Fehler in Erziehung korrigieren

  • Hallo Zusammen,


    ich habe vor ein paar Monaten bereits von meinem 19 jährigen Sohn berichtet, der gerade dabei ist, seine dritte schulische Ausbildung abzubrechen. Das ist nur wegen Corona momentan nicht möglich.
    Dani hat mir geantwortet, dass sein Verhalten mit seiner Angsterkrankung zu tun haben könnte. Ich versuche also mir nicht mehr sooo viele Sorgen zu machen und zu hoffen, dass er seinen Weg machen wird.
    Allerdings habe ich aufgrund seiner Angsterkrankung scheinbar in seiner Erziehung alles falsch gemacht. Ich habe ihm vieles abgenommen, was ich jetzt versuche zu korrigieren.
    Dazu gebe ich mal ein paar Beispiele: Er duscht, anschließend schwimmt das Badezimmer, die Handtücher und die dreckige Wäsche liegen auf der Erde rum. Da wir wegen der Angst immer nur Sorgen hatten, habe ich also stillschweigend alles weggeräumt.
    Genauso ist es mit Wasserflaschen. Mein Sohn benutzt unser Leitungswasser nicht. Wenn er seine Zähne putzt, macht er sich eine Flasche Wasser auf, spült mit dem Wasser den Mund aus und stellt die Flasche irgendwo in der Nähe des Badezimmers ab. Den Rest aus der Flasche trinken, würde er nicht.
    Taschentücher dürfen nur an einer bestimmten Stelle stehen damit er sie benutzt. Dann geht er dort hin, benutzt sie oder nimmt ein Tuch, um sich den Mund abzuwischen und lässt die Tücher genau dort liegen.
    Das passiert mit allem. Durch seine Angsterkrankung war ich selbst auch psychisch so angeknackst, dass ich nicht die Kraft hatte, mit ihm auszudiskutieren, wie er sich hier zu verhalten hat. Um nicht noch mehr Streit in der Familie zu haben, (weil mein Mann das Benehmen nicht so hinnehmen wollte), habe ich agiert. Alles gemacht, um nur etwas Ruhe zu haben.
    Jetzt ist die Angst meines Sohnes irgendwie in den Hintergrund getreten (obwohl Corona und er Angst vor einer Ansteckung haben könnte/Müsste).
    Allerdings sieht es hier zu Hause nun aus wie auf einer Müllhalde und ich versuche, dagegen etwas zu tun. Obwohl ich den Streit, der entsteht kaum aushalten kann.
    Wäsche wasche ich schon länger nicht mehr und aus seinem Zimmer räume ich auch selten etwas (dreckiges Geschirr dann doch manchmal).
    Aber sonst räume ich hinter ihm her, weil man sonst niemanden reinlassen könnte und ärgere mich - am meisten über mich selbst.
    Hat jemand eine Idee, wie ich meinem Sohn das Hotel Mama so schlecht wie möglich machen kann?
    Am liebsten hätte ich, dass er ausziehen würde und dann in seinem Chaos leben kann, aber wie bereits geschrieben, er hat keine Ausbildung und wir sind unterhaltspflichtig für ihn....
    Danke für hoffentlich ein paar Anregungen.


    Schöne Grüße
    Peti

  • Hallo, liebe Peti! :)


    Oje, das klingt mühsam!


    Macht er wirklich GAR NICHTS? Also versucht er auch nicht, sich etwas zu bessern, wenn ihm direkt gesagt wird, was erwartet wird? Versucht er dann wenigstens ein wenig, euch entgegenzukommen? Euch zuliebe? Also hast du das Gefühl, es wäre generell Potential da?


    *Weiß* er, wie man Ordnung hält? Musste er es je tun?


    Alles Liebe,


    Dani

  • Hallo Dani,


    schön, dass Du dich meldest.
    Mein Sohn macht wirklich Garnichts. Er schließt nicht mal den Schrank nachdem er sich ein Duschhandtuch genommen hat. Man kann sich das überhaupt nicht vorstellen.
    Die meiste Zeit war/bin ich so resigniert, dass ich es selbst alles mache nur um nicht diskutieren zu müssen.
    Mein Mann ist da anders. Zum Beispiel liegen seit einer Woche Unterlagen meines Sohnes auf dem Esstisch, die er nicht mehr braucht und wegräumen könnte. Mein Mann hat am ersten Tag gesagt, dass er es tun möchte, dann am 2. Tag noch einmal. Passiert ist nichts.
    Jetzt hat mein Mann die Fernbedienung vom Fernseher weg geräumt, so dass mein Sohn bei Langerweile kein Fernseh gucken könnte.
    Er nimmt das so hin, macht dann eben was anderes.
    Von der Wäsche hatte ich ja schon geschrieben. Da bin ich weiterhin konsequent. Mittlerweile quillt der Wäschekorb in seinem Zimmer über. Er wäscht einfach nicht. Zieht eben schmutzige Sachen mehrfach an (das wäre früher während seiner Angstphasen nicht gegangen).
    Gestern hat er spät am Abend geduscht. Ich habe ihn gebeten, das Badezimmer hinterher aufzuräumen.
    Das hat er natürlich wieder nicht gemacht. Mittlerweile bin ich einfach nur noch wütend.
    Also habe ich alles genommen, was auf der Erde lag und in sein Zimmer geschmissen.
    Kindisch von mir, aber ich kann da nicht anders.
    Im Moment sitze ich im Homeoffice und mein Sohn macht ne Radtour. Eben hat er mich angerufen, gefragt, ob ich Zeit habe und kurz in den Nachbarort kommen könnte, um ihm ne Flasche Wasser zu bringen.
    Hab ziemlich unfreundlich nein gesagt und aufgelegt.
    Er denkt ich mache schon was er möchte, aber er macht nichts!!!!
    Ich denke, er weiß wie man Ordnung hält. Nur machen mußte er es nie wirklich selbst, weil ich ja immer hinter ihm hergeräumt habe.
    Dass er uns zuliebe irgendentwas macht, glaube ich nicht.
    Die Fronten sind im Moment so verhärtet, weil wir wegen dem erneuten Abbruch der Ausbildung so enttäuscht sind und ihm das auch offen gezeigt haben bzw. die finanzielle Unterstützung gekürzt haben.


    Was denkst Du und natürlich alle anderen. Kann ich sein Verhalten noch in die richtigen Bahnen lenken?
    Schöne Grüße
    Peti

  • Hallo! :)


    Ich denke, DU kannst ihm stetig rückmelden, dass sein Verhalten nicht passt. Ändern müsste er es selbst...


    Die Dynamik, die bei euch daheim herrscht, klingt unschön. Vor allem, dass du schreibst, du möchtest, dass er auszieht, ist ein deutlicher Wunsch. Und auch eine Zielformulierung --> "Ich möchte nicht mehr mit meinem - erwachsenen - Sohn zusammenwohnen." Ziemlich sicher würde euer Verhältnis besser werden, wenn eine räumliche Trennung ermöglicht wird und er Unterstützung erhält, die er braucht (und die braucht er wohl von Professionisten und nicht von Mama oder Papa).


    Nachdem er psychiatrische Diagnosen hat: Wäre ein Trainingswohnen eine Option? Also eigene Wohnung, aber mit Betreuung? Zur Verselbständigung... Habt ihr über soetwas schon einmal nachgedacht?


    (Zum Aufräumen: Ich habe viel mit jungen Erwachsenen gearbeitet, die aus Betreuungssettings der Kinder- und Jugendhilfe kamen, wo Reinigungskräfte für alles zuständig waren. Die haben allein dadurch, dass sie es nie mussten, wirklich NICHT aufräumen und putzen können. Mit einer Heimhilfe, die dahingehend anleitet und sozusagen "beibringt, wie man putzt", war das in vielen Fällen dann bald erledigt. Also auch wenn es blöd klingt: Vielleicht macht er es nicht ganz und gar absichtlich, sondern kann es wirklich nicht...)


    Alles Liebe,


    Dani!

  • Hallo noch einmal,


    jetzt sind schon mal wieder ein paar Wochen vergangen und ich wollte doch noch einmal eine Rückmeldung geben.
    Dani: Eine eigene Wohnung kommt für meinen Sohn nicht infrage, weil er kein eigenes Geld verdient und wir uns das nicht leisten können.
    Ein betreutes Wohnen fände ich absolut sinnvoll, aber davon will er nichts wissen. Für meinen Sohn ist es doch im Hotel Mama am bequemsten und dass er Probleme hat und eigentlich auch wieder eine Therapie braucht, verdrängt er. Mit der Vermeidungstaktik klappt das ganz gut.


    Mein Mann hat ihm jetzt das Taschengeld gestrichen. Er sagt solange wir hinter ihm her putzen, behalten wir das Taschengeld als Bezahlung.
    Aber auch das lässt ihn kalt. Geld leiht er sich jetzt bei Freunden.


    ...ich habe das Gefühl, dass jetzt alles nur noch schlimmer geworden ist. Um zu provozieren, wirft er die Taschentücher jetzt absichtlich neben den Mülleimer.
    Im Zimmer liegen Berge voller dreckiger Wäsche. Es stört ihn einfach nicht. (Früher während seiner Angst vor Krankheiten, wäre das gar nicht gegangen.)
    Da kann ich drüber wegsehen, gehe eben einfach nicht ins Zimmer, aber dass er alle anderen Räume vermüllt, geht für mich gar nicht.
    Heute war wieder so ein Tag. Er hat nach Geld für Einkaufen gefragt (dass er keine Ausbildung mehr macht, hatte ich ja bereits erwähnt). Also habe ich ihm Geld gegeben, damit er für sich Obst, Joghurt und Pizza kaufen konnte.
    Die Pizza hat er mittags gleich gemacht. Teller auf die Spülmaschine gestellt. Pappkarton und Umverpackung daneben.
    Also habe ich ihn gebeten, den Teller in die Spülmaschine zu stellen. ...Nichts. Er saß vorm Fernseher.
    Sowas macht mich wahnsinnig. Also wollte ich ihm die Fernbedienung wegnehmen, um auszuschalten, damit er seinen Teller wegstellt.
    Das ging nicht. Also habe ich sein Handy gegriffen und da ging es los. Er war so wütend, dass er alles was um ihn rum lag auf die Erde geschmissen hat und hat so geendet, dass ich heulend aus dem Haus gegangen bin.
    Ich bin mittlerweile durch die lange Zeit seiner Angsterkrankung und dieser Tyranei so angegriffen, dass ich nur noch heulen könnte.
    Ein Zusammenleben ist für mich kaum noch auszuhalten. Dazu kommt noch Corona und Homeoffice, was alles nicht einfacher macht.
    Hat nicht jemand ein paar sinnvolle Tipps, wie wir unser Zusammenleben etwas harmonischer hinkriegen ohne, dass wir die Angstellten und er der Pascha sind/ist?


    Schöne Grüße
    Peti

  • Hallo Peti!


    Zwei Aussagen von dir, auf die ich zwecks Denkanstößen reagieren möchte:



    Ein betreutes Wohnen fände ich absolut sinnvoll, aber davon will er nichts wissen.

    Wieso ist damit die Sache vom Tisch? Er wird sich etwas überlegen müssen. Er ist erwachsen und scheinbar ist er - trotz Unterstützung seiner Eltern - nicht in der Lage, an sich zu arbeiten. Oder er möchte es nicht... Mehr noch - er macht seinem Umfeld - also euch - das Leben schwer. Weshalb solltet ihr euch das ewig und einen Tag gefallen lassen? Zu Lasten der Eltern-Kind-Beziehung sowie der eigenen psychischen Stabilität? (Provokationen wie Müll irgendwo hinwerfen müsst ihr euch definitiv nicht gefallen lassen!)


    Antworten auf diese Fragen müsste eigentlich er liefern... Ich würde ihn in jedem Fall damit konfrontieren. Für mich klingt sein Verhalten nämlich grundsätzlich auch nicht danach, als würde er sich mit einer solchen Art des Zusammenlebens wohlfühlen.


    (In Österreich gibt es teilbetreutes/ambulantes Wohnen. Er würde in dem Fall in einer eigenen Wohnung wohnen und einen Betreuer an die Seite gestellt bekommen, der ihn unterstützt. Mit Fokus darauf, dass er irgendwann keine Betreuung mehr braucht. Betreutes Wohnen ist eben nicht nur dieses klassische "betreute WG". Vielleicht doch eine Option für ihn?

    Hat nicht jemand ein paar sinnvolle Tipps, wie wir unser Zusammenleben etwas harmonischer hinkriegen ohne, dass wir die Angstellten und er der Pascha sind/ist?


    Schöne Grüße
    Peti

    Warum solltet ihr Eltern das Zusammenleben harmonischer hinkriegen? Was ist sein Part? Ich habe - anhand deiner Beschreibungen - nicht das Gefühl, als würde es an dir oder deinem Mann scheitern. Da ist eindeutig jemand anderes am Zug, seinen Teil zu einem harmonischen Familienleben beizutragen. Wie stellt sich euer Sohn ein solches Familienleben denn vor? Was wäre sein Ideal?


    Für mich klingt das alles nach einer recht unguten Dynamik. Ich gehe auch recht stark davon aus (ich habe viele solcher Fälle erlebt), dass sich diese Dynamik legen kann, sobald ihr räumlich getrennt seid. Eine solche Trennung (sprich: Auszug, in welcher Form auch immer) sollte eventuell langfristiges Ziel sein. Du schreibst jetzt schon, du hältst es nicht mehr aus... Nachdem er volljährig ist, geht es eventuell - denke ich - nicht darum, effektiv an einem harmonischen Zusammenleben zu arbeiten, sondern das "Flüggewerden" vorzubereiten. Wie siehst du das?


    Alles Liebe,


    Dani!

  • Hallo Dani,


    schön, dass Du die Zeit findest , mir ein paar Ratschläge zu geben.
    Betreutes Wohnen gibt es bei uns sicher auch, aber wenn er nicht will? Wir können ihn doch nicht zwingen!?
    Ich war im letzten Jahr mehrfach bei einer Erziehungsberatung. Dort wurde mir gesagt, dass wir ihn unterstützen müssen, bis er 25 Jahre ist.
    Das sitzt mein Sohn jetzt aus!!!!
    Ich drohe fast wöchentlich damit, ihn raus zu schmeissen, aber diese Drohung nimmt er ja überhaupt nicht ernst, da er weiß, dass wir uns keine Wohnung für ihn leisten können.
    Wie sollten wir denn an einen Platz für betreutes Wohnen kommen, wenn er das nicht will?
    Letztes Jahr wurde mir von einer psychatrichen Pflegerin gesagt, dass es eine Zerrüttungsbescheinigung gibt.
    Wenn man die hat, zahlt das Sozialamt.
    Ich habe jetzt den Erziehungsberater noch einmal angeschrieben. Wenn wir eine "Zerrüttungsbescheinigung" hätten, könnte er ausziehen.
    Hier geht es an keinem Tag normal zu. Ich komme von der Arbeit nach Haus und finde in jedem Raum eine Müllhalde vor.
    Für mich ist das kaum noch auszuhalten. Mittlerweile würde ich gern eine Therapie machen, um mit der Situation irgendwie umzugehen, aber man bekommt ja nirgendwo einen Platz.
    Ich halte Dich/Euch auf dem Laufenden, ob es irgendwie besser wird.
    Schönes Wochenende
    Peti

  • Hallo Peti! :)


    Nein, er muss das betreute Wohnen natürlich wollen, sonst macht es gar keinen Sinn. Ich meinte mit "Konfrontation" nicht, dass man ihn dort "reinstecken" soll, sondern ihn mit solch einer Möglichkeit konfrontieren. Als Chance für ihn... In Erstgesprächen kann er sich zunächst ein Bild davon machen, was diverse Träger für ihn zu bieten haben. Es wäre dies eine Unterstützung mit größtmöglicher Autonomie. Mehr noch, als er bei Mama und Papa vermutlich hätte! ;)


    Das mit der "Zerrüttungsbescheinigung" finde ich spannend. Kenne ich als Österreicherin so auch nicht, aber wäre für euch eine Möglichkeit. Die Frage wäre für mich nur tatsächlich: Ist er alleine "wohnfähig"? Weil wenn er dann seine eigene Wohnung vermüllt, Probleme mit dem Vermieter bekommt oder - auch eine unangenehme Vorstellung - Mama zu ihm putzen kommen muss, ist nicht viel gewonnen. Das Projekt "eigene Wohnung" müsste ja langfristig funktionieren. Ist das bei ihm denkbar?


    ---


    Deine Situation und die Provokationen dir gegenüber finde ich traurig. Vor allem, da du scheinbar sehr engagiert bist und ihr euren Sohn sehr unterstützt. Ich würde - als Mama - aus meiner Enttäuschung keinen Hehl machen. Auch das ist eine Konfrontation. Eine Konfrontation damit, dass man sich nicht "wie die Axt im Walde" aufführen kann und das Umfeld nimmt es lächelnd zur Kenntnis.


    Bzgl. Therapieplätze: Freie Plätze, die von der Kasse übernommen werden, das ist auch bei uns echt ein Trauerspiel. Ich weiß nicht, ob es die Möglichkeit bei euch auch gibt: Psychotherapeuten in Ausbildung verlangen weit weniger für ihre Sitzungen (dafür kann aber nicht mit der Kasse abgerechnet werden!). Gleichzeitig sind sie selbst unter Supervision bei einem Mentor und besprechen die Fälle. Das ist meiner Ansicht nach ein wahnsinniges Qualitätskriterium. Zusätzlich ist es - in jeder Therapie! - möglich, das Intervall auszudehnen. Wenn auf der privaten Schiene "nur" zwei Sitzungen pro Monat leistbar sind (und eben nicht vier oder fünf), dann ist das eben so. Es wird dennoch etwas bringen!


    Eine Idee wäre in deinem Fall vielleicht auch eine Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Erkrankter? Da hättest du Raum, um über aktuelle Problematiken zu sprechen...



    Alles Liebe! :)

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