Was berufliche Interessen verraten
von Newsredaktion
Bildungsforscher aus Tübingen haben herausgefunden, dass sich mit Hilfe der beruflichen Interessen von Schülern und Schulabsolventen entscheidende Aspekte zum Lebensverlauf vorhersagen lassen. Denn die beruflichen Interessen beeinflussen nicht nur die eigentliche Berufswahl, sondern auch weitere Bereiche des Lebens wie Partnerschaft oder Familienplanung. Eine interessante Studie aus Tübingen belegt nun, wie berufliche Interessen die Berufswahl, aber auch private Lebensbereiche wie Familie und Partnerschaft beeinflussen. Dazu wurden Daten von 3.000 Abiturienten und Abiturientinnen aus zehn Jahren ausgewertet. Das Hector Institut für Empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen hat die neuesten Erkenntnisse im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht.
Model aus der Arbeits- und Organisationspsychologie
Dazu nutzten die Wissenschaftler ein Modell aus der Arbeits- und Organisationspsychologie, das auf sechs Interessentypen basiert.
Demnach wählen Menschen mit praktisch-technischen Interessen häufig Berufe im handwerklichen oder technischen Bereich. Sie legen dabei Wert auf sozialen Status und Einkommen.
Menschen mit intellektuell-forschenden Interessen befassen sich mit abstrakten Problemen und legen Wert auf Bildung.
Menschen mit sprachlich-künstlerischen Interessen wollen sich dagegen selbst verwirklichen, gelten als idealistisch und legen Wert auf Ästhetik. Dem widerspricht häufig das ökonomische Ziel, was zu niedrigen Einkommen und dem Risiko der Arbeitslosigkeit führt.
Menschen mit sozial orientierten Interessen wählen Berufe, die Kontakte mit Menschen mit sich bringen. Sie stellen oft auch privat soziales Engagement und Aktivitäten in den Fokus, sodass sie weniger arbeiten und ebenfalls weniger verdienen.
Menschen mit unternehmerischem Denken sind selbstbewusst, ehrgeizig, energisch und gewinnorientiert. Sie legen vor allem Wert auf Status, Prestige, Leistung, Erfolg und Karriere und Einkommen.
Menschen mit ordnend-verwaltenden Interessen sind dagegen gewissenhaft, effizient und gründlich. Sie achten auf konservative und traditionelle Werte.
Fragen zum familiären Hintergrund
Nach diesem Modell wurden die Abiturienten im Jahr 2002 erstmals befragt. Durch die Selbsteinschätzung stellten sie ihre Persönlichkeitsmerkmale dar. Außerdem wurde ein Intelligenztest durchgeführt, zudem folgten Fragen zum familiären Hintergrund. Im Jahr 2012 dann wurden die Teilnehmer erneut befragt, diesmal ging es neben dem familiären Hintergrund bzw. dem Familienstatus um die berufliche Situation und die Gesundheit. Die Teilnehmer mussten also angeben, ob sie verheiratet sind und Kinder haben oder sie in einer Beziehung leben, ob sie inzwischen Vollzeit arbeiten, arbeitslos sind. Auch Angaben zum Verdienst und zum Gesundheitszustand gab es Fragen.
Genaue Vorhersagen des Lebenslaufs
Mit Hilfe der beruflichen Interessen konnten sieben von neun Lebenssituationen besser und genauer vorhergesagt werden als mit Hilfe der Persönlichkeitsmerkmale, des familiären Hintergrunds oder der Intelligenz. Beispielsweise waren Menschen mit Interessen im sozialen Bereich häufiger verheiratet und hatten eine Familie. Dagegen waren Menschen mit unternehmerischen Interessen häufiger in Vollzeit berufstätig und wiesen ein höheres Einkommen auf. Sie waren zudem seltener verheiratet und hatten seltener Kinder. Hier gilt es jedoch, die Zusammenhänger noch näher zu betrachten. So ist unklar, warum die Teilnehmer mit hohem Einkommen und erfolgreicher Karriere keine Familie gegründet haben. Möglich wären die Scheu vor sozialen Verbindlichkeiten, dass sie weniger attraktiv als Partner sind aufgrund ihrer beruflichen Ziele oder einfach andere Prioritäten und Lebenspläne.