Mein 15 jähriger Sohn hat sich letzte Nacht aus dem Haus geschlichen

  • Mein 15 jähriger Sohn ist ein hübsches freundliches Kerlchen. Gerade bei anderen Eltern immer sehr gerne gesehen. Er geht auf das Gymnasium, ist faul und trotzdem ein durchschnittlicher Schüler.
    Was es früher gar nicht gab, ist heute üblich... es schlafen 1000e von verschiedenen Mädchen bei uns, alles “nur“ gute Freundinnen. Auch mal gemischt zusammen mit weiteren Freunden. Die Bude ist voll, ist auch ok für uns, so lange sie sich benehmen.
    Nun ist es so, dass mein Sohn bisher immer Freunde hatte, die in seinem Alter waren und die man kannte.
    Leider wohnen diese alle meist weiter weg bzw. nicht bei uns mit im Dorf.
    Dort hat mein Sohn aber wieder Kontakt zu einem alten Freund aus der Kinder-und Schulzeit aufgenommen. Dieser ist im Grunde schon immer sehr freundlich gewesen, aber schon in der Schulzeit durch schlechte Zensuren aufgefallen. Es stören mich nicht die Zensuren, sondern was dahinter steckt... Die Mutter kommt aus dem Ausland, ist auch sehr nett, aber kümmert sich wenig, um das, was mit ihrem Kind “abgeht“, so dass es normal war, wenn der Junge keine Hausaufgaben hatte, dass er für keine Arbeiten gelernt hatte, sie nicht daran gedacht hat, ihn zum Konfirmandenunterricht anzumelden usw....
    Dieser Junge verkehrt leider mit anderen “Freunden“, die gerne mal böse Buben spielen, rauchen, trinken, kiffen...
    Und wie es dann so ist... mein Sohn, der mir ständig in den Ohren lag, mit dem Rauchen aufhören (auch geschafft! :) ) ist natürlich nun Mitreiter, außer kiffen, da hat er wohl, Gott sei Dank, Angst vor.
    Ich habe mit ihm ruhig gesprochen, habe mich, glaube ich, ganz gut verhalten, denn verbieten und Strafen androhen, würden bei meinem Sohn, denke ich, auf Gegenwehr stoßen.
    Gut, er ist 15, harte Sachen trinkt er da wohl nicht, es bleibt hoffentlich schon nur bei “Muschibier“:-) Das will ich auch gar nicht so verurteilen.
    Das ist das Alter, wo man flügge wird. Ich selbst habe es ja auch gemacht.
    Aber, was mich stört ist, obwohl ich in meinen Augen, nicht sehr streng bin, er mich mit seiner letzten Aktion wirklich enttäuscht hat!
    Ich kenne die meisten seiner neuen Freunde nicht. Sie halten sich eher bei dem Grundschulfreund meines Sohnes auf, denn da dürfen sie ja mehr, als bei uns...Mein Sohn hatte die Erlaubnis gestern Abend bis 23,30 Uhr dort zu bleiben. Es reichte ihm aber plötzlich nicht und wollte bei einem der neuen Kumpel schlafen. Ich sagte nein, denn wieder mal einer, den ich nicht kenne.Sagte ich ihm so auch.Halb 12 fand ich schon eigentlich eine ganz gute Zeit?
    Mein Sohn wurde bockig und versuchte mich immer wieder anzurufen. Ein paar mal schickte ich Besetztzeichen, dann ging ich noch mal an das Handy und sagte noch mal, um halb 12 bist Du hier!!
    War er dann auch...
    Ich sagte ihm noch mal, dass er nicht noch mal so mit mir reden soll...und dann war so weit alles ok....bis ich um halb 5 mit dem Hund raus musste. Mütterlicher Instinkt sagte mir, mein Sohn ist weg...tatsächlich hatte er sein Bett so hindrapiert, dass man denken konnte,er würde drunter schlafen...
    Ich rief ihn,ohne dass mein Mann es mitbekam, auf Handy an und sagte ihm, er soll seinen Hintern nach Hause bewegen!!!Wir würden noch darüber reden....


    Und nun bitte ich Euch um Hilfe??? Wie soll ich reagieren??? Mein erster Gedanke war, soll er sich doch den Rest der Ferien am Tage mit seinen Kumpels treffen, aber ab 18 Uhr, darf er zu Hause sein....Das tut schon mal “weh“...und reden,reden,reden...??


    Oder?

  • Hallo Kerstin,


    zunächst einmal ein ganz herzliches Hallo hier im Forum und vielen Dank für Ihren sehr aufschlussreichen Beitrag und dafür, dass Sie Ihre Sorgen mit uns teilen.


    Ich muss ehrlich sagen, dass ich Sie bewundere für Ihre Gelassenheit im Umgang mit dem pubertären Verhalten Ihres Sohnes. Die meisten Eltern tun sich doch sehr schwer mit den immer fordernden Freiheitsansprüchen ihrer Sprösslinge. Sie gestehen Ihrem Sohn bereits einiges zu und schenken ihm einen ansehnlichen Vertrauensbonus, um den ihn sicher viele andere Jungs dieses Alters beneiden. Zahlreiche Freunde, Männlein wie Weiblein, die bei ihm ein und aus gehen und sogar übernachten dürfen, Freunde, die Sie nicht kennen und die noch dazu so manche Dinge tun, die Sie nicht gut heißen, sogar das Ausprobieren von Alkoholischem und Zigaretten - das ist schon so manche Kröte, die Sie Ihrem Sohn zuliebe schlucken. Ich fürchte, er hat diese Freiheiten als Selbstverständlichkeit verinnerlicht und steckt nun seine Grenzen immer weiträumiger ab. Ich glaube die in diesem Zusammenhang geltenden Rahmenbedingungen müssen neu definiert werden.


    Sie haben selbst schon festgestellt, dass Strafen in diesem Alter eher die gegenteilige Reaktion, nämlich Trotz, auslösen. Dennoch hat Ihr Sohn wissentlich gegen Regeln verstoßen und ist in einem Alter, in dem er durchaus die Konsequenzen seines Handelns tragen kann und sollte. Eine Strafe ist durchaus angebracht - und eine Reduzierung der Ausgehzeit steht ja auch in einem logischen Zusammenhang zum Regelverstoß. Bis 18.00 Uhr ist allerdings ein relativ weiter Schritt. Wie wäre es mit 20.00 oder 21.00 Uhr?


    Ich würde diesen Vorfall grundsätzlich jedoch zum Anlass nehmen, generell die geltenden Regeln neu zu besprechen. Und in diesem Gespräch sollten Sie auch klar Ihre Ansprüche thematisieren, die für Sie von Bedeutung sind. Zum Beispiel sind Alkohol und Zigaretten für einen 15jährigen bereits von Gesetz wegen tabu und wenn Sie die Freundschaften Ihres Sohnes akzeptieren, so sollte er zu diesem Zugeständnis bereit sein. Auch das Weggehen bis 23.30 Uhr ist ja schon sehr großzügig und sollte dann nicht mehr ausdiskutiert werden. Im Gegenzug könnten Sie ihm ein wenig entgegenkommen und nach dem Kennenlernen seiner Freunde auch einer Übernachtung bei diesen offen gegenüberstehen.


    In jedem Fall glaube ich aber, dass Sie ihm Ihre Enttäuschung über diesen Vertrauensbruch klar mitteilen sollten. Ihr Sohn sollte sich absolut damit auseinandersetzen müssen, was er mit einem solchen Verhalten in Ihnen auslöst - und natürlich welche Konsequenzen es für seine Freiräume hat.


    Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei diesem doch schwierigen Gespräch und würde mich freuen, wenn Sie uns davon erzählen.


    Viele Grüße
    Tanja

  • LIebe Tanja,
    ganz herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
    Ich habe meinem Sohn in der Tat deutlich gemacht, dass er es "mit mir" nicht schlecht hat; dass ich ihm so einige Male den Hintern gerettet habe, so dass Papa nicht alles erfährt!!
    Das weiß er und ist sich dessen eigentlich auch bewusst.
    Ich habe ihn gefragt, was er sich nun vorstelle, wie ich zu reagieren habe, da dies eine absolut neue enttäuschende Erfahrung für mich ist.
    Er versteht mich schon und wusste nicht wirklich eine Antwort.
    Mein Sohn meinte, ich solle ihm als Strafe seinen Laptop einkassieren.... aber den nutzt er eh wenig... dann eher das Handy :)
    Jedenfalls betonte ich dann, es gehe mir nicht um Bestrafung, sondern er solle kapieren, um was es mir geht! Das ich Angst habe, wenn er mit solchen Leuten verkehrt und ich zumindest diese Leute vorher kennen möchte.
    Außerdem habe ich ihm noch einmal sein Alter klar gemacht, dass er von meiner Seite aus, doch schon ganz schöne Freiheiten genießt und ich wenigstens wissen möchte, WO er ist und mit WEM er unterwegs ist!! Das es nicht sein kann, dass ich denke, er ist "behütet" in seinem Zimmer, zeitgleich jedoch irgendetwas unschönes passieren könnte.
    Das ich stolz darauf war, dass er sich an Uhrzeiten hält und ich mich darauf verlassen konnte; das sei wichtig, dass man im Notfall tatsächlich mal reagieren könnte.
    Er hat sich entschuldigt... das wäre auch das erste Mal gewesen.... und das letzt Mal...
    Ich hoffe es. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich solche Aktionen in Zukunft sonst auch mit Papa bespreche, da es auf Dauer für mich eine zu schwere Belastung zusätzlich zu meiner Krankheit ist.


    IHRE WORTE haben mich allerdings sehr stolz gemacht!!! Dann bin ich ja scheinbar doch ziemlich richtig davor... :)


    Danke

  • Hallo Kerstin,


    wenn ich Ihre Worte lese, dann stelle ich mir Ihren Sohn als einen tollen jungen Mann vor, der sein eigenes Fehlverhalten reflektiert betrachten kann.


    Sie selbst haben es in diesem doch schwierigen Gespräch offenbar geschafft, die Kernproblematik zu thematisieren, ohne sich von Ihrer Wut und Enttäuschung wegen seines Verhaltens zu „Schnellschüssen“ zu lassen. Sicher bleibt abzuwarten, ob Ihr Sohn sich Ihre vorgebrachten Aspekte wirklich zu Herzen nimmt und es bei diesem einmaligen Aussetzer belässt, aber die Tatsache, dass er nicht auf stur geschaltet hat und auch nicht auf Konfrontationskurs gegangen ist, ist echt vielversprechend und zeugt davon, was für ein gutes Verhältnis sie beide offensichtlich haben.


    Für den Moment würde ich die ganze Angelegenheit nicht allzu hoch hängen. Wenn ein Heranwachsender Freunde hat, die (aus welchem Grund auch immer) mehr dürfen als er (oder ihm erscheint es so), dann lässt er sich schon mal zu einer unüberlegten Handlung hinreißen, einfach um cool zu sein. Wichtig ist schlichtweg, dass Sie Ihrem Sohn Ihren Standpunkt und Ihre Gefühle in dieser Situation klar machen konnten. Wenn er sich darüber nur ein paar Gedanken macht, dann haben Sie erziehungstechnisch mehr erreicht als mit jeder Strafe.


    Viele Grüße
    Tanja

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!