Akzeptanz eines Freundes

  • Hallo,


    ich melde mich nach längerer Zeit mal wieder, und zwar mit ähnlich schwierigen Entscheidungen wie in meinem ersten Thema:
    Schwierige Entscheidung


    Caroline und ich waren immer allein. Zwar gibt es so was wie Ersatzväter in ihrem Leben, doch die haben so nichts mit mir zu tun. Das sind allenfalls Bekannte oder Freunde. Interesse an einer neuen Partnerschaft hatte ich bislang nie, ganz generell nicht und mir ist auch nie jemand über den Weg gelaufen, der mich interessiert hätte.


    Ich habe mich über einige Jahre hinweg bei einem Projekt engagiert, das hauptsächlich übers Internet lief. Dabei gab es immer wieder Probleme mit dem Team, das dieses Projekt betreut. Die Zusammenarbeit war einfach schlecht. Darüber tauschte ich mich gelegentlich telefonisch mit einem "Kollegen" aus. In den letzten Monaten versuchten wir gemeinsam, das Team wachzurütteln und das Projekt zu retten. (Es ist uns nicht gelungen, das nur am Rande.) Dabei kamen wir uns auch privat näher.


    Wir wohnen 200 km auseinander, weshalb eine nähere Bekanntschaft etwas schwierig ist. Wir sehen das auch ganz realistisch. Somit ist da nicht viel geplant, aber - und nun komme ich zum Kern meines Anliegens - Caroline passt es schon nicht, dass ich oft mit diesem Mann telefoniere!
    Sie hat gemerkt, dass er mir gefällt, und ist derartig beleidigt, dass ich kaum noch an sie rankomme.
    Ich habe sie gefragt, was so schlimm daran ist, wenn ich gern mit ihm telefoniere. Wir planen ja nicht mal ein persönliches Kennenlernen.
    Aber sie empfindet es als Verrat, weil sie gemerkt hat, dass ich mich innerlich von ihrem Vater verabschiedet habe.
    Sie versteht nicht, dass es mir tut gut. Ich habe Platz für Neues geschaffen, ohne das Neue näher zu definieren.
    All das habe ich versucht, ihr zu erklären. Ich habe ihr sogar einen Brief geschrieben und es erneut über die Heilpraktikerin versucht, die ja schon mal ganz unkompliziert zwischen uns vermittelt hat. Aber diesmal hat alles nichts geholfen. ;(


    Wie kann ich ihr klar machen, dass ich ein Recht darauf habe, einen Freund zu haben - und wenn er bloß in meinem Telefon wohnt?

  • Hallo Wonderland,


    die Veränderung in Ihrem Leben ist eigentlich eine schöne Veränderung und Sie sollten dies genießen. Schade, dass Ihre Tochter dies nicht so sehen kann, so dass Sie sich nun fragen, wie Sie sich verhalten sollen.


    Es ist für Kinder immer schwierig, wenn ein Elternteil einen neuen Partner findet. Je älter die Kinder sind, desto schwieriger ist es in der Regel für diese, sich an die neue Situaton zu gewöhnen und den neuen Partner zu akzeptieren. Es geht Ihnen also nicht alleine so.


    Für Caroline ist die ungewohnte Situation besonders schwierig, weil sie immer mit Ihnen alleine war. Auch wenn es Ersatzväter gegeben hat, gab es immer nur Sie als Elternteil. Diese Ersatzväter haben die uneingeschränkte Liebe, die sie von Ihnen bekommen hat nicht gefährdet und auch die Position des verstorbenen Vaters nicht. Sie waren also immer irgendwie eine "Dreier-Einheit" und alle anderen engen Bezugspersonen waren quasi ein "Zusatzbonus" (wenn man das so formulieren darf?).


    Caroline ist außerdem in einem Alter, in dem sie vielleicht schon selbst Erfahrungen mit dem Verliebtsein gesammelt hat oder dies zumindest aus dem Freundeskreis kennt. Das fängt mit häufigen Telefonaten an und dann.... . Auch wenn Sie keine Pläne haben, diese Beziehung zu intensivieren, wird Caroline womöglich Phantasien und daraus resultierende Ängste entwickeln - Angst, dass die Beziehung intensiver wird, Angst, dass Sie weniger Zeit für sie haben, Angst, dass Ihnen Carolines Vater gleichgültig ist, Angst, dass sie einen neuen Vater bekommt, Angst, dass sie schlimmstenfalls dort hin ziehen,... .


    Ich glaube, dass Caroline einfach Zeit braucht, um sich an diese Telefonbeziehung zu gewöhnen. Sie muss die Erfahrung machen, dass nichts schlimmes, bedrohliches passiert. Sie muss die Erfahrung machen, dass Sie trotzdem uneingeschränkt als Mutter für Ihre Tochter da sind. Sie muss die Erfahrung machen, dass sich an der Beziehung, die Caroline zu ihrem Vater hat, nichts verändern muss.


    Bleiben Sie mit Ihrer Tochter im Gespräch. Geben Sie Ihrer Tochter die Möglichkeit, darüber zu sprechen, was sie empfindet und teilen Sie ihr mit, was Sie empfinden. Sie sollten auch nicht den Fehler machen, heimlich zu telefonieren, denn das würde das Gefühl des "Verrats" nur verstärken. Vielleicht möchte Caroline (nicht jetzt, aber irgendwann) mit dem Mann telefonieren, um ihn kennenzulernen und sich ein Bild machen zu können.



    Wie kann ich ihr klar machen, dass ich ein Recht darauf habe, einen Freund zu haben - und wenn er bloß in meinem Telefon wohnt?


    Eine schöne Formulierung :)


    Sie haben natürlich das Recht einen Freund zu haben und das sollten Sie sich von Caroline auch nicht nehmen lassen. Nicht Ihre Tochter entscheidet, wer in Ihrem Leben welche Rolle spielt, sondern Sie ganz alleine. Das muss Caroline akzeptieren - und ich denke, das wird Sie auch. Dies braucht nur einfach viel Geduld und Zeit. Es geht dabei nicht nur um ein Verstehen, sondern um Emotionen, und die lassen sich nun einmal nicht durch Vernunft steuern.


    Sie haben nicht die erste schwierige Situation zusammen gemeistert. Sie werden auch dies zusammen meistern!


    Ich wünsche Ihnen ganz viel Geduld und Durchhaltevermögen.


    Anne

  • Hallo und danke für die ausführliche Antwort. :)


    Ich verstehe Carolines Ängste durchaus, habe sie auch offen darauf angesprochen.
    Ebenso habe ich ihr meine Situation sehr offen geschildert. Vielleicht liegt der "Fehler" darin, dass ich Dinge ausgesprochen habe, die sie so bislang nicht kannte.
    Dass der Trauerprozess sehr lang, schwierig und belastend war und ich mir immer gewünscht habe, mein verstorbener Mann würde mich endlich loslassen. Denn ich war total auf ihn geprägt und konnte andere Männer nie losgelöst von ihm betrachten.
    Dieser Mann nun hat mir - ganz unbewusst - dabei geholfen, das endlich zu einem gewissen Ende zu bringen.
    Es geht nicht darum, ihren Vater zu vergessen oder mit diesem Mann zusammen zu sein, sondern darum, frei zu sein, ich selbst zu sein.


    Ich meinte zu ihr, dass sie wohl denkt, dass sich nun alles ändern würde. Vielleicht wird sich das eine oder andere ändern, dass ich diesen Weg aber immer mit ihr zusammengehen werde.
    Und vielleicht denkt sie auch, sagte ich zu ihr, wenn ich ihren Vater loslasse, lasse ich auch sie los. Aber der Unterschied ist nun mal, dass er tot ist und sie lebt. Man kann sich nicht um Tote sorgen, keine Rücksicht auf sie nehmen, sie nicht nach ihrer Meinung fragen. Aber sie ist doch da und das Wichtigste in meinem Leben! Ich würde nie etwas ohne sie machen.
    Ich erklärte ihr auch, dass er für sie bislang ein weit entfernter Schutzengel war, der einfach auf sie aufpasst, sich aber nicht einmischt. Bei mir ist das jetzt auch endlich so. Denn vorher hat er sich immer eingemischt, was dazu führte, dass ich innerlich gebunden war.
    Vielleicht hat sie diese Sichtweise etwas schockiert.


    Sie findet, ich würde mich ein bisschen wie ein Teenager verhalten. Ich meinte: Prima, dann sind wir ja gleich alt, können uns gegenseitig von unseren Jungs vorschwärmen, zusammen shoppen und albern sein.
    Ich konnte ihr ansehen, dass sie das gar nicht so schlecht finden würde, es aber nicht zugeben wollte. Stattdessen sagte sie, dass ich dann ja nicht mehr ihre Mutter wäre, woraufhin ich meinte, dass sie diese Illusion in dem Moment begraben könnte, in dem sie das nächste Mal bei irgendwas helfen müsste. :D
    Sie fand es eigentlich lustig, machte aber weiter einen auf bockig.


    Vermutlich muss ich einfach warten, bis sie wieder ein bisschen mehr erwachsen geworden ist. Denn es jetzt immer wieder aufs Neue zu erklären, bringt sicher auch nichts.

  • Hallo Wonderland,


    Hallo und danke für die ausführliche Antwort. :)


    Sehr gerne!


    Vielleicht hat sie diese Sichtweise etwas schockiert.


    Vielleicht - ich denke aber auch, dass es für Caroline aufgrund ihres Alters einfach schwierig ist, Ihre Empfingungen zu begreifen. Sie hat den Trauerprozess für sich ganz anders erlebt und kennt keine Vergleiche. Sie weiß nicht, wie es ist, einen Partner zu verlieren und dass Sie ganz anders empfinden als Ihre Tochter - nicht besser, nicht schlechter, nur anders.


    Denn es jetzt immer wieder aufs Neue zu erklären, bringt sicher auch nichts.


    Ich stimme Ihnen zu, dass es vermutlich wenig hilfreich ist, wenn Sie sich erklären oder sogar rechtfertigen, denn das müssen Sie nicht. Aber weiterhin so intensiv und offen (gleichzeitig aber die Reife von Caroline berücksichtigend) miteinander sprechen ist sicherlich hilfreich.


    Ich wünsche Ihnen, dass Sie trotz allem Ihre neue Freiheit genießen können!


    Anne

  • In einer Mail haben Sie es so treffend beschrieben. Einerseits sind die 14jährigen schon sehr reif, wirken manchmal schon sehr erwachsen und im nächsten Moment sind sie wiederum sehr naiv. Meine Tochter ist 15 Jahre und ich finde es immer wieder atemberaubend welche Gedankengänge sich in diesen Köpfen abspielen. Ich finde es ist ein schwieriges Alter, da die Kinder sich einerseits mit den Erwachsenen gleichstellen wollen, aber andererseits doch auch noch das kleine Kind sein wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in ihrer derzeitigen Situation eher die Verlustängste des kleinen Kindes durchkommen. Sie wird es selber wahrscheinlich garnicht erklären können, warum es sie stört, dass sie nun Kontakt mit einem Mann haben. Vielleicht kann ihrer Tochter ein Gespräch mit einer vertrauenswürdigen Bezugsperson helfen. Ich denke, sie braucht Zeit um sich mit der neuen Situation abzufinden bzw. lernt damit umzugehen. Ich drücke die Daumen ;)

  • Vielleicht - ich denke aber auch, dass es für Caroline aufgrund ihres Alters einfach schwierig ist, Ihre Empfingungen zu begreifen. Sie hat den Trauerprozess für sich ganz anders erlebt und kennt keine Vergleiche. Sie weiß nicht, wie es ist, einen Partner zu verlieren und dass Sie ganz anders empfinden als Ihre Tochter - nicht besser, nicht schlechter, nur anders.

    Das ist gut möglich. Vielleicht verstehen wir uns da gegenseitig nicht, weil es von beiden Seiten schwer ist, die jeweilige individuelle Art des Trauerprozesses wirklich nachzuvollziehen. Wobei es für sie als Kind natürlich noch schwieriger ist.
    Mir fällt es jedoch auch manchmal schwer, nachzuempfinden, wie es wohl ist, wenn der Vater nur so eine Art Engel ist. Vielleicht stellte dieser Engel - vor allem in Carolines Kindheit - gewisse Ansprüche, von denen sie sich auf dem Weg zum Erwachsenwerden nicht so richtig lösen kann und von denen ich gar nichts weiß.
    Und natürlich ist es für einen Teenager sehr schwierig, solche spirituellen Themen in Gänze einordnen zu können. Das gelingt ja nicht einmal vielen Erwachsenen. ;)

  • In einer Mail haben Sie es so treffend beschrieben. Einerseits sind die 14jährigen schon sehr reif, wirken manchmal schon sehr erwachsen und im nächsten Moment sind sie wiederum sehr naiv. Meine Tochter ist 15 Jahre und ich finde es immer wieder atemberaubend welche Gedankengänge sich in diesen Köpfen abspielen. Ich finde es ist ein schwieriges Alter, da die Kinder sich einerseits mit den Erwachsenen gleichstellen wollen, aber andererseits doch auch noch das kleine Kind sein wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in ihrer derzeitigen Situation eher die Verlustängste des kleinen Kindes durchkommen. Sie wird es selber wahrscheinlich garnicht erklären können, warum es sie stört, dass sie nun Kontakt mit einem Mann haben. Vielleicht kann ihrer Tochter ein Gespräch mit einer vertrauenswürdigen Bezugsperson helfen. Ich denke, sie braucht Zeit um sich mit der neuen Situation abzufinden bzw. lernt damit umzugehen. Ich drücke die Daumen ;)


    Danke für die Antwort :)


    Ja, es ist wirklich nicht so ganz einfach, immer passend zu reagieren. Das "irgendwo zwischen den Stühlen hängen" ist für beide Seiten anstrengend. Mal soll man noch die Mama sein, die alles regelt und bestimmt, weil das Kind gerade Kind sein möchte, und mal lieber so etwas wie eine Freundin, weil das Kind gerade erwachsen sein möchte. Und leider weiß man nicht immer, wonach dem Kind gerade ist. ;)


    Bestimmt kennen Sie das auch: Man schätzt die Situation falsch ein und schon ist das Kind beleidigt. Man kann ja auch schlecht vorher fragen, als was sie behandelt werden möchte oder was man für sie sein soll. Allerdings habe ich das auch schon mal so gemacht. Als sie ihren ersten Liebeskummer hatte, habe ich sie gefragt: "Brauchst du eine Mutter, eine Freundin oder soll ich dich in Ruhe lassen?"
    Sie musste wider Willen lachen und meinte: "Erst in Ruhe lassen, dann Mutter, dann Freundin."
    Manchmal klappt es also auch so. :D

  • Hallo Wonderland,


    Vielleicht verstehen wir uns da gegenseitig nicht, weil es von beiden Seiten schwer ist, die jeweilige individuelle Art des Trauerprozesses wirklich nachzuvollziehen.
    Mir fällt es jedoch auch manchmal schwer, nachzuempfinden, wie es wohl ist, wenn der Vater nur so eine Art Engel ist. Vielleicht stellte dieser Engel - vor allem in Carolines Kindheit - gewisse Ansprüche, von denen sie sich auf dem Weg zum Erwachsenwerden nicht so richtig lösen kann und von denen ich gar nichts weiß.


    Tja - Gefühle eines anderen Menschen kann man immer nur erahnen und nie ganz nachvollziehen. Egal, ob es sich dabei um Trauer, Freude, Angst oder sonstige Gefühle handelt.


    Vielleicht sind die jetzige Situation und die damit verbundenen Gespräche auch eine Chance für Caroline, ihre eigene Trauer noch einmal anders zu erleben, sich zu lösen (falls es in ihrem Erleben solche Ansprüche gibt) und sich zu öffnen für Neues.



    ...



    Als sie ihren ersten Liebeskummer hatte, habe ich sie gefragt: "Brauchst du eine Mutter, eine Freundin oder soll ich dich in Ruhe lassen?"
    Sie musste wider Willen lachen und meinte: "Erst in Ruhe lassen, dann Mutter, dann Freundin."
    Manchmal klappt es also auch so. :D

    Eine sehr schöne Idee :thumbup: !!!


    Anne

  • Ich glaube sie fürchtet einfach ein wenig man könnte dich ihr wegnehmen, würde ich nicht so ernst nehmen. Denke sowas legt sich schnell nach Aussprache.

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