Hilflosigkeit

  • Nach einer anstrengenden Nacht mit einer tobenden 13 jährigen Tochter, bin ich nun in verzweifelter Suche nach Hilfe auf dieses Forum im Internet gestossen. Seit einiger Zeit hat unsere Tochter wie aus heiterem Himmel richtige Tobsuchtsanfälle und ist dann auf alles kolossal wütig, will gleich die gesamte Menschheit umbringen, erschiessen, lässt weder mit sich reden noch sich beruhigen. Sie verwendet dann mir gegenüber Schimpfwörter, da sie genau weiss, wie sehr ich das nicht toleriere, respektlos zu sein, aber ich merke, dass sie in ihrer Wut und Verzweiflung alles macht um auch mich zu verletzen und zu kränken. Ich war schon soweit ihr zu drohen, dass ich sie, wenn es nicht besser wird , verlassen werde und die Erziehung dem papa überlasse. Mein Mann hat sich vor kurzer Zeit von uns getrennt und lebt nicht mehr zuhause, taucht aber unregelmässig zuhause auf um sich um seine Vaterpflichten zu kümmern und ab und an bei den Hausaufgaben zu helfen.
    Natürlich leidet die Tochter unter der Trennung, lässt mich dabei aber auch spüren wie toll ihr Papa ist, immer nett und hilfsbereit und deshalb greift sie auch bei jeder Gelegheit und Krise zum Telefon um ihn anzurufen und mich anzuschwärzen.
    Das alles kann so nicht weitergehen, die Lehrerin hat mich auch schon angesprochen, und mich um ein Treffen gebeten.
    Wer kann da weiterhelfen oder Tipps geben, soll ich oder die Tochter in eine Therapie?

  • Hallo VSC1,

    herzlich willkommen hier im Forum.

    Eine sehr schwierige Situation, die Sie da schildern. Dass Sie verzweifelt sind, kann ich gut nachempfinden.

    Auch Ihre Tochter scheint sehr verzweifelt zu sein und ich vermute, dass dies tatsächlich mit der Trennung zu tun hat. Die Trennung trifft Ihre Tochter in einer Phase, in der sie es sowieso schon schwer hat, mit ihren eigenen Emotionen klar zu kommen. Dass Sie nun so extrem reagiert, überrascht mich nicht.

    Da kommt der Vater ab und zu vorbei und kümmert sich, und ist damit der Nette. Sie dagegen sind die Böse, weil Sie den Alltag mit ihr regeln und Grenzen aufzeigen müssen. Das ist natürlich ungerecht. Aber Ihre Tochter ist zornig und verunsichert und verzweifelt und weiß nicht, wohin mit diesen Gefühlen. Das Ergebnis ist, dass sie sich irrational und unkontrolliert Luft verschafft.

    Ich denke, dass es wichtig ist, dass Sie diese Situation gemeinsam mit Ihrem Mann klären. Wie reagiert denn Ihr Mann, wenn Ihre Tochter Sie bei ihm anschwärzt? Wichtig ist, dass er sich darauf nicht einlässt, dass er Ihnen nicht in den Rücken fällt, weil er sich durch das Verhalten Ihrer Tochter womöglich geschmeichelt fühlt. Sinnvoll wäre es vielmehr, dass Sie mit Ihrem Mann sprechen und vereinbaren, dass Sie beide an einem Strang ziehen und gemeinsam für die Tochter da sind. Dass Sie beide Ihrer Tochter Grenzen aufzeigen aber auch mit ihr darüber sprechen, wie sie sich fühlt, wie sie ihr helfen können und ihr erklären, warum sie nicht mehr zusammen leben.

    Ich weiß, dass dies schwer ist, aber vielleicht schaffen Sie es, die Angriffe nicht persönlich zu nehmen und sich nicht provozieren zu lassen. Ich denke, Sie sind "nur" eine Angriffsfläche für Ihre Tochter, um sich Luft zu verschaffen. Sicherlich ist es wichtig und richtig, Ihr zu sagen, dass sie solche Beleidigungen nicht tolerieren. Aber ein Verstehen, warum sie das tut, hilft manchmal, dass man selbst nicht nur das eigene verletzt sein, falsch reagiert.

    Psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist sicherlich keine schlechte Idee. Entweder machen Sie die jede für sich oder aber auch gemeinsam. Das kann auf alle Fälle eine gute Unterstützung sein, damit die Beziehung zwischen Ihnen nicht weiter leidet. Bei dem Stress mit Ihrer Tochter und der Sorge um sie sollten Sie auch sich selbst nicht vergessen, denn Sie können Ihrer Tochter nur helfen, wenn es Ihnen selbst gut geht. Auch Sie haben ja eine Trennung zu verarbeiten.

    Ich wünsche Ihnen Kraft und gute, klärende Gespräche

    Anne

  • Hallöchen!

    Zitat

    Seit einiger Zeit hat unsere Tochter wie aus heiterem Himmel richtige Tobsuchtsanfälle

    Die kommen nicht aus "heiterem Himmel". Das Herz deiner Tochter wurde gebrochen.

    Zitat

    Ich war schon soweit ihr zu drohen, dass ich sie, wenn es nicht besser
    wird , verlassen werde und die Erziehung dem papa überlasse.

    Ich bin der Meinung, dass das Zusammenbrechen der Welt deiner Tochter bereits genug Schaden angerichtet hat. Wenn nun auch noch die Ruine dem Erdboden gleich gemacht wird, ist der Tochter mit Sicherheit am wenigsten geholfen.

    Zitat

    soll ich oder die Tochter in eine Therapie?

    Ok, genug der harten Worte. Deiner Tochter sollte auf jeden Fall therapeutische Hilfe angeboten werden. Auch wenn es für dich etwas schwer werden wird, solltest du deinen Kopf für die Beschimpfungen erstmal hinhalten. Deine Tochter kann absolut nichts dafür, dass du und ihr Vater sich getrennt haben. Das ist so ähnlich wie im Krieg - das Volk kann nichts dafür, dass ein paar Leute ein Kräftemessen statuieren. Wenn du deine Tochter jetzt "verlässt", dann reißt du diese Wunde, die schon vorhanden ist, immer weiter auf und jegliches Vertrauen geht verloren.

    Zitat

    da sie genau weiss, wie sehr ich das nicht toleriere, respektlos zu sein

    ja, aber sie hält dir in gewisser Weise auch einen Spiegel dadurch vor.


    Ich wünsche euch und insbesondere deiner Tochter alles Gute!


    Maik

  • Hallo VSC1,
    zuerst einmal ein herzliches Willkommen von mir hier im Forum.


    Sie stecken da wirklich in einer äußerst schwierigen Situation, die extrem emotional aufgeladen ist.
    Trennungen sind schwere Krisen für alle Beteiligten.
    Ich denke auch, dass Ihre Tochter sehr unter der Trennung leidet und durch ihr extremes Verhalten diesen ganzen Schmerz, ihre Verzweiflung und auch ihre dadurch verursachten Ängste regelrecht hinausschreit.
    Ich denke, dass es nicht das Anliegen und die Absicht Ihrer Tochter ist, Sie als Mutter "fertig zu machen" oder zu bestrafen. Im Grunde schreit Ihre Tochter nach Hilfe.


    Ich finde den Gedanken, sich professionelle Hilfe zu holen, gut. Allerdings würde ich Ihnen vorschlagen, selbst den ersten Schritt zu tun und sich selbst Hilfe zu holen und nicht ihre Tochter zu einer Therapie zu zwingen oder zu überreden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie selbst unter der veränderten Familiensituation nicht leiden. Wie wäre es also, wenn Sie in die Offensive gehen und sozusagen mit gutem Beispiel voran, sprich: dass Sie sich Hilfe holen und dies auch mit Ihrer Tochter kommunizieren. Dies aber bitte nicht als Vorwurf an sie, sondern als Geständnis und Selbstoffenbarung, in dem Sie Ihrer Tochter gestehen, wie sehr Sie selbst auch leiden, traurig, enttäuscht, wütend... was auch immer sind.
    Vielleicht motiviert das auf diese Weise Ihre Tochter, selbst auch Hilfe von außen anzunehmen.


    Und ein klärendes Gespräch mit Ihrem Mann sollten Sie, so schwierig und hart das auch sein mag, unbedingt auch führen.


    Ich wünsche Ihnen alles alles Gute in dieser schweren Zeit!
    Klara

  • Hallo VSC1,
    da stecken Sie ja wirklich mitten in der Höhle des Löwen.
    So wie hier schon geschrieben wurde, ist sicher ein Gespräch mit Ihrem Mann und ein beratendes Gespräch bei einem Therapeuten angesagt.
    Hier spielt ja auch die Pubertät Ihrer Tochter noch mit hinein und jetzt kommt alles zusammen.
    Da Sie wenig über die Zeit vorher geschrieben haben, ist es natürlich schwierig hier einen Rat zu geben.
    Wichtig finde ich, dass Sie sich um sich selbst kümmern, sie haben ja auch eine Trennung zu verarbeiten.
    Sie sollten Ihrer Tochter nicht vorschlagen, sie zu verlassen und zum Vater zu schicken, denn sie fühlt sich ja schon vom Vater verlassen und wenn jetzt im Raum steht, dass sie von der Mutter auch noch verlassen werden könnte, verunsichert das Ihre Tochter nur noch mehr.

    Ich wünsche Ihnen viel Kraft, diese schwierige Situation zu überstehen.

  • Vielen Dank für die vielen wertvollen Tipps und danke für die Anteilnahme. Ja , nach einem Gespräch mit der Lehrerin ist es mir bewusst geworden, wie sehr meine Tochter auch für mich leidet. Das darf natürlich nicht sein. Also werde ich versuche erst mal auch an mir zu arbeiten, damit meine Tochter wieder mehr Sicherheit gewinnt und mir professionelle Hilfe einer Therapeutin holen. Die Lehrerin hat mir diesbezüglich auch schon jemanden vermitteln können und hat mir durch ihre eigenen Erfahrungen auch viel Verständnis entgegen gebracht. Das ganz Schlimme an der Situation ist, dass sich meine Tochter gegenüber der Lehrerin gäussert hat, dass sie sich als schlechten Mensch fühlt, da sie so ganz heftige und ausartende Anfälle hat. Das gab bei mir den auschlagenden Punkt zu handeln, Alarmstufe sozusagen.
    Ja, bloss ist es halt nicht immer so einfach umzusetzen, vorallem nicht im Affekt und wenn man mitten drin steckt.
    Mit Anfällen aus heiterem Himme ist natürlich der Überraschungseffekt gemeint, mir ist auch klar, dass die Anfälle eine Grund haben!!! Bloss ist dies sehr schwer zu begreifen, wenn es wie aus dem Nichts losgeht, ohne vorherige Auseinandersetzung oder irgendwelchen Disputen, nein von einem Moment auf dem andern wechselt sie ihr Gefühlsleben, welche Gedankengänge da im voraus bei ihr abgehen bekomm ich leider nicht mit.
    Kleine Anmerkung; es ist nicht nur die Welt der Tochter, sondern auch meine zusammengebrochen. Natürlich möchte ich meiner Tochter trotzdem helfen und ihr Sicherheit geben, allerdings lassen sich Gefühle im Affekt sehr schwer kontrollieren und manchmal ist man durch Erschöpftheit, Schlafmangel, Überlastung und Verzweiflung auch am Ende der Kräfte, was sicher nicht für jederMANN nachvollziehbar ist.
    Das zeigt mir nochmals, wie sehr ich jetzt an mir arbeiten muss um die Stresssituation zu Hause zu entschärfen. Dies entnehme ich auch den vielen liebgemeinten Ratschlägen von den oben genannten Mitgliedern.
    Tut wirklich gut, wenn man sich mal mitteilen kann und nicht mehr so ganz allein dasteht.
    DANKE

  • Hallo VSC1,

    vielen Dank für die Rückmeldung. Ich finde toll, wie reflektiert Sie die Situation betrachten und bereit sind, auch Ihre eigenen Anteile genau anzusehen. Seien Sie aber nicht zu hart zu sich. Auch Sie dürfen Fehler machen, verletzt und erschöpft sein. Der Weg, sich selbst zu stabilisieren, um der Tochter helfen zu können, ist ein guter Weg.

    Im Übrigen können Sie Ihrer Tochter auch sagen, wenn es Ihnen schlecht geht und ihr erklären, warum Sie sich manchmal in einer Art verhalten, in der Sie sich gar nicht verhalten möchten (nicht als Entschuldigung oder Rechtfertigung, sondern als Erklärung!) Auch damit würden Sie für Ihre Tochter ein gutes Vorbild sein und sie würde merken, dass sie mit ihren momentanen Gefühlen nicht alleine ist und dass kein Mensch in der Lage ist, sich stets und ständig unter Kontrolle zu haben.

    Ich wünsche Ihnen für den neuen Lebensabschnitt und den Weg, den Sie nun gehen werden, viel Kraft und alles Gute!

    Melden Sie sich gerne wieder, wenn Ihnen danach ist!

    Anne

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