Das leidige Thema Internet

  • Hallo liebes Forum,


    es ist mal wieder Zeit bisschen zu jammern und nach Ansätzen zu suchen!


    Meine Tochter ist 12 Jahre alt und eigentlich ein sehr unkompliziertes Kind. Sie war immer ein Strahlekind und umgänglich. Mit der Pubertät kommen auch Probleme, wo ich manchmal nicht weiter weiß.


    Vor einigen Monaten habe ich mich an das Forum gewendet, weil meine Tochter ungewöhnliche Essgewohnheiten an den Tag gelegt hat. Diese haben wir nun eigentlich ganz gut im Griff.


    Das Internet ist eine feine Sache, aber Fluch und Segen zugleich.


    Da wir vor einigen Monaten weg gezogen sind, was meiner Tochter gar nicht gefallen hat und Sie auch sehr verärgert hat, wurde das Internet immer wichtiger für Sie. So konnte Sie mit Freunden in Kontakt bleiben und die Zeit hier überbrücken.


    Sie hat eine Prepaid Karte im Handy und so hatten wir Ihr anfangs das Wlan frei geschaltet, damit Sie über WhatsApp mit Ihren Freunden in Kontakt bleiben kann. Allerdings wurde nicht nur WhatsApp benutzt, sondern auch Youtube und viele andere Sachen. Bald legte Sie das Handy gar nicht mehr aus der Hand und war nur noch am Videos schauen.


    Wir mussten eingreifen und haben Ihr das Wlan gesperrt. Sie bekam nur noch eine Stunde am Tag das Passwort, um das irgendwie in den Griff zu bekommen. Natürlich gefiel ihr das nicht.


    Da meine Tochter auch nicht auf den Kopf gefallen ist, wurde ihr schnell klar, dass man mit Prepaid Karte auch eine Internetflat zu buchen kann. Das tat Sie auch.
    Sie benutzte Ihr Taschengeld um sich das Handyvolumen immer wieder aufzufüllen.
    Bis dato war ich auf dem Standpunkt, dass Sie mit dem Taschengeld machen kann, was Sie möchte .. allerdings waren wir genau wieder an dem Punkt, wo man keine Kontrolle mehr hatte.


    Gespräche brachten gar nichts. Absprachen auch nichts. Nachher haben wir Ihr gesagt, dass Sie das Handy abends rauslegen muss, weil Sie sich morgens einen Wecker gestellt hat um noch vor der Schule Videos zu schauen oder aber bis spät in die Nacht noch mit Freunden gechattet hat.


    Vor wenigen Tagen ist uns aufgefallen, dass Sie viel Zeit am Laptop verbringt. Eigentlich eher ungewöhnlich. Daneben lag immer das Handy. Wenn man gefragt hat, hiess es nur: Ich lade das über den Laptop auf. Die Antwort war mir irgendwie suspekt.


    Ich fing an im Internet zu stöbern und fand meine Tochter auf Seiten wie Instagramm und Twitter.


    Gestern gab es den großen Knall und ich habe Sie auffliegen lassen.


    Sie hat sich heimlich ein Emailkonto eingerichtet und sich auf verschiedenen Plattformen angemeldet. Sie hat einen Hotspot errichtet und ist mit dem Laptop über das Handy ins Internet gegangen.


    Ja Hut ab - technisch hätte ich das nicht hinbekommen - aber es macht mich wahnsinnig wütend, dass Sie mich belügt und versucht für dumm zu verkaufen.
    Ich habe Ihr gestern das Handy und den Laptop abgenommen und so schnell wird Sie die Sachen auch nicht zurück bekommen.


    Ich weiss gar nicht, wie ich reagieren soll?! Ich habe Ihr versucht zu erklären, dass es so gefährlich ist, im Internet unterwegs zu sein, weil man nie weiß, wer da sitzt, aber ich für mich habe das Gefühl, sie nimmt mich überhaupt nicht ernst.


    Kann mir jemand Tips geben? Wie kann ich verfahren? Wie kann ich reagieren?


    Ich kann Sie doch nicht einfach laufen lassen und Sie so weitermachen lassen?


    Grüße

  • Hallo einfachnurich,


    ich musste beim Lesen schmunzeln, wie gewitzt Iund wie technisch fit hre Tochter ist. Interessant, welch großen Ehrgeiz sie entwickelt und wie kreativ sie ist, um ins Internet zu kommen.
    Dass Sie Ihr Laptop und Handy aus Enttäuschung und Wut und vermutlich auch aus Sorge nun erst einmal weggenommen haben, kann ich gut verstehen.


    Das Internet ist für die heutige Jugend einfach DAS Kommunikationsmedium schlechthin. Allerdings auch das Unterhaltungsmedium schlechthin, in dem man sich auch "verlieren" kann. Ich denke, Sie kommen nicht umhin, mit Ihrer Tochter wieder und wieder ins Gespräch zu gehen, um mit ihr genau darüber ru sprechen: über Ihre Sorge, dass sie sich im Internet "verliert", dass sie verlernt, sich mit sich selbst zu beschäftigen und auch, sich Beschäftigungen in der realen Welt zu suchen, dass sie verlernt, auch einfach mal Stille und Ruhe auszuhalten, geschweige denn, diese zu genießen.


    Ich denke, es ist wichtig, Kindern zu vermitteln, dass man Dinge, gleichgültig welche, in Maßen und nicht in Massen konsumieren bzw. tun muss, um nicht dauerhaft vollkommen aus dem inneren Gleichgewicht zu kommen. Es kommt immer und immer wieder auf eine passende Dosis an.


    Wir können sitzen oder herumliegen und doch brauchen wir auch Bewegung, wir können hüpfen und rennen und doch brauchen wir auch das Stillsitzen und Stillstehen, wir brauchen das Sprechen genauso wie das Schweigen, wir können uns an den Computer setzen und im Internet lesen und schreiben oder Videos schauen und doch will der Raum um uns herum auch wahrgenommen werden... der Sonnenschein, die Wolken, die zwitschernden Vögel, der Wind in den Bäumen usw. Wir brauchen Reize für all unsere Sinne und nicht nur für den Sehsinn, wenn wir auf den Bildschirm starren.


    Ich finde es gut, dass Sie wieder und wieder versuchen, klare Strukturen und Regeln zu schaffen, was den exzessiven Internetkonsum Ihrer Tochter betrifft. Bleiben Sie da hartnäckig und konsequent, gleichgültig, wie anstrengend dies ist und sein wird, denn für Ihre Tochter ist das sicherlich eher eine Art Machtkampf zwischen Ihnen beiden.
    Gehen Sie wieder und wieder ins Gespräch und bieten Sie ihr gerne auch Alternativen zum Internet an, wie z.B. gemeinsame Unternehmungen.


    Alles Gute und viel Durchsetzungsvermögen wünscht
    Klara

  • Hallo Klara,


    vielen Dank für Ihre Antwort. Ich mag Ihre Art zu schreiben. Sie nimmt mir immer sofort eine "Last" von den Schultern :)


    Nachdem ich Ihren Beitrag gelesen habe, musste ich mir erstmal Gedanken darüber machen und mich einfach etwas beruhigen.


    Wo Sie Recht haben, ist die Tatsache, dass ich immer und immer wieder ins Gespräch gehen muss. Das ist das Einzige, was mich näher bringt und meiner Tochter vermitteln kann: Ich mache mir Sorgen!


    Die zwei Wochen ohne Handy und Laptop waren echt schön. Meine Tochter war wie ausgewechselt. Schon ein Zeichen für eine Sucht?


    Wahrscheinlich ja! :cursing:


    Sie hat wieder viel bei uns gesessen und auch freiwillig Abende mit uns verbracht *lach* Sie war viel besser drauf und man konnte echt gute Gespräche führen.


    In einem ruhigen Moment und nach einem schönen Tag habe ich nochmal das Gespräch gesucht und erneut erklärt, warum und wieso ich bei dem Thema Internet reagiere, wie ich reagiere! Das ich mir Sorgen mache, dass man Gefahren nicht abschätzen kann, dass alles was einmal im Internet drin ist, nur schwer wieder rückgängig zu machen ist, dass es auch andere Sorten Menschen dort gibt usw.


    Meine Tochter hat die Thematik anscheinend auch verstanden - zumindest hatte ich den Eindruck, als wäre es so.


    Da wir uns nicht ewig dagegen sperren können und Sie uns technisch bei Weitem Überlegen ist :thumbdown: , musste ich in die Offensive:


    Ich habe Ihr Handy und Laptop auf den Küchentisch gelegt und Ihr gesagt, dass Sie die Sachen zurück bekommt, sie auch gerne Ihre "Accounts" retten darf, mit der Bedingung, dass ich über jeden Gang Bescheid weiss.


    Sprich, ich erfahre es, wenn Sie auf Twitter, Instagram und Co aktiv ist und ich erfahre es auch, wenn Sie sich eine Emailadresse einrichtet.


    Sie war damit einverstanden - hat den Laptop aber einfach in unserer Obhut gelassen. Sie wollte Ihn gar nicht.


    Ich bin gespannt, wie das Thema weitergeht :)


    Liebe Klara - ich danke Ihnen von Herzen für die ruhigen, besonnenen Worte, den Denkanstössen und der Tatsache, dass man sich bei Ihnen ernst genommen fühlt.
    Sie sind mir in diesen Momenten, wo ich keinen klaren Gedanken fassen kann, der Traubenzucker, der mir das Denkvermögen zurück bringt


    Grüße


  • Hallo einfachnurich,


    vielen vielen Dank für Ihre Worte, die mich sehr berührt haben. Ich freue mich sehr, dass Ihnen meine Gedanken helfen konnten. Besonders schön finde ich allerdings, dass Sie eine so schöne Zeit mit Ihrer Tochter erlebt haben und dass Sie auch einen Weg gefunden haben, mit ihr offen und in Ruhe zu sprechen. ^^


    Ich denke, dass es auch weiterhin darum gehen wird, das Maß im Blick zu behalten, dass der Internetkonsum nicht schleichend wieder Überhand nimmt. Und auch "nur" über Handy kann man inzwischen unglaublich gut im Netz "surfen", chatten, twittern etc.


    Ich habe lange auch als große Gefahr des Internets v.a. für junge Menschen gesehen, dass man nie weiß, wer am anderen Ende der Leitung sitzt. Inzwischen betrachte ich das hohe Suchtpotential als größte Gefahr, da soziale Netzwerke und Plattformen wie fb, twitter, What´s app, Instagram schlicht geniale Bühnen zur Selbstinszenierung sind, um Aufmerksamkeit zu erhalten und um sich in den Mittelpunkt zu stellen. Diese "narzistische Zufuhr", diese Art von "Kick" die man sich hier einholen kann, kann schnell abhängig machen. Und es gibt zudem eine Vielzahl von Anwendungen, v.a. Spiele, die inhaltlich völlig harmlos sind, aber direkt das Belohnungssystem in unserem Gehirn ansprechen und damit ebenfalls großes Suchtpotential in sich tragen.


    Ich finde es großartig, dass Ihre Tochter ihren Internetkonsum nun zurück geschraubt hat und auch offen Ihnen gegenüber sein will. Das ist ein großer Vertrauensbeweis und einfach wunderbar!
    Dennoch sollten Sie das Maß im Auge behalten ;) - aber das bekommen Sie sicher auch hervorragend hin! :D


    Ich wünsche Ihnen alles alles Gute!
    Herzlichst
    Klara

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