3-jähriger Sohn mit eigenem Kopf

  • Hallo,
    wir haben relativ häufig Probleme im Umgang mit dem Verhalten unseres Sohnes und ich hoffe, mir kann hier jemand evtl. ein paar Tipps geben, wie man damit am Besten umgeht...


    Es geht nicht darum, dass 3-jährige Kinder viel trotzen und Grenzen austesten. Das ist mir schon bewusst und auch ganz natürlich. Bei unserem Sohn ist es aber schon immer so, dass er grundsätzlich anderer Meinung ist als alle anderen Menschen, zusätzlich macht er nichts, was er tun SOLL und das macht es oft sehr kompliziert! Als Beispiele: soll er irgendjemandem Tschüss sagen (man denkt ja, das ist was ganz normales und auch nix schlimmes), dann braucht es ewig und viel Druck (z.B. wenn du jetzt nicht Tschüss sagst, dann fällt heute auch mal der Nachtisch aus - etwas, was mir eigentlich total gegen den Strich geht, aber ich weiß mir da einfach nicht zu helfen). Dann murmelt er irgendwann - nach einigen Ausreden wie "ich bin dazu zu müde" oder "ich habe aber keine Zeit" - ganz leise, in piepsiger Stimme, kaum hörbar "Tschüss". Und es geht hierbei nur um bekannte Personen wie Oma, Erzieherinnen... Das ist nur ein Beispiel von ganz vielen. Irgendwann habe ich dann gedacht, na gut, sag einfach gar nix zu ihm, irgendwann wird er von selber schon Tschüss sagen, wenn ich es tue, aber nix... Genauso wenn er z.B. beim Kinderturnen am Anfang im Kreis verschiedene Übungen mit den anderen Kindern zusammen machen soll, dann macht er es nicht, obwohl er es kann. Aber ich habe halt das Gefühl, dass er unbedingt dagegen rebellieren will, sobald er das Gefühl hat, man will ihn zu irgendetwas drängen. Nur ist es halt im Leben nun mal so, dass man immer wieder verschiedene Sachen machen muss, die andere von einem wollen. Auch Essen wird mittlerweile sehr schwierig, da er einfach nix probieren will, von dem man sagt "das schmeckt aber lecker!". Er probiert es zwar dann manchmal noch, man kann aber wetten, dass dann kommt "nein, schmeckt gar nicht lecker", obwohl ich dann sicher bin, es würde ihm eigentlich schmecken, wenn er gerade nicht so "quer" wäre. Dieses Verhalten hat sich insgesamt bei ihm schon sehr früh gezeigt. Ich würde es schon in einem gewissen Maße seinem Charakter zuschreiben, aber irgendwie scheinen wir darauf nicht richtig zu reagieren, da es eher immer stärker wird. Ich bin da echt etwas ratlos. Die Erzieherinnen in der Kita geben immer relativ schnell nach und sagen, dass da Druck nichts bringt. Aber sie kamen bisher auch noch in keiner Beziehung weiter ohne Druck... Ich versuche schon immer, es so aussehen zu lassen, als wäre gerade etwas seine Idee gewesen, aber das durchschaut er sehr oft. Auch Loben dafür, dass er es dann doch irgendwann gemacht hat, bringt meistens nix.
    Ich sollte wohl noch dazu schreiben, dass er insgesamt ein eher schüchternes Kind ist, sehr aufgeweckt und aktiv, aber er braucht immer relativ lange, bis er sich irgendwo wohl fühlt und er klammert sehr stark an mir... Im Allgemeinen hört er eigentlich sehr gut, wenn ich z.B. etwas verbiete oder ihm erkläre, warum verschiedene Sachen nicht gehen. Aber immer, wenn was von ihm verlangt wird, das er aktiv tun soll, dann wird es schwierig.


    Ist das alles normal in gewissen Maßen? Ich finde halt, dass er sich schon sehr deutlich von anderen gleichaltrigen Kindern unterscheidet... Und ich habe das Gefühl, dass er sich das Leben mit diesem Verhalten unnötig schwer macht, da er sich immer so reinsteigert, dass aus einer ganz einfachen Sache wie "Tschüss-Sagen" ein Problem-Thema über Monate wird. Zum Kinderturnen will er z.B. oft schon gar nicht mehr gehen, weil er weiß, dass die Kinder da nun immer öfter auch mal Übungen ohne die Mütter machen sollen. Das will er überhaupt nicht, deshalb habe ich ihn bisher auch noch nie dazu gezwungen. Aber alleine die Frage, ob er nicht auch mal mit den anderen Kindern alleine von der einen Wand zur anderen laufen will, baut bei ihm anscheinend so einen Druck auf, dass er lieber komplett drauf verzichtet, obwohl er so gerne turnt... er war auch der einzige, der bei den Fotos im Kindergarten nicht drauf ist, da er es einfach nicht wollte, weil alle anderen von ihm wollten, das er es doch wenigstens mal probiert... ich war dabei, er kennt Kameras und er kannte sogar den Fotograf.


    Hat jemand Tipps, wie ich damit am Besten umgehe? Ich frag mich einfach, warum hat er immer das Gefühl, sich gegen uns behaupten zu müssen? Warum kann er nicht damit umgehen, wenn er merkt, es liegt einem etwas daran, dass er etwas bestimmtes tut? - denn umso schwieriger wird es... Ich glaube sagen zu können, dass wir eigentlich nicht zuviel von ihm verlangen und auch, dass wir nicht viel Druck ausüben... es geht ja immer nur um ganz normale / banale Dinge, die eigentlich selbstverständlich sind, oder? Aber es muss doch eine Ursache haben...

  • Liebe Verena,


    hallo und herzlich Willkommen bei uns hier im Forum. Ich freue mich, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben und hoffe, dass wir Ihnen mit unserem Rat weiterhelfen können.


    Zunächst einmal möchte ich versuchen Sie ein wenig zu beruhigen. Im Laufe ihrer Entwicklung möchten Kinder immer mehr Selbständigkeit gewinnen und dazu gehört auch eigene Entscheidungen zu treffen, was man wann wo und wie tut oder sagt. Da die Kleinen allerdings noch nicht im Großen agieren, probieren sie ihre Autonomie eben auf solchen Ebenen aus, wie Ihr Sohn es tut, sprich, sie rebellieren gegen Dinge, die für uns eigentlich eine Selbstverständlichkeit sind. Aber für Kinder ist eben nichts selbstverständlich und somit werden für uns Erwachsene ganz normale Höflichkeitszeichen wie Bitte, Danke, Guten Tag oder Tschüs für die Kleinen zur Plattform, auf der sie ihre eigenen Entscheidungen ausprobieren. Das ist nicht nur normal sondern auch wünschenswert, denn nur so können die Kinder ihr soziales Verhalten lernen und erproben.


    Da Sie allerdings schreiben, dass Sie dieses Verhalten bei Ihrem Sohn bereits seit längerem beobachten und es fast schon als eine Charaktereigenschaft von ihm bezeichnen würden, kann es durchaus sein, dass bei Ihrem Jungen da tatsächlich ein Wesenszug dahintersteckt. Wenn Ihr Sohn insgesamt sehr schüchtern und zurückhaltend ist und offensichtlich Probleme damit hat sich von Ihnen zu lösen, dann könnte es durchaus sein, dass dieses Verhalten Ausdruck seiner Verunsicherung ist. Ich glaube tatsächlich nicht, dass Ihr Sohn sich bewusst gegen Ihre Aufforderungen auflehnt, viel mehr liegt für mich die Vermutung nahe, dass er sich von solchen Anforderungen, die von außen an ihn gestellt werden, überfordert fühlt und sich deshalb total verweigert. Das bedeutet nicht, dass er auch tatsächlich überfordert ist, wenn er sich allerdings so fühlt, dann steht er sich nun mal selbst im Weg. Dazu würden eben seine Zurückhaltung und seine Lösungsschwierigkeiten passen. Haben Sie denn den Eindruck, dass Ihr Kleiner eher wenig Selbstbewusstsein hat? Dass er zum Beispiel neuen Erfahrungen oder fremden Menschen gegenüber sehr zurückhaltend gegenüber steht oder häufig von vorne herein sagt, dass er etwas ohnehin nicht kann oder sich nicht traut?


    Vielleicht können Sie uns kurz Ihre Einschätzung geben, ob vielleicht tatsächlich ein mangelndes Selbstvertrauen oder eine gewisse Ängstlichkeit Grund sein kann oder ob Sie doch eher auf rebellisches Verhalten tippen. Entsprechend unterschiedlich müssten Sie nämlich mit dem Problem umgehen.


    Viele Grüße
    Tanja

  • Vielen Dank schon mal für Ihre Antwort!


    Ja, ich vermute tatsächlich einen sehr starken Zusammenhang zwischen seinem geringen Selbstbewusstsein und diesen "Problemen". Er ist zunehmend unsicherer in fremden Umgebungen und mit fremden Menschen. Während er noch vor Beginn der Kita (vor 8 Monaten) fremden Kindern gegenüber recht offen und neugierig war, ist er nun immer verschlossener und benötigt sehr viel Zeit und eine sehr enge Bezugsperson (Mama oder Papa) an seiner Seite, um da nach ca. 1 h dann etwas freier zu werden. Ich hatte mal in der Kita gefragt, ob ihnen irgendwas aufgefallen ist, dass irgendein Vorfall war, aber sie versicherten mir, dass nichts vorgefallen ist. Gestern waren wir auf einem Fest in einem anderen Kindergarten. Dort war ich extra Abends mit ihm hin, als der Hauptandrang weg war und wir haben uns auf dem Spielplatz aufgehalten, da er gerne auf Spielplätzen ist. Obwohl sogar einige Kinder aus seiner Kita-Gruppe da waren, die er auch erkannt hat und über die er sich gefreut hat, hat er erst mal nur an mir geklammert. Sobald ihn jemand angesprochen hat, hat er sein Gesicht versteckt und natürlich nicht geantwortet, obwohl er die Leute jeweils gekannt hat. Ich sage dann mittlerweile gar nichts mehr, spreche selber mit den Leuten. Nach dem ich dann ganz lange mit ihm an der Seite über den Spielplatz gelaufen bin, er sich nach und nach dann auch mal getraut hat, was auszuprobieren (wofür ich ihn dann halt auch immer gelobt habe) und er ist dann auch mal selbstständig irgendwo rumgelaufen, aber immer mich im Auge und nie zu weit weg. Aber er hatte dann auch Spaß. Meine Idee, um sein Selbstbewusstsein zu stärken wäre jetzt, ihn gezielt relativ vielen neuen Situationen auszusetzen, aber natürlich immer mit mir zur Sicherheit und ihn durch kleine Aufgaben, die er schaffen kann, zu stärken. Das ist nämlich auch tatsächlich so, dass er immer häufiger sagt: "ich kann das noch nicht, ich bin dafür zu klein". Wo ich gar nicht weiß, wo er das her hat. Denn wir sagen das ganz sicher nicht zu ihm und er war immer als Krabbel- und Kleinkind eher ein Draufgänger, der vor keiner Höhe Angst hatte und der oft gefallen ist, weil er total unvorsichtig war... Irgendwie muss uns da ein Fehler unterlaufen sein, evtl. weil ich einfach Angst hatte, das er sich zu oft weh tut (er hat sich im Krabbelalter aufgrund der genannten Unvorsichtigkeit 2x ein Stück Zahn vorne rausgeschlagen, als er gefallen ist und ich hatte schon das Gefühl, dass ich seitdem selber einfach vorsichtiger geworden bin und ihn vielleicht zuviel behütet habe?)


    Interessant ist übrigens, dass er sich anscheinend schneller in fremden Umgebungen zurecht findet, wenn wir unsere Hunde dabei haben. Wir haben 2 Hunde, die auch eng in der Familie mit leben und mit denen er viel interagiert, schmust und spielt. Und irgendwie scheinen die ihm Sicherheit zu vermitteln. Oder könnte es evtl. auch daran liegen, dass ICH mich dann nicht nur auf ihn konzentriere, sondern halt auch natürlich mit den Hunden zu tun habe?


    Ich wäre über eine Einschätzung und evtl. Lösungsvorschläge sehr dankbar. Ich hatte letzte Woche auch noch 2 Bücher zu den Themen bestellt: "Schüchterne Kinder stärken" und "Das Geheimnis glücklicher Kinder" und hoffe, auch dort einige Ideen und Tipps zu bekommen. Allerdings ist ja doch jedes Kind anders und so bin ich froh, wenn ich hier mal unseren "Fall" schildern kann und speziell dazu Tipps bekomme...

  • Liebe Verena,


    vielen Dank für Ihre schnelle Rückmeldung.


    Es muss nicht zwingend ein Vorfall im Kindergarten gewesen sein, der das Verhalten Ihres Sohnes in dieser Art beeinflusst hat. Gerade sensible Kinder reagieren selbst auf kleinste Veränderungen in ihrem Leben beziehungsweise in ihrer Umgebung. Das kann schlichtweg der Eintritt in den Kindergarten sein, vielleicht aber auch irgendeine Neuerung innerhalb der Familie? Vielleicht gehen Sie jetzt wieder arbeiten oder es gab irgendwo Streit? Selbst eine kleinste Veränderung kann tatsächlich dahinterstecken. Manchmal ist eine solche Verhaltensänderung aber auch schlichtweg das Ergebnis der kindlichen Entwicklung und steht mit keinem äußeren Ereignis in Zusammenhang. Sie sollten also nicht zwingend versuchen, die Schuld in sich oder ihrer Erziehung zu suchen. Sie sind jetzt für Ihren Sohn sozusagen sein Netz und doppelter Boden, den er braucht, um sich sicher zu fühlen. Wenn die Hunde da sind, dann geben diese ihm die Sicherheit, was ja schon ein absolut tolles Zeichen ist. Er kann sein Sicherheitsbedürfnis also übertragen und das ist ein erster wichtiger Schritt, dass er sich irgendwann selbst diese Sicherheit geben kann.


    Für den Moment geht es allerdings darum, Ihren Jungen bestmöglich aufzufangen und wieder zu bestärken. Und da muss ich den Erzieherinnen absolut Recht geben, dass Druck dabei wirklich eher das Gegenteil bewirkt – Ihr Junge wird sich noch mehr zurückziehen. Stattdessen sollten Sie tatsächlich eine Art Prioritätenliste für sich erstellen, was Sie aktuell an Verhalten unverzichtbar finden und was Sie derzeit auf Eis legen können. An Ihrem Beispiel: Wenn Ihnen das Turnen wichtig ist, dann sollten Sie derzeit auf die Abschiedsfloskeln verzichten oder eben umgekehrt. Führen Sie Ihren Sohn schrittweise so an die für ihn unangenehmen Situationen heran und lassen Sie ihn dort erleben, dass alles in Ordnung ist. Dringen Sie aber nicht zu tief in ihn. Will er nicht mitturnen, bleiben sie einfach gemeinsam dort und kommen immer und immer wieder. Irgendwann fühlt er sich sicher genug, mit einzusteigen. Oder verabschieden Sie sich im Kindergarten immer und immer wieder persönlich bei den Erzieherinnen in der Anwesenheit Ihres Sohnes. Irgendwann macht er mit. Erst wenn er in der jeweiligen Situation Sicherheit zeigt, gehen Sie den nächsten Knackpunkt an. Ansonsten stürmt auf den kleinen Mann zu viel auf einmal herein und das ist dann für ihn ein Mount Everest, den er schlichtweg nicht erklimmen kann. Wenn er aber von Station zu Station geht, dann gelangt er langsam aber sicher nach oben.


    Gleichzeitig ist es natürlich wichtig, sein Selbstvertrauen zu stärken. Stellen Sie ihn vor kleine Herausforderungen, von denen Sie sicher wissen, dass er sie schaffen wird und loben Sie ihn überschwänglich dafür, wenn er es dann tatsächlich geschafft hat. Das gibt Mut für neue Hürden. Sie dürfen auch gerne die Ängste und Unsicherheiten gemeinsam thematisieren, denn Ihr Sohn braucht vielleicht eine Möglichkeit, seine unsicheren Gefühle zu äußern. Es gibt zum Beispiel tolle Gefühlsspiele und auch Vorlesebücher, die sich mit Ängsten, Unsicherheiten, aber auch Mut und Erfolgserlebnissen befassen. So bekommen die Kinder ein Gefühl dafür, dass sie mit ihrer Unsicherheit nicht ganz allein sind. Am Ende können sie morgens vielleicht gemeinsam festlegen, was denn heute geschafft werden soll. Wenn man dann abends auf den Erfolg zurückblickt, ist das immer ein tolles Ereignis.


    Das ist sicher ein langwieriger und nicht immer einfacher Weg, der oft nur in kleinen Schritten vorangeht, aber es lohnt sich! Und sollten Sie tatsächlich gar nicht vorankommen, gibt es auch super externe Hilfemöglichkeiten, die gerade bei ängstlichen und unsicheren Kindern vieles bewegen können.


    Viele Grüße
    Tanja

  • Vielen Dank für ihre Mühen!


    Außer der Eingewöhnung in die Kita, kann ich jetzt keine Veränderung feststellen. Aber wie Sie sagen, kann es ja auch was sein, was uns gar nicht so aufgefallen ist...


    Ich werde versuchen die Tipps umzusetzen.


    Vielen Dank noch mal!

  • Liebe Verena,


    ja, es kann sein, dass irgendeine Situation hinter der neuen Ängstlichkeit Ihres Kleinen steckt, die man niemals damit in Verbindung bringen würde. Es kann aber auch genauso sein, dass es überhaupt keinen Auslöser gibt, sondern dass einfach die Entwicklung des Kleinen dahinter steckt. Wie auch immer, ich drücke Ihnen fest die Daumen, dass Sie das Problem bald in den Griff bekommen und wäre sehr froh, wenn Sie uns hin und wieder berichten wie es läuft.


    Viele Grüße
    Tanja

  • Also schon mal ein ganz kleines Update:


    Ich habe mich fürs Turnen entschieden und gestern war wieder Turnen. Als ich sagte: "so, wir fahren jetzt gleich zum Turnen" sagte er schon direkt: "aber ich habe Bauchweh" Das ist neben "aber ich bin müde" derzeit eine Standard-Aussage, wenn er etwas nicht möchte, bzw. sich unwohl in einer Situation fühlt, da es anfangs natürlich bei mir gewirkt hat und er auch von allen dann direkt Mitleid bekommt und er in Ruhe gelassen wird. Ich habe dann gestern gesagt: "o.k., wir fahren mal hin und schauen einfach, was wir heute machen. Wenn du die Übungen nicht machen willst, dann sagst du es und wir schauen nur zu". Er hat kurz überlegt und dann "o.k." gesagt. Insgesamt habe ich dann beim Turnen fast komplett den Druck rausgenommen (die Übungen, wo ich daneben bin und die er kann, darauf habe ich dann schon bestanden, dass er sie macht), und ich habe erst gar nicht versucht, ihn dazu zu drängen, sich von mir zu lösen und hatte echt das Gefühl, dass er dadurch im Laufe der Stunde immer entspannter wurde. Und es hat ihm auch Spaß gemacht, was er sogar beim Papa erzählte. Also ein erster ganz kleiner Erfolg :)


    Ein bißchen schwer tue ich mich damit, es vor den anderen Leuten (Eltern oder Turnlehrerin) zu begründen, wieso, weshalb, warum... also ich merke die fragenden Blicke, warum er sich jetzt z.B. so "anstellt", wenn er jemand anderem beim Kreisspiel die Hand geben soll... viele denken sicher, ich müsste mich mal mehr durchsetzen... aber gut, da muss ich wohl lernen, einfach weniger nach den anderen zu gucken...

  • Liebe Verena,


    vielen lieben Dank für die schnelle Rückmeldung. Wow, das ist ja eine tolle Entwicklung. Dass Sie in so kurzer Zeit schon einen solchen Erfolg haben, darauf können Sie echt stolz sein.


    Ich bin ehrlich gesagt begeistert, welche Entscheidungen Sie getroffen und wie Sie sich verhalten haben. Sich für das Turnen als erste Priorität zu entscheiden, halte ich für goldrichtig. Denn anders als beim Tschüs sagen hat Ihr Kleiner beim Turnen etwas davon, wenn er seine Scheu überwindet. Und das gibt natürlich Mut, Selbstvertrauen und jede Menge Motivation fürs nächste Mal.


    Sie haben sich auch während der Turnstunde absolut super verhalten. Den Druck rausnehmen, aber dort, wo Sie genau wissen, dass er das kann, auf sein Mitmachen zu bestehen, ist die richtige Mischung, Ihren Jungen weder zu über- noch zu unterfordern.


    Wahrscheinlich werden Sie sich an viele unverständliche Blicke gewöhnen müssen, denn leider sind viele Erwachsene der Auffassung, dass verweigerndes Verhalten von Kindern immer etwas mit Störrischkeit und Sturköpfen zu tun hat und man dem immer mit Druck und Macht begegnen muss. Sicher mag das in Einzelfällen zutreffen, bei Ihrem Jungen würden Sie damit aber vermutlich mehr zerstören als gut machen. Und es ist nun mal definitiv so, dass Dinge, die Kinder aus einem Zwang heraus tun oder lernen, sehr instabil sind, während solche Sachen, zu denen sie sich von Innen heraus entscheiden, mit Zuverlässigkeit verinnerlicht sind und bleiben.


    Bleiben Sie also einfach auf diese Art am Ball und lassen Sie sich nicht von anderen Eltern verunsichern – Sie sind auf dem richtigen Weg. Ich glaube sogar, dass, wenn Sie das Herantasten an Begrüßung und Verabschiedung wagen, ein Belohnungssystem sinnvoll sein könnte.


    Aber jetzt drücke ich erst mal weiterhin fest die Daumen und freue mich darauf, wenn ich wieder von Ihnen höre.


    Viele Grüße
    Tanja

  • ... ich kann schon wieder positive Veränderungen berichten:
    Letzte Woche war Sonntags Sommerfest in unserer Kita. Da wir dort auch einen Stand betreut haben, waren wir einige Stunden an dem Tag anwesend. Anfangs war unser Kleiner wieder sehr zurück haltend, hat sich an mich geklammert. Aber umso mehr ich mit ihm dort rum gelaufen bin, umso offener wurde er und entfernte sich auf dem Spielplatz auch immer wieder sehr weit von mir, was in letzter Zeit gar nicht mehr ging, wenn andere Leute/Kinder anwesend waren. Er hatte sichtlich richtig viel Spaß und am gleichen Abend waren wir dann auch noch auf einen Geburtstag in der Verwandtschaft und ich hatte schon Sorge, dass das insgesamt an dem Tag viel zu viel für ihn wird. Aber irgendwie ist schon bei dem Fest irgendein Knoten geplatzt: Auf dem Geburtstag waren noch einige Kinder, die er nicht kannte. Ein ca. 1 Jahr älterer Junge war auch da (der auch etwas zurückhaltend ist) und auf einmal ist unser Sohn dort mit den anderen Kindern rumgelaufen, hat mit dem anderen Jungen gemeinsam verstecken gespielt und die zwei haben sich quasi stumm verstanden. In der letzten Woche ging er dann auch viel fröhlicher in die Kita... die Erzieherin berichtete mir, dass er auf einmal viel mehr aus sich raus kommt, laut vor sich hin spielt, was bisher immer stumm stattgefunden hat und er insgesamt sehr fröhlich wäre. Das freut mich natürlich besonders, da er bisher in der Kita einen ganz ruhigen Eindruck gemacht hat, was gar nicht zutrifft, da er eigentlich ein sehr aktives Kind ist.


    Natürlich liegt da noch ein großes Stück vor uns, denn in den allermeisten Situationen ist er immer noch sehr schüchtern und zurück haltend, aber ich bin froh zu sehen, dass es endlich ein Schritt in die richtige Richtung geht. Ich habe nun verstanden, dass wir da ganz viel beeinflussen, sowohl negativ als auch positiv... es ist noch nicht immer leicht, da ich mich auch erst umstellen muss. Meine Vorsicht muss ich unbedingt noch mehr ablegen, auch meine Rücksicht auf andere Menschen. Er ist ein Kind und kein perfekter Erwachsener... ich dachte immer, er muss sich schon perfekt verhalten.


    Ich bin sehr froh, dass ich dieses Forum gefunden habe - ihre Tipps und die Bücher, von denen ich eins noch am Lesen bin, haben mir bisher schon sehr gut geholfen. Nicht alles finde ich passend oder sinnvoll aus den Büchern, aber das lasse ich dann einfach weg.


    Eine Frage hätte ich noch zu einer täglichen Situation, wenn ich ihn aus der Kita abhole: immer wenn ich Mittags komme, rufen die Erzieherinnen ihn und er kommt dann schreiend zur Tür gerannt. Es ist kein richtiges weinen, sondern es kommt bei mir wie so ein Druckabbau an... er macht es aber nur wenn ich komme (nicht wenn mein Mann oder die Oma ihn abholt). Ich sehe oft, dass er bis zu dem Moment, wo die Erzieherin ruft "Luke, deine Mama ist da" noch ganz vergnügt ist und dann läuft er von jetzt auf gleich schreiend los. Wie gehe ich am besten damit um? Komplett ignorieren? Ich habe angefangen zu fragen, was denn los sei, warum er so schreit und er sagt dann entweder gar nix, denn er schreit ja noch, oder er sagt: "ich weiß auch nicht" und knatscht dann weiter. In der letzten Woche kam es mir verändert vor - eher etwas künstlich - so als ob er es sich jetzt einfach angewöhnt hätte und es deshalb macht... ich bin da irgendwie ratlos. Er macht das, seitdem er in die Kita geht (also ca. 7 Monate).


    Vielen Dank noch mal für die bisherigen Tipps!!!


    Viele Grüße
    Verena

  • Liebe Verena,


    es freut mich sehr, wenn ich lese welch tolle Entwicklungen Sie beobachten können. Sie können wirklich wahnsinnig stolz auf sich und auf Ihren Kleinen sein. Für ein zurückhaltendes Kind sind solche Festlichkeiten eine immense Anstrengung und trotzdem hat er den Sprung geschafft, sich immer mehr von Ihnen zu lösen und dann auch eigene Spielaktivitäten zu entwickeln. Einfach SUPER!


    Ihr Kleiner kann wirklich sehr froh sein, dass Sie so reflektiert über seine Probleme und die Möglichkeiten, ihm zu helfen, nachdenken. Und Sie machen das ja auch absolut richtig: Sie nehmen sich an verschiedenen Stellen Input und versuchen umzusetzen, was in Ihre Erziehungsvorstellung passt und nehmen Abstand von den Dingen, die Sie nicht sinnvoll finden. Das ist genau der richtige Weg. Sicher steht ihnen allen noch ein gutes Stück Arbeit bevor, aber wenn der Knoten bei Ihrem Kleinen erst mal richtig geplatzt ist, dann kommt der Rest fast wie von selbst, wenn Sie am Ball bleiben.


    Nun noch zu Ihrer Frage nach seinem weinerlichen Verhalten in der Abholsituation. Gerade unsichere Kinder ziehen ihre Sicherheit aus Strukturen und Ritualen, so dass sie sehr schnell ihre eigenen Rituale schaffen. Das können schöne sein, es können aber auch negative Rituale werden. Wir sagen dann gerne, dass ein Verhalten sich verselbständigt hat.


    Mir scheint es im Moment, dass Ihr Sohn die Abholsituation mit Ihnen ritualisiert hat. Das zeigt sich schon daran, dass es nur bei Ihnen so ist und er noch nicht einmal weiß, warum er jetzt quengelt. Vielleicht gab es irgendwann mal tatsächlich einen unangenehmen Moment rund um das Abholgeschehen und aus dem entsprechenden Verhalten wurde ein Selbstläufer.


    Bei einem sensiblen Kind ist Ignorieren immer eine schwierige Sache, weil man stets Gefahr läuft, dass der Kleine sich dann noch mehr zurückzieht. Ich würde versuchen, das jetzige Ritual durch ein positives Ritual zu ersetzen. Bitten Sie die Erzieherin, Ihre Ankunft nicht mehr anzukündigen. Dann können Sie zu Ihrem Kleinen hin gehen, sich zu ihm runter bücken, Guten Tag sagen und ihn ganz direkt danach fragen „Na, was war denn heute toll im Kindergarten“. Das schafft eine positive Grundstimmung, weil er eben nur mit positiven Dingen antworten kann. Auch wenn Ihr Kleiner jammernd auf Sie zu kommt, können Sie mit ihm auf Augenhöhe gehen und ihm diese Frage stellen, wenn er dann antwortet, haben Sie die Situation ins Positive verkehren können und dürfen davon ausgehen, dass nichts Dramatisches vorgefallen ist. Sollte er jedoch weiter quengeln, dann sollten Sie ruhig nochmal nachfragen, ob etwas passiert ist, um dann wieder zu Ihrer positiven Frage zu wechseln. Wenn Sie auf diese Art konsequent vorgehen, platzieren Sie ein neues Ritual, das die Abholzeit in einen erfreulichen Kontext setzt. Natürlich ist das nur ein Vorschlag, denn eigentlich geht es im Kern darum, die Abholsituation gänzlich neu zu gestalten und dabei positiv zu verknüpfen. Sie dürfen also gerne Ihrer Fantasie freien Lauf lassen. ;)


    Viele Grüße
    Tanja

  • Hallo,


    ja das kann gut sein, dass es mittlerweile zu einem Ritual geworden ist. Allerdings muss ich mir da wohl eine andere Möglichkeit einfallen lassen, dieses zu durchbrechen. Denn wenn er nicht zur Tür gerannt kommen und kann um mir die Tür zu öffnen, dann weint er richtig... dann habe ich 10 Minuten richtiges Theater. Es kann sogar sein, dass aus so einer Situation dieses Ritual quasi nach und nach entstanden ist. Anfangs kamen auch immer mal andere Kinder oder die Erzieherinnen die Tür öffnen, was dann jedes Mal im Chaos geendet ist... Seitdem haben die Erzieherinnen darauf geachtet, dass er alleine zur Tür kommt, was dann die Situation zwar etwas entschärft hat, aber es war halt irgendwie mit Stress verbunden, immer der schnellste zu sein, der an der Tür ist (aus seiner Sicht). Und jetzt ist es echt zu einem Ritual. Ich habe mich jetzt direkt immer auf den Boden gehockt, ihn angesprochen, was los ist, warum er knatscht... Eine Antwort kann er mir nicht geben. Aber derzeit geht er relativ schnell in ein Grinsen dann über. Heute habe ich versucht, ihn direkt durch eine Frage abzulenken, aber das hat nichts gebracht, da man vor lauter Geschrei dann gar nichts hört... Falls Sie also noch andere Ideen haben, wie man die Situation ändern könnte, wäre das toll :) Ansonsten überlege ich auch mal noch weiter. Ich habe übrigens auch schon jetzt ein paar Mal mit ihm darüber gesprochen, als die Situation rum war und er entspannt war. Ich habe dann gesagt: "Warum weinst du denn, wenn ich dich von der Kita abholen komme? Du freust dich doch eigentlich... dann musst du rufen: Yipieh, die Mama ist da!" Er grinst dann immer nur...

  • Hallo Verena,


    ja, es kann durchaus sein, dass sich die Abholsituation negativ ritualisiert hat, weil Ihr Kleiner in diesem Moment ja in eine negative Schleife gerät, die aus dem Druck, als erster an der Tür sein zu müssen, entsteht. An seinem Privileg, Ihnen die Tür zu öffnen, sollte man allerdings nicht rühren, das würde sein Selbstvertrauen nur negativ beeinflussen.


    Wie wäre es denn mit einem kleinen Spiel, das Sie mit Ihrem Sohn spielen? Sie könnten zum Beispiel Folgendes mit ihm vereinbaren: Immer wenn er Ihnen die Tür geöffnet hat, dann muss er sich so schnell wie möglich verstecken und ihre Aufgabe ist es dann, ihn zu suchen. So wird die Negativschleife mit etwas durchbrochen, was Kinder ja im Allgemeinen gerne mögen und Sie schaffen ein positives Ritual.


    Wenn das auch nicht realisierbar ist, dann tut es eigentlich jede Form der Ablenkung, die für Ihren Kleinen positiv verknüpft ist. Zum Beispiel könnten Sie ihn jedes Mal zur Begrüßung als Flieger durch die Luft kreisen oder Sie bringen ein Bonbon mit und er muss die richtige Hand erraten. Es ist eigentlich alles erlaubt, was in irgendeiner Form aus der stressigen Situation ein schönes Erlebnis macht und sich natürlich auch langfristig als Ritual eignet.


    Ich hoffe, Sie können mit meinen Ideen ein wenig was anfangen und freue mich darauf, wieder von Ihnen zu hören.


    Viele Grüße
    Tanja

  • Vielen Dank für die Ideen! Ich werde mir jetzt mal Gedanken machen, welche für uns sinnvoll bzw. umsetzbar ist und es dann probieren. Werde wieder berichten :)

  • Hallo,


    ich hoffe, Sie hatten einen schönen Urlaub!


    Ich wollte noch mal berichten, wie es so läuft:


    Insgesamt hat sich vieles verbessert! Unser Sohn wird freier, er traut sich viel mehr. Im Turnen macht er auch wieder mehr mit viel Freude mit. So lange er nicht dazu aufgefordert wird, irgendwas alleine zu machen, sondern dies unbewusst geschieht (also z.B. am Anfang, wenn wir noch aufbauen) dann rennt und spielt er mit den anderen Kindern ganz normal mit. Wenn die Kinder aber dazu aufgefordert werden, irgendwo alleine hinzulaufen, dann macht er es noch nicht. Aber ich denke das kommt auch noch, da braucht er einfach noch Zeit.


    In der Kita ging es ja nun vor allem um das Ritual, wenn ich ihn abhole. Das war echt schwierig. Egal was ich probierte, ich hatte gar keine Chance, zu ihm durchzudringen... Ich habe dann auch mehrfach mit ihm vor oder nach der Kita darüber gesprochen, erstmal aber auch ohne Erfolg. Diese Woche dann auf einmal ohne Vorwarnung kam er Mittags mit zwei Autos an die Tür, strahlte mich an und sagte: "guck mal Mama, die hole ich mit". Ich freute mich natürlich das er nicht schrie, wir einigten uns mit der Erzieherin, das er die Autos an dem Tag wirklich mit nehmen durfte und brachten sie dann am nächsten Tag wieder mit zurück. Nächster Mittag ähnliche Situation, er kam mit einem anderen Spielzeug in der Hand an die Tür, sagte, er würde das mitnehmen. Nun ahnte ich natürlich, dass das sein neues Ritual wird, was er da gerade selber erfunden hatte. Und da es natürlich auch keine Lösung war, ihn jedes Mal was aus der Kita mitnehmen zu lassen, einigten wir uns diesmal darauf, dass wir statt dessen die Sonnencreme mitnehmen, die in seinem Fach steht. Am nächsten Morgen sagte ich dann zu ihm, dass ich am Mittag ein kleines Auto mitbringe, wenn ich ihn abholen komme, dass er dann mitnehmen könnte. Gesagt, getan und die Welt war Mittags in Ordnung: er kam an die Tür gelaufen, schaute direkt auf meine Hand und war zufrieden. Zufällig ist derzeit auch gerade seine Bezugserzieherin länger krank geschrieben, ob es auch was damit zu tun hat, dass nun ein anderes Ritual eingeführt werden konnte, ich weiß es nicht... Und zumindest sagt er den Kindern in der Kita nun auch nebenbei "tschüss", was ja auch ein großes Thema war. Ich habe es jetzt nicht mehr verlangt und mache es auch immer noch nicht, aber er hat einen Freund, der immer noch kommt, wenn wir gehen und dann ist mir letztens mal rausgerutscht: "Dann sag Ben noch Tschüs" und er hat es gemacht... Auch bei den Erzieherinnen rutscht es ihm ab und zu mal raus. Also in allen Bereichen positive Veränderungen!


    Danke für die positive Unterstützung! Manchmal kommen einfach soviele Sachen aufeinmal, dass man die einfachsten Dinge nicht mehr sieht und erkennt...


    Nun sind wir noch an einem nächsten Problem, wo sich ja die Geister scheiden: das Trockenwerden. Er ist damit eindeutig spät dran: er ist nun 3,5 Jahre und hat noch immer Windeln an. In dem dreiwöchigem Kita-Urlaub hatten wir versucht, daran zu arbeiten, aber ohne Erfolg. Ich habe es über ein Belohnungssystem versucht: immer wenn er etwas auf der Toilette macht, bekommt er einen Aufkleber und bei einer bestimmten Anzahl darf er sich eine Kleinigkeit aussuchen. Das fand und findet er auch super, aber es führte bisher nicht dazu, dass er von sich aus sagt ich muss auf Toilette, sondern nur dort was macht, wenn ich ihn gezielt hinbringe. Das Problem ist, das er täglich anscheinend ca. 30 Mal Pippi macht. Das heißt, wenn es nicht so häufig wäre, dann würde ich einfach sagen, ich setz ihn alle 2 h auf die Toilette und dann wird das schon. Aber das funktioniert so nicht. Ist es also noch zu früh? Ich bin mir da unsicher... er ist in solchen Sachen auch immer etwas bequem und es ist halt auch einfach wieder eine Veränderung, die er anscheinend nicht so richtig will, wahrscheinlich macht ihm das Unbekannte wieder Angst. Denn er sagt jetzt immer: "ich will aber immer Pampers anziehen"... Was denken Sie? Mein Gefühl sagt mir irgendwie: warte einfach noch ab. Aber natürlich kommt da auch wieder Druck von außen: alle anderen in der Kita haben schon keine mehr, die Erzieherin meinte, es würde jetzt langsam Zeit und alle älteren Leute sind eh der Meinung: früher waren die Kinder schon mit einem Jahr trocken! Ich habe jetzt erstmal wieder einen Gang runter geschaltet, setzt ihn immer wieder auf die Toilette, er bekommt seinen Aufkleber. Aber die Pampers bleiben erstmal an. Aber natürlich wäre ich auch froh, es würde bald klappen.

  • Hallo Verena,


    ich habe Ihre Geschichte etwas mitverfolgt und Ihren Austausch mit Tanja gelesen. Ich bin auch nach dem Ende von Tanjas Urlaub hier im Forum geblieben und beantworte nun gerne Ihre Fragen, bzw. teile Ihnen gerne meine Gedanken mit.
    Ihr Sohn scheint in der Tat ein Junge zu sein, der sehr sensibel ist - und sensibel auf Druck von außen reagiert, was ja immer mit Erwartungen zu tun hat und die können einfach Angst machen, denn was, wenn man die Erwartungen womöglich nicht erfüllen kann?! Da kann man durchaus in eine Art Angststarre verfallen und total blockieren.
    Ich finde es großartig, wie Sie damit umgehen, dass Ihr Sohn offensichtlich besonders sensibel ist und auf Druck/ Erwartungen mit einer Blockade bzw. mit Angst reagiert. Und im Grunde ist es doch so, dass wir oftmals gar keinen Druck aufbauen bräuchten, keine Erwartungen haben müßten, weil das Zusammenleben ohne oftmals leichter wäre, wie Sie es ja nun bei Ihrem Sohn selbst erleben.


    Aber natürlich kommt da auch wieder Druck von außen: alle anderen in der Kita haben schon keine mehr, die Erzieherin meinte, es würde jetzt langsam Zeit


    Beim Lesen war auch mein erster Gedanke, dass Ihr Sohn "spät dran" ist mit dem Trockenwerden. Aber mein zweiter Gedanke war dann: Na und? Dann braucht er an dieser Stelle eben einfach mehr Zeit!
    Wieder sind Sie in einer Situation, in der es um Druck von außen geht, um Durchschnittswerte, um Statistiken, um Erwartungen.... Und wieder zeigt Ihnen Ihr Sohn, dass er sich auf diesen Druck und die damit verbundenen Erwartungen nicht einlassen will und vielleicht auch einfach nicht kann, weil er diesbezüglich sehr feine Antennen hat und eben auf Druck mit Angst und einem Erstarren, Verneinen, Gefrieren und Blockieren reagiert. Ein Belohnungssystem ist eine nette Idee, aber ich habe den Eindruck, dass Ihr Sohn diese "Manipulation" durchschaut, wenn vielleicht auch nicht bewusst. Im Grunde geht es doch beim Belohnen auch nur wieder darum, dass er die Erwartungen erfüllen soll, dass er "funktionieren" soll und dies mit Hilfe eines Tricks. ;)


    Ich denke, das Einzige, was hilft ist auch hier: Nehmen Sie den Druck raus! Und nehmen Sie vor allem auch bei sich selbst den Druck raus. Wie wäre es, zu Hause einfach mal ein Experiment zu machen, natürlich in Absprache mit Ihrem Sohn, und sie geben ihm morgens einfach keine Windel und schauen mit ihm gemeinsam einfach, wie es läuft. Und wenns schief läuft, macht nichts! Probieren, ohne zu erwarten, ohne zu zwingen. Und wenn er nicht will, warten Sie ab. Ich bin mir sicher, dass auch hier der Tag X kommen wird, an dem er sich traut, sich weiter zu entwickeln. ^^


    Ich bin gespannnt, wie Ihre Geschichte weitergeht!
    Alles Gute
    Klara

  • Hallo,


    vielen Dank für Ihre schnelle Antwort!


    Ja, dass er das Belohnungssystem durchschaut, glaube ich auch. Denn auch hier blockiert er immer wieder und sagt dann "ich will aber keinen Aufkleber". Gut, ich habe es jetzt sowieso schon komplett ohne Druck und Erwartung weiter gemacht und wenn er dann auf die Toilette geht, darf er sich einen Aufkleber aussuchen, aber ich erwarte nichts mehr.


    Den Versuch "ohne Windel" haben wir schon gemacht und es ist im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose gegangen ;) Wir hatten keine Windel an, ich hatte ihm gesagt, er soll mir sagen, wenn er Pippi muss, was er auch bejahte. Ich habe dann immer mal wieder nachgefragt, er sagte aber immer, dass er nicht muss. nach ca. 1 h meinte er dann: "Mama, ich glaube die Hose ist schon nass" - 1 Minuten vorher hatte ich noch gefragt. Ich habe dann gesagt: "Das ist nicht schlimm, wir ziehen einfach schnell eine neue an. Das kann jetzt am Anfang passieren, das müssen wir ja erst noch üben". Er war damit auch zufrieden, trotzdem wollte er dann beim Umziehen eigentlich schon wieder eine Pampers anziehen. Ich konnte ihn noch überzeugen, dass wir es nochmal probieren. Eine knappe Stunde später dann der zweite "Unfall". Da es dann eh Abend war, haben wir danach eine Pampers angezogen und uns darauf geeinigt, dass wir es jetzt öfter mal so probieren und immer mal wieder üben. Wenn es nicht klappt, ist es kein Problem, es muss noch nicht klappen. Ich bin gespannt, wann es dann klick macht und denke mir nun: es gibt ja eigentlich keinen gesunden Erwachsenen, der noch mit Windeln rumläuft :D Also wird das schon irgendwann werden ;)


    Sie haben sicher recht, dass er besonders sensibel ist und grundsätzlich finde ich das auch schön! Das hat sehr viele schöne Seiten, aber der Umgang ist auch einfach oft sehr schwierig und vor allem für alle Menschen, die selber nicht so sensibel sind ;) Ich habe da wohl den Vorteil, dass ich mich gut in ihn hineinversetzen kann - zumindest mittlerweile, anfangs dachte ich durch die Außenstehenden, er sei einfach stur und trotzig. Und trotzdem stoße auch ich manchmal an meine Grenzen, weil man natürlich denkt, das könnte jetzt sooo einfach sein, wenn er nicht blockieren würde. Aber seitdem ich weiß, wie er "tickt", ist es schon viel leichter geworden.

  • Liebe Verena,


    ich kann mir gut vorstellen, dass Ihr Sohn Sie auch an Grenzen bringt von denen Sie vielleicht bis dahin nicht einmal so klar und genau wussten, dass Sie diese haben ;)
    Es ist sicherlich eine große Herausforderung, sich immer wieder auf Ihren Sohn einzuschwingen.
    Aber ich denke auch, dass Sie viel von ihm lernen können, da er offenbar ja ganz unmissverständlich Nein zu Erwartungen/ Druck sagt. Ich selbst bin der Überzeugung, dass wir alle immer wieder kritisch prüfen sollten, ob wir nicht mal wieder im Stillen Erwartungen an andere hegen oder selbst versuchen, es anderen einfach "recht zu machen", anstatt bei uns selbst zu bleiben, wirklich echt zu bleiben. Ich finde es wirklich hoch spannend, wie sensibel Ihr Sohn in dieser Hinsicht ist und wie er im Grunde sein Umfeld dadurch dazu bringt - sicherlich unbewusst - sich selbst und seine Haltung zu hinterfragen und kritisch zu reflektieren. ^^


    Was mir etwas Sorgen macht ist, dass es Ihrem Sohn (momentan) so schwer fällt, wahrzunehmen, wann er auf die Toilette muss. Ich kann mir gut vorstellen, dass er dieses Körpergefühl erst erlernen muss. Doch ich frage mich, ob es nicht auch sinnvoll wäre, medizinisch abzuklären oder sich zumindest einmal beraten zu lassen, (dazu müsste Ihr Sohn ja nicht einmal dabei sein), ob diese (noch) fehlende Wahrnehmung des Harndrangs auch andere Ursachen haben könnte.


    Vielleicht wäre es insgesamt und insbesondere im Hinblick auf das "Trockenwerden" gut, mit Ihrem Sohn dessen Körperwahrnehmung mit kleinen Übungen und Spielen zu trainieren. Das kann mit einfachen Übungen aus der "progressiven Muskelentspannung" sein, also ein Kennenlernen wann Muskeln angespannt und wann sie entspannt sind. Auch Kinderyoga wäre eine nette Idee, die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit schult, auch die Koordination und den Gleichgewichtssinn und allgemein das Gefühl für den eigenen Körper.


    Alles Gute wünscht
    Klara

  • Gut, dass Sie das ansprechen. Ehrlich gesagt hatte ich auch schon das Gefühl, dass da auch was nicht stimmen könnte. Aber ich dachte, ich mach mich wieder unnötig verrückt. Er kann schon ganz gezielt Pippi machen und auch mal kurz den Drang anhalten, allerdings macht er meiner Meinung nach viel zu oft. Ich hatte es jetzt darauf geschoben, dass er auch soviel trinkt. Ich habe auch das Gefühl, dass er oft in Etappen macht... werde da mal den Kinderarzt drauf ansprechen. Vielleicht ist er ja wirklich einfach noch nicht soweit, aber vielleicht hat es auch eine andere Ursache. Danke für den Hinweis!

  • Hallo Verena,
    ich wünsche Ihnen alles Gute und auch Ihrem Sohn. Ich denke, es ist sehr wichtig, mit dem Kinderarzt zu besprechen, welche Schwierigkeiten Ihr Sohn hat, denn es kann durchaus sein, dass es sich um eine Erkrankung handelt. So könnte eine bakterielle Infektion (Blasenentzündung oder ähnliches) in Frage kommen, eine Funktionsstörung der beteiligten Muskeln oder sogar eine leichte Diabetes. All das kann und sollte natürlich behandelt werden.
    Vielleicht braucht er auch tatsächlich nur Zeit und er muss das Körpergefühl, wann es Zeit ist, auf die Toilette zu gehen, noch üben und trainieren. Zurückhalten ist eine Sache, zu lange zurückhalten kann schwierig werden. ;) Ich habe etwas recherchiert und es gibt z.B. sogar so genannte "Klingelhosen", mit denen man das wohl gut üben kann.


    Bitte geben Sie doch, wenn Sie möchten natürlich, eine Rückmeldung.


    Herzliche Grüße
    Klara

  • Hallo nochmal!


    Also bezüglich Trockenwerden bin ich nun wieder relativ entspannt. Ich hatte es bei einem Termin beim Kinderarzt erwähnt und er hat es als noch kein Problem dargestellt… Zufällig war zu dem Thema auch kürzlich ein Themenabend in unserer Kita mit einer Fachfrau, die ebenfalls sagte, dass es noch nichts dramatisches ist, wenn ein Kind in dem Alter noch nicht trocken ist. Wenn ein Kind in dem Alter noch kein richtiges Gefühl dafür hat, wann es muss, dann ist es eben noch nicht so weit. Man solle sich nicht verrückt machen und einfach wenig Gedöns drum machen… Also zeig ich mich jetzt noch mal etwas geduldig und weiß jetzt zumindest, das es meist nichts dramatisches ist, wenn es in dem Alter noch nicht klappt.


    Dafür machen mir andere Sachen derzeit wieder extrem Sorgen. Gerade hatten wir richtig gute Fortschritte gemacht. Er hat sich immer öfter sehr schnell in fremden Umgebungen von mir gelöst, wurde viel freier und auch gerade selbstbewusster im Umgang mit anderen Kindern. Dann ist seine Bezugserzieherin in der Kita ausgefallen (und fällt ca. 9 Monate nun wegen Krankheit aus - wenn sie dann überhaupt zurück kommt). Also klammerte er sich an die zweiter Erzieherin in der Gruppe, die auch viel da ist. Das klappt dann auch soweit gut, sofern diese Erzieherin da ist. Leider sind aber derzeit ständig Vertretungen in seiner Gruppe - oder die Kinder werden auf die andern Gruppen aufgeteilt. Beides ist für ihn echt schwierig. Wenn das nur so einmal pro Woche ist, übersteht er es auch gut. Aber wenn das jeden Tag so ist, dann haben wir echte Probleme. Im Moment sind die Wechsel so extrem, dass er nun wieder einen Riesen Aufstand macht, wenn ich in der Kita gehen will - ich komme einfach nicht raus, egal was ich sage und tue… Es muss schon ein Erzieher ihn wirklich festhalten und dann ist das Geschreie groß, so dass es mir fast das Herz zerreißt. Seit dieser Woche klammert er nun auch Zuhause wieder so stark an mir, dass ich keinen Schritt mehr ohne ihn tun kann und es auch schwierig ist, wenn ich z.B. Abends arbeiten gehe und er bei Papa bleibt… Vor allem mit einer Erzieherin, die nun öfter Vertretung macht, kommt er nicht so sonderlich gut klar, obwohl die relativ oft jetzt da ist. Sie ist aber auch im Umgang mit ihm sehr sprunghaft: mal versucht sie ihn leicht zu trösten, dann sagt sie wieder, er soll sich nicht so anstellen… ich finde ihre Art nicht angebracht und gut für ihn, aber ich kann da nicht viel machen, leider ist es die Leiterin der Kita. Sie stellt ihn immer eher als trotzig und stur hin, dabei bin ich mir sicher, dass er ein echtes Problem damit hat… Vielleicht stell ich mich da jetzt auch an, aber mir gefällt das alles so nicht. Ich sehe nur die Rückschritte und ärgere mich darüber total. Gleichzeitig kommen aber auch wieder die Fragen auf, warum er sich damit so extrem schwer tut?!? Alle anderen Kinder in der Gruppe finden es auch nicht so toll, wenn ständig Wechsel ist, aber keins hat damit so Probleme… Ich weiß ja auch, dass die Kita nichts dafür kann, dass da derzeit so Personalmangel ist, deshalb weiß ich auch nicht, wie man es anders lösen könnte. Aber mich nimmt das total mit :(
    Ich versuche schon, durch dann intensive Beschäftigung mit ihm Mittags einen Ausgleich zu schaffen, aber es reicht einfach nicht, um das Chaos in der Kita für ihn erträglicher zu machen.
    Leider ist da auch so schnell noch keine Änderung in Aussicht, da sie auf eine Stellenausschreibung für Halbtags und dazu noch bis Mitten nächsten Jahres befristet natürlich keine Bewerbungen erhielten...

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