen. Jeder dritte unter Dreißigjährige in Deutschland wohnt heute noch bei seinen Eltern, bei den unter Vierundzwanzigjährigen sind es sogar rund siebzig Prozent. Frauen verlassen das Elternhaus nach wie vor deutlich früher, meist mit etwa 22 Jahren, Männer dagegen durchschnittlich erst mit 26, weshalb über diese Entwicklung auch oft unter Stichworten wie „Muttersöhnchen“ oder „Hotel Mama“ geschrieben wird. Was unter Eltern schon lange beobachtet wird und ein brennendes Diskussionsthema geworden ist, lässt sich nun an den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes ganz nüchtern betrachten. Die aktuellen, sehr aufschlussreichen statistischen Erhebungen können allesamt auf der Webseite des Bundesamtes öffentlich eingesehen werden. Das Ergebnis: Die heutige Generation zieht im Schnitt ganze drei bis vier Jahre später aus als ihre Vorgänger vor rund zwanzig Jahren. Die Zeit der elterlichen Fürsorge scheint sich immer weiter auszudehnen. Müssen sich Eltern Sorgen machen, eine unselbstständige Generation heranzuziehen?

Keine 60er Jahre mehr

Noch in den Sechzigerjahren war das Bedürfnis unter jungen Menschen, das Elternhaus zu verlassen und auf eigenen Beinen zu stehen, offenbar deutlich größer. Die meisten zogen aus, sobald es nur irgendwie möglich war. Warum sich das in den letzten zwanzig Jahren so drastisch geändert hat, dafür gibt es viele Gründe.

Den wichtigsten Faktor sehen Experten in den veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen junger Erwachsener. So sind, trotz Turbo-Abi, die Ausbildungszeiten insgesamt deutlich länger geworden. Zudem sind gerade in den beliebten Studentenstädten die Mietpreise in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Im Schnitt benötigt ein Student heute 360 Euro monatlich alleine für die Miete. Viele sind während des Studiums gar nicht in der Lage, genügend nebenbei zu verdienen, um die gestiegenen Lebenserhaltungskosten aus eigener Tasche zu finanzieren. Da ist es für viele Eltern ein selbstverständlicher Schritt, das Kinderzimmer länger als gedacht zur Verfügung zu stellen, um die Ausbildung der Kinder zu unterstützen.

Denn auch das gesellschaftliche Klima ist ein anderes als in den Sechzigern. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist heute, anders wie damals, so gut, dass viele Jugendliche gar keinen Grund sehen, das Elternhaus zu verlassen – und viele Eltern keinen, sie vor die Tür zu befördern.
Darauf können die Eltern natürlich zurecht stolz sein, denn es ist der Erfolg eines flexiblen Erziehungsstils, der die autoritäre Pädagogik der Sechzigerjahre abgelöst hat. Dennoch ist es ein wichtiger Teil der Erziehung, im richtigen Moment loslassen zu können und den Schritt der Kinder ins eigene Leben sanft zu befördern.

Mischung verleitet daheimzubleiben

So kann die Mischung aus Geld und elterlicher Zuwendung dazu führen, einen bestimmten Typ Mensch erst zum ewigen Daheimbleibenden werden zu lassen. Oft überträgt sich dabei eine übermäßige Sorge der Eltern auf ihre Kinder. Wenn eine Familie sich viele Sorgen um die Zukunft macht, um Ausbildungsplätze, den Arbeitsmarkt, die frühzeitige Altersvorsorge oder gesellschaftlichen Absturz, dann fällt es den Kindern auch schwerer, den nötigen Mut zu entwickeln, um ihr Leben in die Hand zu nehmen. Gerade Alleinerziehende neigen zu einer überfürsorglichen beschützenden Haltung gegenüber ihren Kindern, wie sich an der Statistik ablesen lässt. Dabei spielt oft ein unterschwelliges Schuldgefühl gegenüber dem Kind eine Rolle, das dazu führt, dass das Wohlergehen von Sohn oder Tochter zur primären Lebensaufgabe wird. Wer sein Kind in Watte packt läuft aber Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen, denn eine solche überfürsorgliche Haltung ist nicht alleine uneigennützig, sie kann auch egoistische Züge annehmen. Die Eltern wollen dann ihr Kind nicht loslassen, weil an ihm der eigene Lebensinhalt hängt. Ohne Konflikte läuft aber auch ein solches Eltern-Kind-Verhältnis, das den Absprung ins Erwachsenenleben verpasst, nicht ab, egal wie gut man sich versteht.

Es kann daher nicht schaden, den Nachwuchs etwas früher anzuschubsen, auf die eigenen Beine zu kommen. Es geht darum, Kinder altersgemäß und Schritt für Schritt in ein eigenständiges Leben zu entlassen. Bei volljährigen Kindern sollten Eltern das Zusammenleben also nur solange akzeptieren, wie es unbedingt notwendig und sinnvoll ist. Und auch wenn es im Einzelfall ein praktikables Modell sein sollte, dem Nachwuchs während der Ausbildung noch einen Platz im Elternhaus einzuräumen – wie ein Kind sollte ein junger Erwachsener sich dort dennoch nicht mehr behandelt werden. Es empfiehlt sich, das Zusammenleben mehr wie eine Wohngemeinschaft zu gestalten, in der jedes Familienmitglied seinen selbstverständlichen Beitrag leistet, sei es im Haushalt oder auch mit einer finanziellen Beteiligung für Miete oder Essen. Wer als Jugendlicher gelernt hat, Verantwortung für einen Haushalt mitzutragen, bei denen wächst der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ganz von selbst. Und das wichtigste: Sie trauen sich das auch zu.

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