Schreibabys

Wenn Babys nicht aufhören zu weinen

Mein Kind ist ein Schreibaby – diese Erkenntnis ist für viele Mütter und Väter ein Schock. In den ersten Wochen nach der Geburt, wenn sich das Familienleben und der Alltag mit Baby erst noch einpendeln muss, fällt es vielen Eltern gar nicht auf, wenn ihr Kind sehr viel weint und sich kaum beruhigen lässt. Sie vermuten vielleicht, dass Koliken dahinter stecken und intensivieren ihre Bemühungen das Baby zu beruhigen. Doch nach und nach wissen auch die engagiertesten und nervenstärksten Mütter und Väter nicht mehr weiter, sie sind frustriert, erschöpft und suchen die Schuld dafür, dass es ihrem Liebling vermeintlich nicht gut geht bei sich. Irgendwann spüren sie vielleicht sogar Aggressionen in sich aufsteigen, Hilflosigkeit und ein schlechtes Gewissen. Schließlich bringt das kleine Wesen seine Eltern ja nicht absichtlich an den Rande der Verzweiflung.

 

Schreiendes Baby

 

In solchen Situationen wenden sich viele Mütter und Väter an eine Anlaufstelle für Schreibaby-Eltern, von denen es heute glücklicherweise immer mehr in Deutschland gibt. Dort versuchen Hebammen und erfahrene Familientherapeutinnen mithilfe von ganzheitlichen Methoden, den Leidensdruck von den Eltern zu nehmen und die Signale der betroffenen Babys zu richtig zu deuten und ihnen zu helfen.

 

Wie viele Kinder sind betroffen?

Schreibabys gibt es nicht nur in Deutschland oder westlichen Industrieländern. Weltweit schreit etwa jedes siebte Kind überdurchschnittlich viel, kommt nur schwer zur Ruhe und schläft schlecht. Zudem haben Schreikinder ein extremes Bedürfnis nach Nähe zu ihren Bezugspersonen und reagieren auf Geräusche und andere Reize schreckhaft und ängstlich.

 

Was fehlt Schreikindern?

Ganz pauschal lässt sich diese Frage leider nicht beantworten. Studien des Verhaltensbiologen Dr. Joachim Bensel belegen, dass sich schwierige und langwierige Geburten, die mit einem Kaiserschnitt enden, negativ auf die Psyche von Säuglingen auswirken können. Kinder, die unter schwierigen Umständen zur Welt kommen schreien in den ersten Lebensmonaten häufiger und länger als andere Babys. Das Schreien ist ein Stresssymptom, hängt gleichzeitig aber auch mit dem Temperament des betroffenen Babys zusammen. Wenn physische Ursachen wie andauernde Koliken oder ein eingeklemmter Nerv ausgeschlossen werden können, sollten Eltern gemeinsam mit den Therapeuten in den Schrei-Ambulanzen auf Ursachenforschung betreiben: Handelt es sich bei dem Baby um ein Wunschkind? War die während der Schwangerschaft extremen Stresssituationen ausgesetzt? Wie verliefen Geburt und Wochenbett? Psychische Belastungen der Mutter vor, während und nach der Geburt übertragen sich immer auch auf das Baby. Diese entwickeln also unter Umständen schon sehr früh ein Trauma.

 

Was hilft Schreibabys?

Babys, die schreien, sind häufig reizüberflutet – und das, obwohl sie noch gar nicht lange auf der Welt sind. Gleichzeitig schaffen sie es nicht sich zu entspannen, wollen beispielsweise krampfhaft immer das Köpfchen aufrecht halten auch wenn das anstrengend ist und sie sich dabei verkrampfen. Schreibabys können sich also schlecht „fallen lassen“. In Schreiambulanzen kommt daher häufig eine individuelle Körpertherapie zum Einsatz. Die Eltern, die häufig nervlich ebenfalls extrem angespannt sind, werden mit einbezogen und lernen, ihre negativen Gefühle zulassen anstatt gegen diese anzukämpfen. Die Therapie findet in einer ruhigen Atmosphäre statt, die Therapeuten sprechen leise und sanft. Es geht darum, Eltern und Kind Sicherheit zu vermitteln. Nach und nach schaffen es dann die Babys in der Regel, sich zu beruhigen. An diese Erfolge können die Eltern dann zu Hause anknüpfen.

 

Passend zu den Tipps unser Cartoon:

Autoschlaf

 

Wie verhalten sich betroffene Eltern richtig?

Der erste Schritt ist getan, indem sich Eltern von Schreibabys professionelle Hilfe suchen. Sie sind in der Regel so verzweifelt, müde, besorgt und erschöpft, dass sie kaum noch in der Lage sind sich selbst zu helfen. Schuldgefühle spielen eine große Rolle, aber auch der immer immenser werdende Druck der Gesellschaft alles richtig zu machen und die Bedürfnisse des eigenen Kindes nicht nur wahrzunehmen, sondern auch sofort zu stillen. Dabei tritt das eigene Wohlbefinden in den Hintergrund, alles dreht sich nur noch um das Kind – eine enorme psychische Belastung für alle Beteiligten. Babys spüren das und schreien unter Umständen noch mehr.

Wenn Eltern es hingegen schaffen, mithilfe der Therapeuten aus diesem Teufelskreis auszubrechen, geht es dem Kind in der Regel auch besser. Manchmal helfen auch ganz konkrete Entlastungen im Alltag, beispielsweise feste Zubettgehzeiten, eine effektivere Arbeitsteilung im Haushalt, klare Routinen im Umgang mit dem Kind usw. Wichtig ist, dass die Bindung zwischen Eltern und Kind sich wieder stabilisiert, dass sich Möglichkeiten für die Eltern finden ihren Frust und ihre Ängste zu überwinden und dass das Kind lernt, sich zu entspannen.

Noch ein Hinweis, der Betroffenen Mut machen soll: Nach dem ersten Lebensjahr lassen die Schreiattacken oft nach. Außerdem haben Forscher herausgefunden, dass ehemalige Schreikinder oft zu besonders emphatischen Persönlichkeiten heranwachsen, die im sozial-emotionalen Bereich spezifische Stärken zeigen, sichere Bindungen aufbauen und viele Freunde haben.

 

Liste von Tipps bei einem Schreibaby:

  • Stillen: Die Mutterbrust verheißt nicht nur Nahrung, sondern auch Körpernähe und befriedigt den Saugreflex bzw. das Nuckeln
  • Windel wechseln: Auch nach einem kürzlich erfolgten Wechsel sicherheitshalber nochmal nachsehen
  • Tragen: Der Klassiker vermittelt durch seine enge Körpernähe Geborgenheit durch Körperwärme, Berührung, Bewegung, Herzschlag, Stimme, Geruch, etc. und man kann selbst ein wenig mit dem Baby kuscheln
  • Rhythmus / Rituale einführen: Einen Rhythmus in den Tagesablauf zu bringen schafft Sicherheit: Stillen, Wickeln, Baden, etc.
  • Babymassage: Massieren entspannt auch Babys
  • Pucken: Das sogenannte Pucken simuliert den Zustand im Bauch der Mutter. Dabei wird ein Baby so fest in ein Tuch eingewickelt, dass es die Enge wie im Mutterleib verspürt.
  • Gerüche: Alle Sinne eines Babys können aufregen, auch der Geruchssinn. Um das zu vermeiden sollte man Parfüme, Rasierwasser, Küchengerüche, etc. minimieren
  • Lärm: Was Krach macht, ob Verkehr oder laute Gespräche mit Besuchern einzudämmen versuchen
  • Wiegende Bewegung: Das Autofahren wollten wir nicht unbedingt empfehlen, bietet aber neben dem dumpfen Motorgeräusch auch noch eine wiegende Bewegung. Dieses kann man durch Schaukeln in einer Federwiege und einer Geräusche-CD ebenfalls erreichen.
  • Osteopathie: Der Besuch beim Osteopathen könnte helfen
  • Arzt / Schreiambulanz aufsuchen: Neben dem Kinderarzt kann man sich auch professionelle Hilfe in einer Schreiambulanz holen
  • Selbst entspannen: Babys spüren es wenn die Eltern aufgeregt oder genervt sind. Also auch bei sich selbst schauen und sich Zeit für Entspannung und eigene Ruhephasen nehmen.
  • Einschlafgeräusche: Man kann sich Geräusche bei Amazon herunterladen. Monoton wiederkehrende Geräusche oder sanfte Musik kann enstpannend wirken. Einschlafgeräusche für Babys werden dem dumpfen Hören im Mutterleib nachempfunden. Eventuell lässt sich das auch mit einem Fön, Abzughaube, PC, Handy, etc. simulieren.
  • Federwiege: Automatische Federwiegen sind nicht günstig, aber bieten schönen Komfort

 

Videos zum Tragen von Babys

Baby 1x1: Das Baby richtig halten
Das Baby in einer Tragehilfe tragen