Differenzen in der Erziehung aufgrund verschiedener Nationalitäten/Kulturen

  • Hallo,

    mein Mann ist Türke. In der Türkei geboren umd aufgewachsen als der älteste von 5 Geschwistern.

    Ich bin Deutsche. Unsere Tochter ist 12 Jahre alt. Im großen und ganzen überlässt mein Mann mir die Erziehung. Jedoch gibt es eine Sache, bei der es für ihn keine Diskussion gibt. Sie darf weder irgendwo übernachten (was für mich in Ordnung ist, weil das nicht zum Notwendigsten gehört, was man erlebt haben muss), noch darf sie auf Geburtstage, die zB auf der Bowlingbahn stattfinden, oder gar von Jungs ausgerichtet werden. Außerdem kann sie nicht mir nichts dir nichts rausgehen, "abhängen", wobei wir uns einig sind. Manchmal schimpft der Papa aber auch, wenn sie zu Freundinnen geht, wir auch genau Bescheid wissen wann und wo. Da fehlt mir dann das Verständnis und ich finde auch ihr gegenüber keine Erklärung für den Unmut von Papa.

    Das mit dem Übernachten akzeptiert sie.

    Bis vor 4 Jahren durfte sie auch bei ihrer besten Freundin übernachten, weil diese bis dahin schräg gegenüber wohnte. Sie hat das also auch schon gemacht.

    Aber ich merke, wie es sie belastet, dass sie schon eingeschränkt ist.

    Ich weiß, das klingt recht unwichtig, jedoch ist sein NEIN nicht einfach ein Nein, er regt sich dann immer tierisch auf und versteht nicht, warum das nicht selbstverständlich ist, dass man solche Dinge verbietet.

    Ich mag es auch nicht, wenn man in der Erziehung bzw. dem Kind gegenüber nicht geschlossen in seinen Entscheidungen ist. Aber sie tut mir da manchmal schon leid.

    Zum Hintergrund meines Mannes muss ich sagen, dass er bereits mit 6 Jahren neben der Schule arbeiten gehen musste. Mein Schwiegervater war im Ausland zum Arbeiten, dass die Familie durchkommt und sie lebten auf dem Dorf bei Gaziantep, also nicht nahe eines modernen Teils wie Izmir oder Istanbul. Wenn sein Vater da war, erlebte mein Mann viel Gewalt durch ihn. Wir sind 12 Jahre verheiratet. Ich spreche fließend türkisch und bin regelmäßig bei der Familie. Daher weiß ich, dass das wirklich so war.

    Mein Mann ist wirklich ein ganz toller Mensch und ein liebevoller Ehemann und Vater, aber diese kleinen Punkte... Soll ich das einfach so stehen lassen oder wird das meiner Tochter langfristig schaden, dass sie weniger frei ist, als Gleichaltrige?

    Über konstruktive Ratschläge wäre ich wirklich sehr dankbar.

    Bitte keine Kommentare gegen seine Kultur oder Türken oder ähnliches.

    Vielen Dank im Voraus.

  • Hallo! :)


    Ich glaube, dass es ganz, ganz schwierig ist, kulturelle Prägungen aufzubrechen. Hilfreich kann dabei fast nur die Erfahrung sein, wie es ist, wenn es eben doch passiert, weil erlaubt. Also die Erfahrung, dass nichts Schlimmes passiert, wenn sie bei einer Freundin übernachtet, ein Geburtstagsfest im Bowlingcenter miterlebt oder von Jungs eingeladen wird...


    Aus deinen Zeilen ist recht deutlich herauszulesen, dass dein Bauchgefühl dir eigentlich sagt, dass das "zu streng" ist und eure Tochter "womöglich etwas verpasst".


    Ich bin ganz ehrlich: Der Meinung bin ich - nur anhand des Geschriebenen, ich kenne euch ja nicht näher - auch. Eure Tochter ist jetzt in einem Alter, wo diese Dinge (Feiern, "abhängen", Übernachtungen) wichtig werden. Und sie sind auch wichtig, nämlich, um soziales Miteinander zu "üben", Erfahrungen zu sammeln, seine Grenzen kennenzulernen etc. Wenn der Tochter jetzt und im Laufe ihrer Jugend all diese Dinge verboten werden, ist das für die Abnabelung vom Elternhaus/den Eltern (und die ist notwendig) kontraproduktiv. Die Gefahr, die außerdem gegeben ist, ist, dass sie - nicht jetzt, aber vermutlich in ein paar Jahren - rebellieren wird und das wird für alle Beteiligten vermutlich schwieriger, als ihr jetzt Schritt für Schritt Freiheiten zuzugestehen...


    Deinen Mann kennst du am besten. Ob du insofern auf ihn einwirken kannst, dass er die Zügel - wenn es hart auf hart kommt - ein bisschen locker lassen kann, musst du wissen. Ich an deiner Stelle würde das Gespräch suchen...


    ABER: Ich rede natürlich sehr leicht. Meine Kinder genießen recht viele Freiheiten und kulturelle Prägung gibt es nur "am Blatt" und nicht tatsächlich. Mein Mann stammt zwar zur Hälfte aus ähnlichem Kulturkreis, ist aber ohne den kulturell geprägten Elternteil aufgewachsen. Meine Kinder haben die Wurzeln (tw. stark sichtbar), aber nicht die Kultur...


    Ich wünsche euch jedenfalls alles Gute. Möchte mich auch für deine offenen Worte bedanken. Ich finde das Thema (kulturelle Prägung) generell sehr spannend.


    Alles Liebe.

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