Betreuungspflicht verletzen

  • Hallo,
    ich bin gerade durch Zufall auf dieses Forum gestoßen und möchte euch deshalb einmal meine derzeitige Situation schildern, weil mich eure Meinung dazu interessiert.


    Es ist so, dass mein Bruder (frühkindlicher Autist) bei meinem Vater wohnt. Er ist nun 20 Jahre alt und arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte. Es ist schwer herauszufinden, was in ihm vorgeht, weil er nicht sprechen kann. Leider kann er auch keine Gebärden, weil er diese nie gelernt bzw. er nie eine Förderung erhalten hat. Natürlich ist er zur Schule gegangen nur leider hat mein Vater jegliche Form von Therapie/Förderung immer wieder abgelehnt. Mein Vater war immer der Ansicht, dass mein Bruder sprechen könnte, wenn er wollte.


    Ich habe die letzten 5 Jahre nicht in meiner Heimat gewohnt und war beruflich viel eingespannt, daher habe ich nicht so viel von den Zuständen mitbekommen, die dort einhergehen. Ich bin jetzt vor ein paar Monaten ins Nachbarhaus eingezogen und bin ganz erschrocken, wie mein Vater mit meinem Bruder umgeht. Meine Eltern waren in den letzten Jahren viel mit ihrer Scheidung beschäftigt. Meine Mutter ist psychisch sehr labil, weshalb mein Vater das Sorgerecht hauptsächlich ausführt. Er ist als sein Betreuer gemeldet und bekommt monatlich Betreuungsgeld. Ich frage mich mittlerweile, ob es überhaupt eine Instanz gibt, die kontrolliert, ob er seiner Betreuungspflicht nachkommt.


    Mein Bruder ist hauptsächlich allein. Eigentlich benötigt er bei Toilettengängen, Essenssituationen, Aufsteh- und Zubettgehsituationen, Aufräumaktionen eine Begleitung. Dennoch kommt es vor, dass mein Vater nicht anwesend ist. Er schreit meinen Bruder an, wird beleidigend und auch handgreiflich. Er zeigt keine Einsicht, dass mein Bruder vieles nicht umsetzen KANN. Er geht viel mehr davon aus, dass mein "Bruder sich einfach keine Mühe gibt". Mein Vater hat sich mit Autismus nie wirklich beschäftigt, was mich damals als Kind schon gestört hat, aber er war wesentlich liebevoller als jetzt, was es immer etwas entschuldigt hat.
    Wenn ich ihn darauf anspreche, blockt mein Vater ab. Er hat bereits zwar zugegeben, dass "er keinen Bock mehr auf ihn hat", möchte sich aber auch nicht um eine andere Unterbringungsmöglichkeit bemühen. Er sagt, er brauche das Betreuungsgeld. Auf die Frage, warum er sich keine zusätzliche Pflegekraft dazuholen wolle, reagierte er auch eher abweisend. Mittlerweile habe ich erfahren, dass er sehr wohl jemanden als externe Pflegekraft angegeben hat. Die Pflegekraft ist eine seiner Untermieterinnen, die sich absolut nie mit meinem Bruder beschäftigt. Es handelt sich wohl um einen rein finanziellen Deal, den er mit ihr hat. Denn durch die Angabe einer zusätzlichen Kraft, bekommt er wohl mehr Geld. Sie bekommt einmal im Monat 100 € und er kassiert den Rest.


    Keiner kommt dort seinen Pflichten nach und ich sehe, wie mein Bruder leidet. Sein Zimmer ist immer unaufgeräumt und dreckig, er wird weder geduscht, noch werden ihm die Nägel geschnitten. Dies sind Dinge, die ich in den letzten Monaten übernommen habe. Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, ist er immer alleine in seinem Zimmer. Und er möchte gerne mit anderen unterwegs sein, zieht sich jedes Mal an, weil er mitkommen möchte. Ich kann mich leider nicht ausreichend um ihn kümmern, da ich bald selbst Mutter werde und in meinem Studium stecke.


    Ich hoffe ich konnte euch einen Eindruck meiner derzeitigen Situation vermitteln. Ich verstehe nicht, was es heißt, Mutter/Vater eines autistischen Kindes zu sein, aber ich habe mich viel belesen und mit autistischen Kindern und ihren Familien zusammengearbeitet. Ich weiß, dass das so nicht normal ist und auch nicht weitergehen kann. Ich werde mich wohl zeitnah beim Amt beschweren oder was meint ihr? Es ist doch immer etwas anderes, wenn es die eigene Familie betrifft. Ich bin natürlich für Anregungen sehr dankbar, weil dies für mich ein sehr heikles Thema ist und ich einfach merke, dass es mich besonders auf emotionaler Ebene stresst.


    Lieben Gruß,
    Jade

  • Ich kenne mich mit Autismus nicht aus. Was dein Vater aber macht, ist Betrug. Dazu kommt, dass es deinem Bruder nicht gut geht. Der Weg, den du in Erwägung ziehst, die zuständige Instanz darüber zu informieren, ist genau richtig. Sorge dafür, dass dein Bruder gut betreut wird und die Förderung erhält, die ihm zusteht.

  • Hallo Jade,


    oh je, das klingt in der Tat einfach nur schrecklich. Und so wie Ali es bereits deutlich gemacht hat: Das, was Ihr Vater hier tut, ist glatter Betrug!


    Wenn Sie diese Situation weiterlaufen lassen und nichts unternehmen, machen Sie sich im Grunde mit strafbar.
    Zum Wohle Ihres Bruders sollten Sie die Situation beim Amt melden. Es gibt zudem so genannte Autismusbeauftragte. Sie können übers Internet herausfinden, wer Ihr zuständiger Autismusbeauftragte ist und mit diesem Kontakt aufnehmen und sich beraten lassen, was den Autismus insgesamt betrifft, die Situation, in der sich Ihr Bruder befindet und auch, wie Sie Ihrem Bruder im Alltag und insgesamt helfen können.


    Im Grunde wäre es für Ihren Bruder am besten, wenn er in eine Wohngruppe der Behindertenhilfe einziehen könnte, wo er gut versorgt und vor allem wertgeschätzt wird.


    Es gibt sehr viele unterschiedliche Ausprägungen von Autismus und wenn Ihr Bruder nicht sprechen kann oder nicht sprechen will, heißt das noch lange nicht, dass es ihm in der aktuellen Situation gut geht, die von Vernachlässigung und Verwahrlosung und sogar psychischer bzw. seelischer Gewalt geprägt zu sein scheint.


    Ich hoffe, Sie haben den Mut, Ihren Bruder zu schützen und aktiv zu werden, auch wenn Sie dadurch Ihrem Vater schaden werden.


    Klara

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