Kind lehnt Mama komplett ab

  • Hallo zusammen,


    meine Tochter ist 3 Jahre alt und war ein absolutes Wunschkind. Sie kam leider nicht ganz gesund auf die Welt und wir waren viele Wochen auf der Intensivstation, direkt nach der Geburt. Von Anfang an habe ich sie daher sehr behütet und vor allem beschützen wollen, habe aber in den Jahren - glaube ich - einen guten Mittelweg gefunden.
    Jetzt ist ihr kleiner Bruder vor einigen Wochen zur Welt gekommen. Schon vorher hat sie auch zum Papa ein sehr gutes Verhältnis gehabt und es wechselte sich immer mal ab, wer grade ihr Favorit ist. Das war teilweise schon früher extrem...
    Mal durfte nur ich alles machen, Zähne putzen, ins Bett bringen, kuscheln, spielen und dann nach einer Weile war Mama out und nur noch Papa war interessant. Auch hier war sie zu dem Elternteil, das gerade keine so guten Karten hatte sehr abweisend. Das hat uns beide schon verletzt, aber wir wussten ja, daß es Phasen sind.
    In der Schwangerschaft war eigentlich noch alles gut, die Tendenz ging schon leicht zum Papa, aber nicht besonders extrem und ich dachte, das wäre wohl der normale Lauf.
    Dann kam der kleine Bruder zur Welt und auch hier gab es gesundheitlich Probleme, so daß wir 8 Tage im Krankenhaus bleiben mussten und meine Tochter mich Corona bedingt auch nicht sehen konnte in dieser Zeit.
    Als wir nach Hause kamen hat sie sich in der ersten Woche sehr an mich gebunden. Papa durfte nichts und ich durfte nicht mal alleine den Müll raus bringen. Man merkte, daß es ihr sehr zu schaffen gemacht hatte, das sie mich so lange nicht bei sich hatte und ich war froh, daß es so war, den vor einer Ablehnung aufgrund des Geschwisterchens hatte ich immer Angst.
    Die Geburt ist jetzt 10 Wochen her und bis vor kurzem hat sie noch davon geredet wie sehr sie mich vermisst hat. Sie spielt auch sehr, sehr häufig Krankenhaus- oder Arztszenen, woran ich merke, daß das Thema immer noch in ihr arbeitet.
    Jetzt zu unserem Problem... Nach dem das erste oben beschrieben Klammern vorbei war, hat sie sich KOMPLETT zum Papa orientiert. Wenn wir alleine sind, ist meistens alles gut, aber sobald mein Mann da ist bin ich gefühlt der Teufel in Person. Auch wenn wir einen Konflikt haben, weint und ruft sie nach dem Papa..
    Ist der Papa dann da bin ich wie gesagt Luft... Ich darf ihr nichts zu essen geben, darf sie nicht ins Bett bringen, nicht spielen, nicht kuscheln, bekomme nicht gute nacht gesagt - gar nichts... Sie klammert mich quasi komplett aus. Anfangs hab ich gedacht es ist eine Phase, aber inzwischen ist ihr Bruder wie gesagt schon 10 wochen alt, also haben wir die Probleme seit circa 8 Wochen.
    Sie verhält sich mir gegenüber so abweisend, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Sie rastet regelrecht aus, sobald ich darauf bestehen will, sie zb ins Bett bringen zu wollen oder ähnliches. Selbst wenn wir bei ihrer Tante sind, kommt es vor, daß nicht ich mit zur Toilette gehen oder ein Bilderbuch vorlesen darf, sondern die Tante das machen soll.
    Das ganze verletzt mich so sehr, das ich nicht mehr in der Lage bin mich wie ein erwachsener, vernünftiger Mensch zu verhalten. Ich reagiere beleidigt und unfair, nach dem Motto "dann komm aber auch morgen nicht an, wenn der Papa nicht da ist"..."gut, dann kann ich ja auch gehen und dann komm ich auch nicht mehr wieder, dann könnt ihr mal sehen wie das ist". Bescheuert und kontraproduktiv solche Aussagen zu machen, aber das sind Sätze, die aus absoluter Verzweiflung aus mir raus schießen, obwohl ich weiß, wie dumm das ist.
    Oder dann das andere Extrem, in dem ich mich ihr schon richtig anbiedere.
    Ich weiss, ich benehme mich wie ein trotziges Kleinkind, aber diese Abweisung bricht mir das Herz.
    Wenn sie in der Nacht wach wird und zu uns rüber ins Bett kommt, will sie komischerweise ausschließlich mit mir kuscheln. Das ist die einzige Situation in der wir alle zusammen sind, in der sie mich vorzieht.
    Das Schlimme ist, das ich durch diese Ablehnung extrem eifersüchtig auf meinen Mann bin und das merkt unsere Tochter bestimmt auch. Die Stimmung in der ganzen Familie wird immer angespannter und die Streitereien mit meinem Mann um das Thema werden immer öfter. Er meint, ich würde mir das zu sehr zu Herzen nehmen, aber ich weiß auch noch genau wie er selber gelitten hat, als unserer Tochter eine Nur-Mama Phase hatte. Und das hier dauert einfach schon zu lange an, als das ich es als Phase abtun könnte. Ich kann mich ihm gegenüber kaum noch normal verhalten, weil es mich so enttäuscht, wie sehr sie ihn anhimmelt und wie sie im Vergleich zu mir ist. Dazu kommt, daß er unserer Tochter dann beim ins Bett gehen ins Gewissen redet, von wegen "sei ein bisschen lieber zu der Mama" und "warum darf die Mama dich nicht ins Bett bringen"... Er meint es gut, aber ich weiß nicht, ob das nicht das Gegenteil bewirkt...
    Fakt ist... Unsere Ehe und unsere ganze Familie leidet unter dieser Situation, weil ich mich ausgegrenzt fühle, mich vielleicht auch selber ausgrenze durch mein Verhalten. Ich würde mir so sehr wünschen, daß ich einfach da drüber stehen kann und mir denke "wird auch wieder anders"... Ich schaff es einfach nicht...


    Ich würde mich über Hilfe sehr freuen.


    Viele Grüße
    Dawn

  • Hallo Dawn!


    Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum zweiten Kind! :)


    ---


    Zu der Problemlage, die du schilderst:


    Ich gehe mehr als stark davon aus, dass deine Ältere auf die Geburt des Brüderchens reagiert. Und um dich gleich einmal zu beruhigen: Sie tut das auf absolut normalem Weg, in absolut normalem Ausmaß, mit eben jenen "Strategien", die sie als 3jährige zur Verfügung hat! :)


    Die Welt deiner Kleinen ist ordentlich ins Wanken geraten. Sie hat ein Brüderchen bekommen, wurde "entthront" und dann stand die unmittelbare Zeit nach der Geburt auch noch im Zeichen von Corona. Sie war nicht direkt involviert, sondern wurde quasi "acht Tage später" vor vollendete Tatsachen gestellt. Und in diesen acht Tagen war ihre Mama fort...


    Das alles ist zwar bei der Geburt eines Geschwisterchens mehr oder minder normal, sorgt aber dennoch für eine heftige Gefühlslage und Unsicherheit beim Kind. Vor allem, wenn es noch so klein ist. Du musst dir das tatsächlich als kleines "Trauma" vorstellen. Nichts, das sich nicht wieder auflösen lässt, aber sicher etwas, das euch noch etwas länger begleiten wird...


    Sie macht alles ganz wunderbar: Sie lässt ihren Frust, ihre Wut und Unsicherheit nicht am Brüderchen aus, sondern an einem Elternteil! Umgekehrt wäre es schlimmer. Ihr Erwachsenen seid in der Position, das aushalten zu müssen. Das ist nicht einfach, aber für eure Tochter ist die Situation noch schwieriger. Sie hat sie sich nämlich nicht ausgesucht. Jetzt probiert sie, sie zu beeinflussen, auf die Weise, in der sie das schafft: Sie zeigt deutlich ihren Missmut! ;)


    Dass du persona non grata bist und der Papa der strahlende Held, ist tatsächlich alles andere als ungewöhnlich. Du als Mama bist wahrscheinlich automatisch mehr mit dem Baby befasst. Eure Tochter fixiert sich also auf denjenigen, der "freigespielt" ist. Schon das alleine ist in der Evolution begründet. Während die Mutter mit ihrer Milch das Überleben des "Jüngsten" sichert, sichert der Rest des "Rudels" (in unserem Fall: der zweite Elternteil ;)) das Überleben der größeren Kinder... ;)


    Dass das ablehnende Verhalten für dich schwer auszuhalten ist, verstehe ich. Zusätzlich spielen auch die Hormone mit hinein, du hast immerhin gerade eine Schwangerschaft und eine Geburt hinter dir. Dennoch musst du versuchen, das Verhalten zu "akzeptieren" (wenn es sehr grenzwertig wird, darfst und sollst du natürlich Grenzen ziehen, aber NIEMALS unter der Gürtellinie) und nicht persönlich zu nehmen. Versuche deine Tochter in ihrem Schmerz zu verstehen und ihr beizustehen. Das alles wird sich geben, aber das braucht Zeit, liebevolle Zuwendung und Geduld.


    Ich möchte dich absolut nicht kritisieren, aber die Äußerungen, die du gepostet hast ("Dann komme ich nicht mehr wieder..."), musst du absolut runterschlucken. Du triggerst damit nicht nur Urängste, du reaktivierst damit das, was deine Tochter gerade erlebt hat und erlebt: Den Verlust der Mama (Krankenhaus; "Verlust" an den Bruder), der wahnsinnig wehtut und verunsichert.... Bevor du so etwas sagst, schluck' es runter, wechsle den Raum und sag lieber nichts... Das richtet weit weniger Schaden an...


    ----


    Ich möchte noch einmal betonen, dass das Verhalten des Kindes ein absolut normales ist und dich nicht kränken muss! :) Ich selbst habe meine Kinder auch mit engem Abstand bekommen (1,5 Jahre) und kenne solche Verhaltensweisen. Diese haben sich wieder gegeben und heute sind beide Geschwister sehr eng verbunden...


    Man muss den Älteren das "Recht der Trauer" irgendwie zugestehen. Sie haben zwar viel gewonnen (ein Geschwisterchen :)), aber eben auch verloren: die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern und ihr Einzelkinddasein! :)



    Alles Liebe euch!

  • Hallo Dani,


    vielen lieben Dank für deine Nachricht und deine netten Worte. Du hast natürlich recht, ich MUSS in diesen Situationen den kühleren Kopf bewahren und ich arbeitet hier wirklich hart an mir, mir ihr Verhalten nicht zu Herzen zu nehmen. Ich hab mich inzwischen besser im Griff, aber der Schmerz in mir wird nicht leichter und auch hohe Verhalten nicht.
    Sie sagt inzwischen zu mir, daß ich gehen soll, der Papa nur noch hier sein soll und ich soll arbeiten gehen. Sie schlägt nach mir und bekam jetzt einen regelrechten Nervenzusammenbruch, als der Papa abends nochmal los musste und ich sie ins Bett bringen sollte. Das ging soweit, das er zurück kam und ich stundenlang heulend in unserem Schlafzimmer saß. Dazu kommt das ich das Gefühl habe, das mein Mann diese Situation regelrecht genießt.
    Sie hat mich einmal abends gefragt, ob ich sie ins Bett bringe, daraufhin hat er so oft gefragt, ob er sie legen soll bis sie ihre Meinung geändert hat und ich wieder derjenige war der weg geschickt wurde.
    Spreche ich ihn drauf an, wird er sauer...
    Ich versteh das nicht, ich führe doch keinen Kampf mit meinem eigenen Mann.
    Dieses ablehnende Verhalten beeinflußt langsam unsere ganze Familie und ich weiß einfach nicht wie wir da rauskommen.
    Tagsüber ist alles okay, nur beim ins Bett bringen ging es dieses Drama und - sollte sie nachts aufwachen - dann darf ich ihr Zimmer nicht mal betreten.
    Das macht mich alles so mürbe und so traurig, daß ich am liebsten jeden Abend weinen will, aber was ändert es...
    Ist in deinen Augen auch das oben beschriebene Verhalten noch normal oder hab ich in den letzten 3 Jahren einfach alles falsch gemacht, was man als Mama falsch machen kann?


    Verzweifelte Grüße
    Dawn

  • Das beschriebene Verhalten ist vor allem im Hinblick auf das zweite Kind normal. Viele Kleinkinder, die ein Geschwisterchen bekommen, hängen sich in ihrer ersten "Verzweiflung" einmal an den Papa. Das hab ich ganz oft beobachten können. Und es gibt sich irgendwann von selbst. Man ist da auch als Elternteil gefragt, es nicht persönlich zu nehmen und die Situation trotz allem positiv zu begleiten. Ein Geschwisterkind ist ein riesiger Einschnitt, wenn man davor Einzelkind war...


    Versuche, dich stark darauf zu fokussieren, was gut läuft. Du meinst, tagsüber ist soweit alles okay, nur abends/nachts wird es schwierig. Nun, das ist doch ganz prima, dass es den Großteil der Zeit halbwegs klappt... Bist du abends/nachts mit dem Baby sehr eingespannt? Vielleicht merkt das dein großes Kind und fixiert sich daher automatisch mehr auf den Papa?


    Oder noch einmal in eine andere Richtung gedacht: Der Papa spielt dich abends/nachts frei. ER ist zuständig, weil die Tochter explizit IHN verlangt. Das gibt dir Möglichkeit, mehr Schlaf zu finden. Es gibt viele Frauen, die sich genau das sehnsüchtig wünschen würden. Das ist etwas, das du durchaus auch als Ressource sehen darfst. Man muss nicht zwingend gebraucht und zuständig sein, nur weil man die Mama ist...


    Alles Liebe! :)

  • Hallo Dawn,


    ich hoffe, es geht euch gut. Dein Posting ist ja jetzt schon mehr als ein Jahr alt. Darf ich dich fragen, wie sich die Dynamik in eurer Familie in der Zwischenzeit entwickelt hat?


    Denn wie du vielleicht ahnst, habe ich ein sehr ähnliches Problem. Zwar ist mein Sohn erst knapp zwei Jahre alt und seine kleine Schwester im vergangenen November geboren, aber ansonsten deckt sich im Grunde alles. Ich weiß nicht mehr ein noch aus und es belastet mich sehr, von meinem geliebten Sohn so weggeschoben zu werden.


    Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.


    Liebe Grüße


    Josie

  • Hallo Josie! :)


    Versuch es andersrum zu sehen: Dein Sohn schiebt dich nicht weg, sondern holt sich beim anderen Elternteil gerade ein bisschen "sicherer Hafen", weil er das so braucht. Tatsächlich macht er also genau das richtige, um bestmöglich mit der Situation zurecht zu kommen. Und du wirst sehen: Es ist nicht für immer, sondern nur die erste Zeit... Bis er sich mit der neuen Situation auch emotional arrangiert hat!


    Alles Liebe

  • Hi Dani.


    Tatsächlich haben wir die gleiche Situation. Unser Sohn wkrd in einem Monat 3 und ist Einzelkind. Er verhält sich genauso wie das Mädchen, s.o.

    Worauf kann man sein Verhalten beziehen? "Eifersucht" auf ein Geschwisterkind kann es ja nicht sein...


    Danke und viele Grüße

  • Hallo! :)


    Wie lange ist das Verhalten denn schon so? Es ist grundsätzlich ganz normal, dass Kindern zum Auftakt in die Autonomiephase und auch danach noch zwischen den Bezugspersonen switchen (wobei sich der eben gerade nicht bevorzugte Elternteil abgelehnt fühlt), oder von der Mutter (so sie von Baby an die vorrangige Hauptbezugsperson war, wie sie das in den meisten Familien der Fall ist) hin zum Vater tendieren. Das hat mit Ablösungsprozessen zu tun, die in dem Alter normal sind und sich bei Kindern unterschiedlich stark zeigen. Außerdem muss auch zur zweiten (dritten, vierten - wenn zB Großeltern, Geschwister, Tanten/Onkel im Spiel sind) Bezugsperson eine tragfähige Beziehung aufgebaut werden, wodurch die Aufmerksamkeit phasenweise unterschiedlich verteilt wird.


    Grundsätzlich macht es Sinn, diese Phasen so zu nehmen, wie sie sind und sich dem Kind so zuzuwenden, wie die Tendenz gerade vorhanden ist. Geht das gerade aus verschiedenen Gründen nicht (Elternteil nicht abkömmlich etc.), muss man durch die "Schreiduelle" durch und sie aushalten. Wichtig ist, dass man es als Elternteil nicht persönlich nimmt (was tatsächlich nicht immer so leicht ist). Diese Phasen gehen auch wieder vorbei und das Kind hat Autonomie UND stabile Beziehungen gewonnen! :)


    Alles Liebe!

  • Guten Morgen.


    Danke für die schnelle Antwort ;)


    Tatsächlich geht diese Phase seit dem er grob gesagt 16 Monate alt ist. Tatsächlich ist es aber seit er 2,5 ist seehr viel besser geworden. Aber uns fällt immer auf, dass er "dieses Verhalten" mit der Ablehnung mir ggü. (und ja, ich war 1,5 Jahre nach der Geburt in EZ) besonders stark zeigt nach gemeinsamen Urlaub(en), wenn er wieder zurück bei der Tagesmutter ist (in dem Falle sind es sogar 2 TM mit max. 10 Kindern). Im Urlaub, ist jedes Mal alles total ausgeglichen! Mein Mann erklärt sich das immer so, dass er den ganzen Tag mit einer Frau/mit einer "Mutter" zusammen war und dann das Bedürfnis nach einem Mann größer ist, kann das sein? Mittlerweile langweilt sich unser Sohn lt. seinen Aussagen dort auch. Er kommt im März in die Kita; er wird im Dezember 3 und ist nun der älteste.


    Viele Grüße

  • Hallo! :)


    Sicher kann die Sehnsucht nach einem männlichen Ausgleich auch ein Faktor sein. Der vorschulische Bereich und der Grundschulbereich sind ja doch sehr weiblich dominiert.


    Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich mit dem Kindergarteneintritt dann noch mehr ausgleicht. Da gibt es ja wieder viele neue Entwicklungsaufgaben. Generell ist es für drei Jahre aber noch sehr alterstypisch.


    Alles Liebe!

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