Frustrationstoleranz - braucht mein Kind das?

  • Frustrationstoleranz bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, mit Enttäuschungen und Misserfolgen umgehen zu können.


    Diese Fähigkeit gehört zur emotionalen Intelligenz des Menschen und trägt wesentlich dazu bei, dass man als Erwachsener ein gesundes und zufriedenes Leben führen kann. Die Frustrationstoleranz wirkt sich auf wesentliche Bereiche des Lebens wie beispielsweise das soziale Miteinander und den beruflichen Erfolg aus.


    Im Kleinkindalter ist es normal, dass Kinder noch keine Frustrationstoleranz entwickelt haben. In diesem Alter stehen für das Kind noch die eigenen Bedürfnisse und Wünsche im Mittelpunkt. Dies äußert sich dann im - für Eltern oft anstrengenden - Trotzverhalten. Bis zum Eintritt in die Grundschule sollten Kinder jedoch gelernt haben, mit Frustrationen umgehen zu können.


    Eltern können die Frustrationstoleranz der Kinder stärken und fördern.


    Wenn Eltern ihrem Kind keine Enttäuschungen zumuten und sie vor allen negativen Erfahrungen beschützen wollen, lernt es nicht, mit Misserfolgen und negativen Gefühlen umzugehen. Erleben Kinder jedoch auch Enttäuschungen, Kritik und unangenehme Erfahrungen und lernen dabei, dass dies nichts Schlimmes ist, werden sie daran wachsen und sich weiter entwickeln. Sie sind dann für negative Erfahrungen, die zum Leben dazu gehören, gewappnet. Eltern sollen natürlich nicht(!) bewusst und absichtlich ihre Kinder in Not bringen, aber im Alltag gibt es eine ganze Menge Situationen, die dazu geeignet sind, die Entwicklung der Frustrationstoleranz der Kinder zu fördern, weil sie unangenehme Gefühle auslösen:


    • im Spiel mit den Freunden wird nicht das gespielt, was sich das Kind gewünscht hat, sondern ein anderes Spiel
    • das Kind verliert ein Spiel
    • das Kind kann eine gestellte Aufgabe nicht sofort und nicht alleine bewältigen
    • im Supermarkt an der Kasse bekommt das Kind nicht die gewünschte Süßigkeit
    • das Kind möchte etwas erzählen, muss aber warten, weil noch jemand anderes spricht
    • das Kind möchte mit der Mutter spielen, muss aber warten, weil die Mutter noch telefoniert
    • ...


    Besitzt das Kind genügend Frustrationstoleranz wird es mit diesen Situationen gut umgehen können. Hat es jedoch nicht genügend Frustrationstoleranz


    • reagiert es trotzig, wütend, aggressiv, deprimiert, entmutigt,
    • bricht es die Aufgabe/das Spiel ab, beendet das Spiel/die Aufgabe nicht,
    • ist es nicht motiviert, die Aufgabe oder eine vergleichbare Herausforderung noch einmal zu versuchen,
    • spielt es nicht mehr mit den Kindern, weil nicht das gespielt wird, was es möchte,
    • redet es dazwischen obwohl es noch nicht an der Reihe ist
    • ...


    Spätestens in der Schule führen diese Verhaltensweisen zu Problemen hinsichtlich der Leistungsmotivation und im Kontakt zu Lehrern und Mitschülern.


    Was können Eltern tun?


    • Stellen Sie Ihrem Kind Aufgaben (Mithilfe im Haushalt) und achten Sie darauf, dass die Aufgaben erledigt werden, auch wenn dies keinen Spaß macht.
    • Erfüllen Sie nicht jeden Wunsch (Süßigkeiten, Spielzeug,...)sofort.
    • Reagieren Sie nicht immer sofort, wenn das Kind ein Bedürfnis äußert. Die begonne Aufgabe darf ruhig beendet werden.
    • Lassen Sie das Kind beim Spiel nicht immer absichtlich gewinnen.
    • Lassen Sie nicht zu, dass das Kind die Spielregeln zu seinen Gunsten verändert, sobald es merkt, dass es zu verlieren droht.
    • Kritisieren Sie unangemessenes Verhalten offen. Achten Sie aber darauf, dass Sie nur das Verhalten kritisieren, nicht die Persönlichkeit.
    • Erzählen Sie dem Kind, dass Sie solche unangenehmen Gefühle auch kennen und dass diese normal sind.
    • Und wie so oft in der Erziehung: GEHEN SIE MIT GUTEM BEISPIEL VORAN! (Wenn Sie selbst das Brett vom Tisch fegen, wenn Sie verlieren,... :S !)



    Einen gelassenen Umgang mit Frust wünscht


    Anne

  • Ein "gesundes" Maß an Frustrationstoleranz und Kritikfähigkeit ist geradezu essentiell.

    Diese Fähigkeit gehört zur emotionalen Intelligenz des Menschen und trägt wesentlich dazu bei, dass man als Erwachsener ein gesundes und zufriedenes Leben führen kann. Die Frustrationstoleranz wirkt sich auf wesentliche Bereiche des Lebens wie beispielsweise das soziale Miteinander und den beruflichen Erfolg aus.

    Dies bereits im Kindesalter zu üben und gemeinsam mit dem Kind zu entwickeln, erspart und vermeidet Kränkungen und emotionale Verletzungen ebenso wie Aggressionen und Wut.
    Wichtig ist beim Vorleben und beim "Mit gutem Beispiel voran gehen" die Art und Weise, wie Kritik geäußert wird. Die goldene Regel lautet hierbei, grundsätzlich nur das "Fehlverhalten" zu kritisieren und nicht den Menschen, die Person an sich, ganz nach dem Motto: "Irren ist menschlich". Dies sollte gegebenenfalls ausdrücklich betont werden.


    In meiner beruflichen Tätigkeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen fällt mir leider sehr häufig auf, welch große Schwierigkeiten zahlreiche von ihnen haben, Kritik sachlich und wertschätzend (ohne Beleidigungen und demütigende, verletzende Worte, die auf die gesamte Person abzielen) zu äußern und vor allem, Kritik konstruktiv und produktiv anzunehmen.
    Die Tendenz, die ich beobachte, ist bedauerlicherweise, dass Kritik allzu schnell als persönlicher Angriff gewertet wird und damit unbeabsichtigterweise verletzend wirkt.
    So versuche ich gezielt, Frustrationstoleranz und auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion (Selbstwahrnehmung) mit diesen jungen Menschen zu üben, was natürlich aufgrund des schon fortgeschrittenen Alters sehr viel Fingerspitzengefühl und Geduld erfordert.


    Ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz, Kritikfähigkeit und die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion ist für mich die Basis für ein erfülltes, glückliches Leben.
    Ich kann Sie also ebenfalls nur ermuntern, dies tagtäglich vorzuleben und gemeinsam mit Ihren Kindern zu üben und zu trainieren.

  • Hallo,


    ich habe einen Sohn, der seit 3 Jahren begeistert Fußball spielt. Nun ist er seit geraumer Zeit Torwart und macht seine Sache auch recht gut. Leider gibt er auf, sobald in einem Spiel mehrere Bälle an ihm vorbeikommen und hält dann auch für ihn sonst gut erreichbare Bälle nicht mehr auf ....
    Gespräche fruchten dann nicht - und mit mir schon gar nicht.
    Haben Sie eine Idee, wie ich ihm beibringen kann, immer nach vorn zu schauen und weiter zu kämpfen, auch wenn die andere Mannschaft stärker ist?


    LG


    Andrea

  • Hallo a79,


    Sie stellen da eine sehr interessante Frage, vor allem, weil Sie sich sicher sind, dass Ihr Sohn sehr begeistert ist vom Fußballspielen.
    Zum Einen denke ich, dass es die Aufgabe eines guten Trainers sein sollte, seine Schützlinge entsprechend zu motivieren, ihnen Mut zu machen, sie zum Kämpfen anzuspornen, zum Anderen frage ich mich, ob Ihr Sohn mit seiner Rolle als Torwart wirklich so glücklich ist. So wie Sie schreiben, scheint mir, er hatte zuvor eine andere Aufgabe im Team. Vielleicht gefällt ihm die Rolle des Torwarts gar nicht so sehr oder er hat inzwischen gemerkt, dass das doch nicht so sein Ding ist?!


    Vielleicht ist Ihr Sohn aber auch tatsächlich momentan nicht in der Lage, mit dem Frust, der bei ihm entsteht, wenn er einen Ball nicht halten kann, umzugehen und gibt dann auf, weil er ja dann ohnehin schon "versagt" hat?! Er ist damit also seinen eigenen Erwartungen an sich selbst nicht gerecht geworden.


    Ich denke, Sie sollten in Kontakt mit Ihrem Sohn treten und mit ihm in Ruhe über Ihre Beobachtungen sprechen und ihm auch mitteilen, dass Sie sich Sorgen machen, was mit ihm los ist. Und wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie nicht die richtige Person für dieses Gespräch sind, dann stellt sich mir die Frage, ob nicht der Vater ein Gesprächspartner sein kann.
    Man darf nicht vergessen, dass Fußball der Inbegriff des "Männersports" ist und ich persönlich finde ja, dass Fußball auch ein sehr aggressiver Sport ist und diesen Aggressionen und dem Druck muss man auch standhalten können und wollen. Fußball ist im Grunde ein Inbegriff von "Männlichkeit", hier wird ein Klischee von Männlichkeit gelebt und aufrecht erhalten. (Stärke, Kampfgeist, Unerbittlichkeit, Härte, Stolz, Ehre...) Fußball ist nichts für "Sensibelchen", nichts für "Weicheier"... - Verzweiflung, Selbstzweifel, Versagensängste etc. all das zeigt man hier wohl eher nicht oder sollte dies nicht zeigen, denn dies bedeutet Schwäche und das ist im Sinne des Geschlechterrollenklischees unmännlich.


    Ich bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht.


    Alles Gute
    Klara

  • Hallo Andrea,


    Haben Sie eine Idee, wie ich ihm beibringen kann, immer nach vorn zu schauen und weiter zu kämpfen, auch wenn die andere Mannschaft stärker ist?


    ich finde das eine grundsätzlich sehr gute Haltung, die Sie ihrem Sohn da beibringen wollen, denn nach vorne zu schauen und nicht aufzugeben ist etwas, was ein Mensch nicht nur im sportlichen Wettkampf gut gebrauchen kann, sondern generell hilfreich ist :thumbup: .

    Wie sieht es denn sonst mit der Frustrationstoleranz Ihres Sohnes aus? Zeigt er dieses "Resignieren" vor allem beim Fußball oder verliert er auch sonst schnell die Lust und den Ehrgeiz, wenn etwas nicht so gut läuft? Und wie reagiert die Mannschaft darauf, dass er dann auch vermeintlich leichte Bälle durchgehen lässt?

    Haben Sie ihn in ihren Gesprächen schon mal danach gefragt, was dann in ihm vorgeht? Was erzählt er, welches Gefühl es in ihm auslöst, wenn er mehrere Tore kassiert. Ich denke, je nach dem, was er darüber äußert, wäre der Ansatzpunkt, um mit ihm ins Gespräch zu kommen und ihm Tipps zu geben, wie er mit diesem Gefühl anders umgehen kann.

    Vielleicht ist es auch sinnvoll, das Thema tatsächlich eher grundsätzlich anzusprechen. Sie könnten Ihrem Sohn z.B. erzählen, wie sie mit Situationen umgehen, in denen es nicht so gut läuft. Vielleicht ist es leichter für ihn, mit Ihnen darüber zu sprechen, wenn es nicht speziell um Fußball geht.


    Anne

  • Hallo Klara, hallo Anne,


    ich glaube, Sie haben da schon den Nagel auf den Kopf getroffen:
    "Vielleicht ist Ihr Sohn aber auch tatsächlich momentan nicht in der Lage, mit dem Frust, der bei ihm entsteht, wenn er einen Ball nicht halten kann, umzugehen und gibt dann auf, weil er ja dann ohnehin schon "versagt" hat?! Er ist damit also seinen eigenen Erwartungen an sich selbst nicht gerecht geworden." (Zitat Klara)


    Er stellt an sich selbst sehr hohe Erwartungen, sowohl im Sport als auch im schulischen Bereich. Bereits in der ersten Klasse hat die Lehrerin mit ihm daran gearbeitet, mehr Frustrationstoleranz zu entwickeln und diese Entwicklung war und ist auch erkennbar. Früher hätte er z.B., wenn er eine Aufgabe nicht versteht oder Angst hat, sie falsch zu machen, gar nicht erst angefangen. Heute beginnt er selbstständig und wir haben vereinbart, dass er, wenn er gerade nicht weiterkommt und sich auch nichts erklären lassen möchte, eine kleine Pause einlegt und es später noch einmal in Ruhe versucht. Meistens ist er dann wieder aufnahmebereiter und auch Erklärungen von mir oder meinem Mann wieder zugänglicher. In diesen Situationen kommt er also mittlerweile ganz gut zurecht.


    Im Sport ist das schwieriger. Er ist bereits seit fast 2 Jahren Torwart. Anfangs hatte er sich das sehr gewünscht und die Trainer bekniet, sie mögen ihn ins Tor stellen. Nun sind wir vor 3 Monaten in ein anderes Bundesland gezogen und er spielt in einem neuen Verein. Dort wurde zufällig auch ein Torwart gesucht und die Trainier fragten ihn, ob er das machen wolle. Er hat sich dazu bereiterklärt. Ich muss sicher nicht dazu sagen, dass wir ihn nicht gedrängt haben und ihm diese Entscheidung selbst überlassen haben. Seine ursprüngliche Idee war es gewesen, nun erstmal Feldspieler zu sein und evtl. Ersatztorwart.
    Vielleicht ist das auch jetzt noch das, was er insgeheim lieber machen würde. Da werde ich in einer ruhigen Minute mal mit ihm drüber sprechen. Mir ist wichtig, dass ihm der Spass am Sport erhalten bleibt. Eines ist klar: der Torwart hat immer viel Verantwortung, weil hier ein "Fehler des Einzelnen" mehr gewertet wird als bei der Gesamtheit der Feldspieler. Seine Mannschaft ist schon ein gutes Stück besser als die frühere Mannschaft. Und wenn er nicht gut hält, sagen ihm das seine Mitspieler ebenso, wie wenn er einen Ball sehr gut gehalten hat. Dennoch nimmt er es sich immer sehr zu Herzen, wenn Mitspieler ihn kritisieren, bei den Trainern findet er das nicht so schlimm, nimmt aber Verbesserungsvorschläge auch nicht immer an (mir sagt er dann, er könne das schon). Mir gegenüber streitet er häufig jegliche Fehler ab und behauptet, er habe sich bestmöglich angestrengt (selbst wenn deutlich sichtbar war, dass er bei ankommenden Bällen nicht mehr oder nur noch lustlos reagiert hat).
    Ich glaube, es fällt ihm schwer, sich selbst und auch uns gegenüber einzugestehen, dass auch er nicht frei von Fehlern ist und auch von anderen lernen könnte. Auf der anderen Seite sieht er auch nicht, wenn seine Mannschaft sich im Spiel für ihn einsetzt und ihm den Torraum so gut wie möglich freihält. Für ihn heißt eine Niederlage immer, dass die Mannschaft ihn nicht unterstützt hat (kommt auch mal vor - wir haben alle mal gute und schlechte Tage - aber grundsätzlich sind die Spieler sehr engagiert und würden sich ein Bein ausreißen, um keinen Ball vorbei zu lassen).
    Er nimmt viele Dinge persönlich.


    Von meinen eigenen Erfahrungen zu berichten, hilft ihm nur bedingt. Es kommt durchaus vor, dass er sowas gar nicht hören möchte und nur abwinkt, wenn ich von ähnlichen Situationen erzähle. Unter Umständen wäre mein Mann da tatsächlich der bessere Ansprechpartner. Meistens hört er ihm da mehr zu - vielleicht kann er sich mit ihm als Mann besser identifizieren.


    Was mich beim Fußball immer wieder wundert, ist, dass diese "Resignation" immer nur auf das laufende Spiel beschränkt ist und er sich dennoch immer und immer wieder ins Tor stellt. Er hat noch nie vor einem Spiel gesagt, dass er nach der letzten Niederlage nicht mehr ins Tor möchte oder Anstalten gemacht, dass er deswegen an seinen Fähigkeiten zweifeln würde (außer direkt nach dem verlorenen Spiel - das vergeht aber meist schnell wieder)...


    Gestern habe ich versucht, ihm zu erklären, dass es von ihm zumindest nicht fair war, die Mitarbeit im Tor einzustellen, nur weil ein paar Bälle reingegangen sind, weil er damit ja nicht nur für sich aufgibt sondern auch seine Mannschaft hängenlässt. Er hat sich auch kurz vor Spielende wieder gefangen und weitergemacht. Dennoch hat er nach Spielende erstmal bitterlich geweint, was mir natürlich auch leid tut als Mutter.


    Beim Fußball gewinnt man gemeinsam als Team und verliert auch gemeinsam als Team - zumindest versuchen wir, ihm das zu vermitteln und auch die Trainer arbeiten danach. So richtig angekommen ist das bei ihm aber - so mein Eindruck- noch nicht. Gerade, weil er manchmal ein wenig Einzelkämpfer ist, unterstützen wir ihn in dieser Mannschaftssportart, in der Hoffnung, dass er daraus für sich mitnehmen kann, was "Teamgeist" bedeutet und soziales Miteinander.


    Vielen Dank für Ihre Antworten!


    a79

  • Hallo Klara und Anne,


    ich habe Ihre Empfehlung, das Gespräch mit meinem Sohn zu suchen, wahrgenommen. Die Gelegenheit ergab sich heute Morgen beim Frühstück mit ihm allein.
    Zunächst habe ich ihn darauf hingewiesen, dass ja heute Nachmittag wieder Fußballtraining ist und nachgefragt, ob die Trainier mit den Jungs vorangegangene Spiele nochmal ansprechen, was sie wohl manchmal tun.
    Er sagt, die Trainier besprechen dann, was gut war und was nicht, jedoch nicht auf einzelne Spieler sondern auf die ganze Mannschaft bezogen.
    Auf meine Frage hin, wie er das letzte Spiel einschätzt, sagt er, er findet, die Mannschaft habe das nicht so gut gemacht, weil sie nur wenig Pässe gespielt und nicht oft das Tor getroffen haben. Daraufhin habe ich gefragt, ob denn die Trainer nach dem Spiel die Spieler gelobt oder geschimpft hätten - sie haben gelobt (einen Teil habe ich ja selbst mitbekommen). Dafür, dass sich alle sehr eingesetzt und gekämpft haben. Mein Sohn hatte das selbst ganz anders wahrgenommen.
    Ich habe ihm daraufhin erzählt, was ich bei ihm gesehen habe (nach einigen reingelassenen Toren keine Bemühungen mehr, leichte Bälle abzuwehren) und dass ich den Eindruck hatte, er sei sehr traurig und enttäuscht, dass schon so viele Bälle reingegangen waren und habe selbst nicht mehr daran geglaubt, noch Tore verhindern zu können.
    Das hat er mir so bestätigt, leicht ist es ihm nicht gefallen.
    Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass, wenn der Kopf denkt, etwas nicht (mehr) zu schaffen, auch Arme und Beine ihren Dienst (hier bei der Abwehr des Balles) nicht mehr so gut tun können und es daher wichtig ist, immer nur den nächsten ankommenden Ball im Kopf zu haben, den man wieder halten könnte, statt an die vorher bereits nicht gehaltenen zu denken. Und dass es keine Schande ist, gegen einen guten Gegner zu verlieren, wenn jeder sein Möglichstes gegeben hat, denn so verdient man sich Respekt vom Gegner (die anderen Trainer und Eltern haben lobend erwähnt, dass die Mannschaft gut dagegengehalten habe - trotz des negativen Spielresultats). Sich selbst aufzugeben (als Torwart) bedeutet, seine Mannschaft im Stich zu lassen, denn seine Mannschaft hat, so habe ich ihm klarzumachen versucht, so gut wie möglich versucht, ihm als Torwart die Bälle vom Tor fernzuhalten, auch wenn trotzdem welche reingegangen sind.
    Ich habe ihn gefragt, wie ihm das Spiel im Tor gefällt und ob er sich immer noch wünsche, auch mal Feldspieler zu sein (was er vor unserem Umzug mal so erwähnte). Die Antwort kam prompt und eindeutig: Er will Torwart sein und nicht Feldspieler und fühlt sich wohl im Tor!


    Auch ich habe beim letzten Spiel den Fehler gemacht, mich einzumischen und meinem Sohn zu sagen, er solle sich mehr anstrengen (weil ich ja sah, wie er resignierte), woraufhin er total dicht machte. War ja auch nciht meine Aufgabe sondern die des Trainers. Das habe ich eingesehen und ihm so gesagt.
    Wir haben ein Abkommen getroffen:
    Er gibt sein Bestes und versucht, sich für seine Mannschaft im Tor stark zu machen, auch wenn der Gegner stärker ist - und ich unterlasse im Gegenzug Bemerkungen/Zurufe u.ä. während des Spiels (er hat daraufhin gemeint, das habe ihn schon sehr gestört...und er hat ja Recht...und ich wollte im Übrigen nie so eine keifende Mutter am Spielfeldrand sein :thumbdown: ).


    Von daher kann ich sagen, haben wir sicher einen Schritt in die richtige Richtung getan. Mein Sohn war nach dem Gespräch auch recht aufgeräumt, sagte mir, wie lieb er mich habe (nur wenn ich mich während des Spiels so einmischte, sei es etwas weniger :P )...


    Danke für Ihre Ratschläge - mal sehen, wie das letzte Spiel nächstes Wochenende für meinen Sohn wird (wieder sehr starker Gegner, Niederlage zu erwarten).


    LG


    a79

  • Hallo a79.


    ich finde es großartig, dass Sie das Gespräch mit Ihrem Sohn gesucht haben und es klingt sehr gut, wie es dann auch gelaufen ist. Besonders gefällt mir, wie offen Sie selbst im Gespräch waren und geblieben sind, dass Sie selbst auch Fehler eingestehen konnten. Ich denke auch, Sie sind da auf einem sehr guten gemeinsamen Weg.

    Von daher kann ich sagen, haben wir sicher einen Schritt in die richtige Richtung getan. Mein Sohn war nach dem Gespräch auch recht aufgeräumt, sagte mir, wie lieb er mich habe (nur wenn ich mich während des Spiels so einmischte, sei es etwas weniger :P )...

    So wie Sie Ihren Sohn beschreiben, klingt das ganz nach einem Jungen, der unglaublich gerne "perfekt" wäre, also einen ausgeprägten Hang zum Perfektionismus hat. Natürlich hat das mit Nachholbedarf an Frustrationstoleranz zu tun, doch klingt es doch im Grunde angenehmer und einfacher anzunehmen, wenn man von Perfektionismus spricht ;) . Und der kann einem ja in der Tat unglaublich im Wege stehen.
    Ich weiß nicht, warum Ihr Sohn solche Angst davor hat, Fehler zu machen. Sie schreiben ja, dass er selbst betont, dass er sein Bestes gegeben hat, dass er sich sehr angestrengt hat. Das klingt ja regelrecht nach Rechtfertigung und Verteidigungs-Modus. Und ich denke, dass ist ein Knackpunkt.
    Da strengen wir uns an und geben alles, was wir können und dann reicht es trotzdem nicht. Dabei geht es ja nicht darum, dass wir weniger wert sind, wenn wir nicht "perfekt" sind, wenn wir nicht alle Vorgaben vorbildlich erfüllt haben. Diese Angst, zu versagen (und das Gefühl, zu versagen fängt ja in dem Fall schon sehr schnell und früh an) lähmt dann und blockiert.
    Niemand wird als perfekter Torwart geboren, der alle Bälle halten kann. Je mehr wir üben und je länger wir üben und unsere Erfahrungen sammeln, umso besser gelingen uns Aufgaben und umso besser können wir mit Herausforderungen umgehen. Aber genau die Fehler, die kleinen Misserfolge sind es doch, die uns anspornen, uns zu verbessern, die uns Mut machen und unseren Willen stärken, uns weiter zu entwickeln.


    Ich bin gespannt, wie das Gespräch mit Ihrem Mann verläuft und wie insgesamt die Geschichte weitergeht.
    Alles wird gut, das denke ich auch ;)
    Herzlichst
    Klara

  • Hallo zusammen,
    heute erzählte mir mein Sohn auf meine Nachfrage, wie es in der Schule so gewesen sei, dass er dort geärgert werde. Wie sich herausstellte, sind es 3 Jungs aus seiner eigenen Fußballmannschaft, die ihm seit Montag (also quasi seit dem letzten Fußballspiel, von dem ich bereits berichtete) das Leben schwer machen. Fast in jeder Pause, so erzählte er mir, sind die Jungs hinter ihm her, geben ihm die Schuld, dass das Spiel verloren ging. Natürlich habe ich ihm gesagt, dass es NICHT seine Schuld war (es waren ja noch weitere 4 Spieler beteiligt und die Gegner mit unseren Fähigkeiten schlicht und ergreifend nicht zu schlagen)...und er sagt, das wisse er auch. Die letzten Tage hat er einiges unternommen, um seinem Problem mit den Jungs Herr zu werden: Ignoriert er sie, wird er nach eigenen Angaben getreten, läuft er weg, heften sie sich an seine Fersen. Bisher hat er es, so sagte er, mit Ignorieren oder weglaufen versucht oder er geht in die Nähe der Aufsicht, da sie ihn dann auch in Ruhe lassen. Andere Kinder seien immer in der Nähe gewesen, seien aber nicht eingeschritten.


    Ich habe ihm jetzt gesagt, er solle nicht mehr weglaufen sondern a) versuchen mit den Jungs zu reden - hat er schon, hat nicht geklappt, b) sich an die Aufsicht wenden, wenn sie handgreiflich werden oder im schlimmsten Fall (wenn gerade niemand in der Nähe ist, der helfen könnte) sich wehren.
    Des weiteren habe ich ihm ans Herz gelegt, auch mit seinem Trainer darüber zu sprechen, da die Jungs gegen eigene Teammitglieder (meinen Sohn) vorgehen. Der fehlende Teamgeist scheint mir hier wichtig zu thematisieren (man gewinnt gemeinsam, man verliert gemeinsam...man trainiert gemeinsam - damit es das Zusammenspiel und auch das Spiel der Einzelnen besser wird). Außerdem - es ist ein SPIEL und die Kinder sind erst 6-8 Jahre alt! Wenn es jetzt schon SO zugeht, wie soll das erst in ein paar Jahren aussehen?


    Außerdem bin ich der Meinung, dass es ihm helfen würde (mal abgesehen davon, dass ich mich KEINESFALLS mehr in ein laufendes Spiel einmischen darf, so dass die Jungs es mitbekommen und ihn noch mehr hänseln...), an seinem Selbstbewusstsein zu arbeiten - ich weiß nur nicht genau, wie....


    Haben Sie Tipps für mich? Ich habe ein wenig die Befürchtung, dass hier ein Problem heranwächst, das bereits im Keim angegangen werden muss, damit es nicht wirklich zu einem wird.


    LG


    a79

  • Hallo a79,

    ich war geschockt, als ich gelesen habe, was da mit Ihrem Jungen geschehen ist. Mir scheint, da mangelt es den anderen Jungs ganz gewaltig an Frustrationstoleranz. Ich frage mich auch, welche Stimmung in der Mannschaft herrscht, dass dort so ein Druck aufgebaut ist, unbedingt gewinnen zu müssen :thumbdown:


    Ich finde es absolut richtig, in die Offensive zu gehen. Ein Gespräch sowohl mit dem Trainer der Mannschaft als auch mit dem Lehrer in der Schule sollte geführt werden, denn das Ganze spielt sich ja in der Schule ab und somit ist auch die Schule gefordert und nicht nur der Trainer.


    Außerdem bin ich der Meinung, dass es ihm helfen würde (mal abgesehen davon, dass ich mich KEINESFALLS mehr in ein laufendes Spiel einmischen darf, so dass die Jungs es mitbekommen und ihn noch mehr hänseln...), an seinem Selbstbewusstsein zu arbeiten - ich weiß nur nicht genau, wie....

    Ein guter Gedanke! Sie können sein Selbstbewusstsein stärken, indem Sie ihn ermutigen: Ermutigen, nicht Opfer zu sein, sondern aktiv zu werden und sich zu wehren. Ihm bestätigen, dass er ein toller Sportler ist, auch wenn er mal einen Ball nicht hält. Ihm sagen und zeigen, dass er ein liebenswerter und wichtiger Mensch ist. Ihm deutlich machen, dass Sie hinter ihm stehen.


    Ich denke wie Sie auch, dass es wichtig und richtig ist, sofort zu reagieren, um solche Verhaltensweisen im Keim zu ersticken und von Anfang an das Signal zu setzen: "Ich lasse das nicht mit mir machen!".

    Ihr Sohn scheint ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen zu haben. Nicht alle Kinder erzählen ihren Eltern, wenn sie in der Schule gemobbt werden, weil es ihnen unangenehm ist. Schön, dass Sie so ein gutes Verhältnis haben und ihm dadurch in dieser Situation helfen können.

    Ich wünsche Ihnen und Ihrem Sohn, dass Sie einen guten Weg finden und er zukünftig nicht mehr gemobbt wird. Ich würde mich freuen, wieder von Ihnen zu lesen.

    Anne

  • Hallo Anne,


    danke für die ermutigenden Worte.
    Mein Sohn ist tatsächlich allein zum Trainer gegangen beim nächsten Training (ich war nicht dabei - war wohl auch besser so) und hat ihm davon erzählt. Der Trainer hat es mit der Mannschaft angesprochen und seither scheint es besser zu sein. Zumindest berichtet mein Sohn auf Nachfrage in dem Sinne.
    Mir sagte der Trainer, dass solche Zwischenfälle in der Art, wie sie mein Sohn passiert sind, leider immer wieder mal in allen Altersstufen anzutreffen sind und er ein Auge darauf haben werde.
    Das letzte Spiel der Sommersaison war letzte Woche, sie haben verloren aber gut gekämpft dabei (und auch nur mit zwei Toren Unterschied verloren). Die Stimmung kommt mir auch beim Training lockerer vor.
    Gerade hat mein Sohn einen Teamkameraden zum Spielen hier -auch das scheint sich also zu entwickeln.
    Die Lehrerschaft wurde nicht eingeweiht - auf jeden Fall hat mein Sohn nichts davon erzählt. Da jedoch nächsten Monat Elternsprechtag ist, werde ich einfach mal bei der Klassenlehrerin anfragen, wie sich mein Sohn generell in der Klasse macht und wie sie Stimmung und Kontakte so wahrnimmt, evtl. werde ich auch kurz über die Gegebenheiten auf dem Schulhof berichten. Mal sehen, was sie sagt. Daraus lässt sich sicher schon eine Menge ableiten.


    LG und danke für Ihren Rat.


    a79

  • Hallo a79,

    es freut mich, zu lesen, dass es eine positive Veränderung gibt und dass die Situation sich nicht weiter zugespitzt hat. Ich finde, Sie können sehr stolz auf Ihren Sohn sein, dass er so mutig und selbständig die Initiative ergriffen und mit dem Trainer gesprochen hat. Und Sie können auch stolz auf sich selbst sein, denn Ihre Erziehung hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass er das so gut hinbekommen hat :thumbup: .

    Alles Gute weiterhin wünscht

    Anne

  • Hallo a79,


    ich finde es fantastisch, wie sich Ihr Sohn entwickelt und mit wie viel Mut er die Situation mit dem Mobbing und den Bedrohungen selbst in die Hand nimmt. Ich kann auch nur sagen, hier dürfen Sie sehr stolz auf Ihren Sohn sein.
    Da er so viel Eigeninitiative und vor allem Mut zeigt, würde ich allerdings mit ihm im Vorfeld darüber sprechen, was den Elternsprechtag betrifft. Sprechen Sie ihn doch einfach darauf an, dass Ihnen diese Vorfälle in der Schule sehr zu Denken geben und dass Sie sich gerade überlegen, dass Sie die Klassenlehrerin einweihen wollen. Dies ohne Wissen Ihres Sohnes zu machen, kann unter Umständen kontraproduktive Auswirkungen haben. Stellen Sie sich vor, Ihr Sohn weiß von Ihrem Vorhaben nichts und dann spricht ihn womöglich die Klassenlehrerin darauf an. Also weihen Sie ihn ein, dass Sie das ansprechen wollen, weil Sie so ein Verhalten von Mitschülern sehr gefährlich finden und dass Sie damit nicht nur ihn, sondern auch andere Kinder schützen wollen.


    Ich bin sehr gespannt, wie sich Ihr Sohn weiter entwickelt. Es scheint gerade so, als
    hätte er diese Krise durchleben müssen, um nun sein neues Selbstbewusstsein zu entdecken und zu entwickeln. ;) Er übernimmt Verantwortung für sich und zieht Sie als Mutter ins Vertrauen. Das ist toll! Seien Sie stolz auf Ihren Sohn und auch auf sich!


    Weiterhin alles Gute wünscht
    Klara

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