Mein Sohn und die Schule - Überforderung, Unterforderung, Desinteresse, ADS oder psych. Problem?

  • Hallo zusammen,


    mein fast achtjähriger Sohn geht in die 2. Klasse einer brandenburger Grundschule. Wir sind erst vor gut einem halben Jahr in dieses Bundesland gewechselt, waren zuvor in NRW, wo er die erste Klasse noch abgeschlossen hat, mit einem guten Zeugnis.
    Er wurde dort beschrieben als wortgewandt, guter Leser mit gutem Textverständnis, flüssiger SChrift etc. Auch Mathe lag ihm gut. Eigenständige Bearbeitung von Aufgaben und zügiges Lösen von Sachaufgaben wurde von der Lehrerin beschrieben. Aufgefallen ist im Schriftbereich immer schon der zögerliche Arbeitsbeginn, es bedurfte hier der gelegentlichen Ermutigung. Dann jedoch führte er die Aufgaben gewissenhaft aus. Seine Beteiligung war schon immer von seinem Interesse am Thema abhängig.


    NAch dem Umzug begann es für ihn gut in der SChule. Er fügte sich, laut seiner Lehrerin, schnell ein, erlernte selbstständig die Schreibschrift (die hatten sie in NRW noch nicht begonnen, in Brandenburg wurde sie bereits in der 1. Klasse eingeführt), alles klang gut. Vor den Weihnachtsferien wurde es plötzlich merklich schlechter: Seine Konzentration ließ, laut Lehrerin, merklich nach, er ließ sich schnell ablenken, schaute aus dem Fenster, statt mit den Aufgaben zu beginnen - ein Störer war er dabei jedoch nie. Im Januar erfolgte das erste Lehrer- Eltern-Gespräch regulär im Rahmen der Halbjahreszeugnisvergabe. Dort sprach sie diese Dinge erstmalig bei uns Eltern an - uns war bis dahin nur aufgefallen, dass er in letzter Zeit sehr unkonzentriert und vor allem unmotiviert an den Hausaufgaben arbeitete und sehr viel Zeit für nur wenige Aufgaben benötigte. Im PRotokoll zu diesem Gespräch (bei uns anstelle des Halbjahreszeugnisses in Klasse 1 und 2) Wird jedoch noch alles als sehr gut/gut angekreuzt (Arbeit und sozialverhalten, Deutsch, Mathe, Sachkunde, Musik, Kunst und Sport) zumindest, was die Fähigkeiten angeht. Als "teilweise" angekreuzt wurden konzentriertes und aufmerksames Arbeiten, arbeiten in angemessenem Tempo (Arbeits- und Sozialverhalten), Regelbeachtung in der Rechtschreibung, selbstständige Kontrolle der Aufgaben, Nutzung von Wörterbuch und anderen Hilfsmitteln (in Deutsch) sowie sauberes und genaues Arbeiten (in Kunst) und die Beachtung festgelegter Spielregeln (in Sport).


    Der Lehrerin war aufgefallen, dass mein Sohn sehr langsam arbeitet und daher gestellte Aufgaben häufig nicht in der vorgegebenen Zeit zu lösen vermochte (hier besonders Grundaufgaben Mathematik - Lehrerin sagte 10 Aufgaben an, die im Kopf gelöst und das Ergebnis im Heft notiert werden musste. Nach drei Tagen, an denen das gemacht wurde, gab es eine benotete Reihe - bis dahin nie schlechter als 3). Auch schien er häufig mit den Gedanken abwesend zu sein. Wir vereinbarten, die Grundaufgaben in Mathe mit ihm verstärkt zu üben und daran zu arbeiten, Aufmerksamkeit und Konzentration zu verbessern. Das ist die schulische Seite.
    Wir haben also Aufgaben mit ihm geübt und, wie bisher auch, mit ihm Konzentrationsspiele gemacht (er mag z.B. Schach und Bauernskat :whistling: ) , ihm so viel Lesestoff wie benötigt besorgt (er liebt Bücher und liest viel und schnell) und als Ausgleich seinen Sport (er spielt 2x die Woche Fußball).


    Letzte Woche nun das nächste: Montags fand ich eine Sachkundearbeit in der Schulmappe - eine 5, 3/4 der Arbeit gar nicht bearbeitet... :S Am nächsten Tag ein Eintrag im Hausaufgabenheft - Wir müssen dringend über das Arbeitsverhalten ihres Sohnes sprechen! Das haben wir dann getan. Fazit: Mein Sohn hat das Arbeiten quasi komplett eingestellt in der Schule, schafft für eine Stunde gestellte Aufgaben nicht mal in 4 Stunden zur Hälfte, reagiert nicht oder nur unwesentlich auf Ansprache oder Motivationsversuche der Lehrerin, reagiert auf Tadel mit Schulterzucken oder Grinsen, schaut viel aus dem Fenster, selbst beim Lesen in der Klasse weiß er nicht, wo die Klasse gerade im Text ist, wenn er drankommt (obwohl er ein prima Leser ist).


    Die Lehrerin erzählte, er benötige auf Nachfrage niemals Hilfe, habe auch alles verstanden - er arbeite einfach nicht und sie sei da ratlos, der Anreiz, nach elredigten Aufgaben ein Arbeitsblatt zu lösen, ein Bild zu malen oder in der Leseecke zu sitzen (eher eine Bücherkiste mit Heften und büchern, ich kenne den Inhalt nicht) wirke bei meinem Sohn nicht.


    Mein Sohn - ich hatte vorher länger mit ihm gesprochen - erzählte, er wisse auch nicht, warum er nicht weiterarbeiten könne, es gäbe so viele andere Dinge zum Gucken. Die Zusatzaufgaben interessierten ihn nicht und überhaupt sei die Lehrerin oft so laut, sage dann Sätze wie: "Du bist aber auch zu nichts zu gebrauchen"...und da war ich schon schockiert. Auf meine Frage, wie er sich dann fühle, sagte er mir, er wolle sich dann ausruhen... Außerdem hänsele ihn seit einigen Wochen ein Mitschüler, er sage immer, er sei der schlechteste Schüler und das mache ihn traurig.


    All diese Dinge habe ich der Lehrerin rückgemeldet und sie gab zu, oft "laut und polterig" zu sein, sie werde versuchen, das einzustellen. Von den Hänseleien des Mitschülers wusste sie nichts, versprach aber, mit dem Jungen zu sprechen, denn das sei ja nicht in Ordnung. außerdem gab ich zu Bedenken (ich konnte einfach nciht anders), dass mein Sohn sehr empfindlich auf Kritik seiner Person reagiere, jedoch recht gut auf Kritik bezüglich seines Verhaltens....Daraufhin schrieb sie sich sogar Formulierungen auf, die wir in solchen Situationen zu Hause verwenden und ich wusste nicht, ob ich mich über das Engagement freuen oder eher schockiert sein soll, dass das für sie so neu zu sein schien (sie ist schon bestimmt seit 20 Jahren im Schuldienst). Ich habe dann mit ihr vereinbart, dass wir uns um Anreize kümmern und sie diese mitträgt...


    Konkret heißt das:
    Mein Sohn und ich haben ein paar Dinge aufgeschrieben, an denen er arbeiten möchte:
    Ich möchte schneller im Unterricht arbeiten - zügig mit den gestellten Aufgaben beginnen, vor der Fertigstellung nicht aus dem Fenster schauen und den Stift nicht weglegen; bei Problemen und Fragen der Lehrerin Bescheid geben.
    Ich höre der Lehrerin zu und arbeite mit - mindestens 2x, so sein Vorschlag, melden pro Schulstunde.
    Wenn ich meine Aufgaben frühzeitig fertig habe, darf ich in meinem Asterix-Heft lesen (haben wir nur zu diesem Zweck in der Klasse bei der Lehrerin hinterlegt).
    Meine Lehrerin gibt mir jeden Tag eine Rückmeldung, wie ich mitgearbeitet habe und ich erzähle es meinen Eltern.
    Das haben mein Sohn und seine Lehrerin unterschrieben - das war letzte Woche Mittwoch.


    Seither gabe es 4 lachende Smileys ins Hausaufgabenheft. Er hat die Aufgaben überwiegend geschafft, leider noch ohne die Chance, in seinem Asterix-Heft zu lesen. Aber da bestärken wir ihn, es täglich zu versuchen, evtl. müssen wir seine Chance, wirklich darin lesen zu dürfen, noch erhöhen (z.B. wenn die Woche gut war, darf er darin lesen, es mit in den Hort nehmen oder so...aber dann brauchen wir jede Woche ein Neues :rolleyes: ).


    Ist das jetzt alles so richtig, wie wir das gemacht haben? Ich bin unsicher und frage mich, ob der derzeit scheinbare Erfolg wohl von Dauer sein wird oder schnell wieder nachlässt...bei der U10 gestern äußerte die Ärztin den Verdacht von ADS (aber warum kann er sich in bestimmten Bereichen dann so gut fokussieren und konzentrieren, z.B. wenn er ein Buch liest?), möchte aber noch 6 Wochen warten mit der Abklärung, um zu sehen, wie er sich weiterentwickelt.


    Ich freue mich über Meinungen zu meinem Beitrag, vielleicht auch Erfahrungsberichten und weiteren Tipps.


    Vielen Dank, wenn Sie bis hierher durchgehalten haben :)


    LG


    Andrea

  • Hallo Andrea,


    erst einmal herzlichen Dank für deine ausführliche Schilderung. Es wird sehr deutlich, wie sehr dich die Situation belastet. Aber dass du so detailliert darauf eingehen kannst und weder die Aussprache hier noch mit der Lehrerin scheust, ist bereits ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung.


    Ich bin wirklich begeistert über das Belohnungssystem, das ihr euch ausgedacht habt. Belohnungen sind immer eine gute Arbeitsmotivation für Kinder dieses Alters, wobei materielle Belohnungen weniger effektiv sind als immaterielle Anreize. Aber da seid ihr mit dem Asterixheft, in dem euer Sohn lesen darf, wirklich auf einem guten Weg. Und der aktuelle Erfolg gibt euch recht, weshalb du dich ruhig über die derzeitige Verbesserung freuen darfst. Ob sich das so hält, bleibt natürlich abzuwarten, allerdings möchte ich dir dringend den Rat geben, die "Belohnungsziele" realistischer zu stecken. Wenn dein Sohn inzwischen zwar mit seinen Aufgaben fertig wird, aber dennoch nicht in den Genuss seines Asterix Heftchens kommt, dann ist dies frustrierend, was euch eurem Ziel nicht näher bringt. Besser wäre es, wenn das Kind Aufgaben bekommt, die es nicht einfach nur schaffen kann, sondern die es auch zeitlich so erledigt, dass es seine Belohnung erhält. So steigert man die Anforderungen, bis sie das allgemeine Klassenniveau erreicht haben. Sprich mal mit der Lehrerin drüber, ob sie eine solche Vorgehensweise realisierbar sieht. Auf Strafen solltet ihr in diesem Kontext absolut verzichten, dadurch wird dein Sohn zu stark unter Druck gesetzt.


    Die Frage, warum ein Kind, das in der ersten Klasse problemlos gestartet ist, plötzlich in der zweiten Klasse derart abfällt, ist natürlich schwierig zu beantworten. Grundsätzlich würde ich das Problem eher in der Gesamtsituation sehen, die den Kleinen überfordert haben könnte. Er musste seine gewohnte Umgebung verlassen, sich neu einleben, neue Freunde finden und dazu noch Lernstoff aufholen. Das ist natürlich eine Mammutaufgabe für einen Achtjährigen. Ich könnte mir denken, dass der Junge am Anfang noch voller Euphorie war, aber irgendwann war es ihm dann einfach zu viel. Wenn er dazu noch sensibel ist, mit dem Umgangston der Lehrerin schwer zurecht kommt und dann auch noch zur Zielscheibe eines Mitschülers wird, dann nimmt er sich automatisch eine Auszeit, auch wenn das im schulischen Rahmen denkbar schlecht ist. Und wer lässt sich schon gerne als Person kritisieren?


    Den Verdacht ADS finde ich jetzt allzu voreilig , auch wenn die betroffenen Kinder sich in vereinzelten Bereichen durchaus gut fokussieren können, während es an anderer Stelle überhaupt nicht funktioniert. Sollte sich die Gesamtsituation nicht kontinuierlich bessern oder gar noch schlimmer werden, so würde ich auch zu einer weiteren Abklärung raten. Allerdings sollte diese dann allgemein gehalten werden und nicht speziell auf ADS ausgerichtet sein. Wenn du diesbezüglich weitere Ratschläge wünscht, so gib einfach kurz Bescheid. Ansonsten würde ich empfehlen die weitere Entwicklung für ein paar Wochen zu beobachten und dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden.


    Es wäre sehr nett, wenn du uns über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten könntest.


    Viele Grüße
    Tanja

  • Hallo Tanja,


    vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Es tut gut zu hören, dass der Weg nicht ganz schlecht zu sein scheint. Heute erzählte mein Sohn recht stolz, dass er das erste Mal in seinem Asterx-Heft lesen durfte :P - das fand er natürlich prima! Dafür hat er sich bei den Hausaufgaben heute wieder echt schwer getan, was aber mehr daran liegt, dass er so perfektionistisch veranlagt ist und eigene Fehler entweder am Liebsten gar nicht sehen will und wenn sie dann offensichtlich sind, erstmal alles wegradiert, auch wenn es vielleicht gar nicht notwendig wäre...Sie beginnen gerade mit Mulitiplikation und deren Herleitung (auf einem Bild sind in 4 Reihen jeweils 5 Äpfel zu sehen und er muss dann schreiben 5+5+5+5 =20 4x5 =20 und umgekehrt 4+4+4+4+4 =20 5x4=20). Er findet das tödlich langweilig und kann sich nur schwer aufraffen. Außerdem gab es im Mathearbeitsheft zu wenig Zeilen und er war total verzweifelt, weil er nicht wusste, wo er seine ganzen Zahlen unterbringen sollte - und bevor er es dann falsch macht, hört er lieber auf...tja, so läuft das hier.


    Er fragte auch, was denn wäre, wenn er eine Woche mit guter Beteiligung geschafft hätte, ob er etwas dafür bekäme. Darauf stellte ich ihm die Frage, für wen er diese Bemühungen denn betreibe, für uns oder für ihn selbst - na für mich! war da seine Antwort. Ich habe ihm erklärt, dass wir sehr stolz auf ihn sind, dass er jetzt von einem Tag auf den anderen wieder so gut mitmacht, das aber nicht mit materiellen Geschenken belohnen möchten. Er selber ist ja auch stolz auf sich, wenn er wieder einen guten Tag hatte in der Schule und sieht auch ein, dass das dann eine Form der Belohnung ist - ansonsten hat er sich eine extra Kiwi pro Woche erbeten für gutes Arbeiten... ;)...nicht dass er nicht auch so eine bekäme...


    LG


    Andrea

  • Hallo Andrea,


    wie schön, dass dein Sohn heute ein Erfolgserlebnis in der Schule hatte. Das ist für ihn die beste Motivation für die Zukunft. Jedes Kind braucht solche kleinen Erfolge und wenn es in der Schule nicht rund läuft, dann bleiben sie leider über zu lange Zeit aus und der Teufelskreis beginnt.


    Ein wenig schmunzeln musste ich über seinen Versuch, mit dir um eine Belohnung zu feilschen. Das zeigt doch ganz deutlich, was für ein cleveres Kerlchen dein Junge ist. Er hat absolut begriffen, was ihr von ihm erwartet und versucht nun für sich noch den einen oder anderen Vorteil daraus zu ziehen. Toll :thumbup: !!! Die Erkenntnis, dass er für sich selbst und nicht für die Eltern lernt, gibt deinen Sohn einen meilenweiten Vorsprung gegenüber anderen Kindern dieses Alters. Denn gerade wenn es nicht rund läuft, sind es in der kindlichen Denkweise die Eltern, die einem diese Bürde aufladen. Dieses Thema ist wahrscheinlich allen Eltern pubertierender Kids bestens bekannt. Also wirklich Hut ab vor dieser Weitsicht eines Achtjährigen.


    Wie es scheint, habt ihr für die Schule eine gute Lösung gefunden, auch wenn das Problem mit den Hausaufgaben noch besteht. Aber gut Ding will eben Weile haben. Mein Rat für die Hausaufgaben wäre, dass ihr jetzt bewusst einen Entwicklungsschritt zurück geht und dein Sohn nicht mehr alleine Hausaufgaben macht, sondern du dich zu ihm setzt. Es geht dabei nicht um einmischen oder helfen, sondern vielmehr darum, dass du seine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche konzentrierst. Lass ihn alleine Rechnen, sei aber direkt greifbar, wenn er Hilfe möchte. Wenn du aber bemerkst, dass er sich in Kleinigkeiten verliert, wie beispielsweise die Verzweiflung über zu wenige Reihen im Heft, dann gib ihm Lösungsmöglichkeiten zur Hand. Diese "Problemlösungskompetenz" ist bei einem Achtjährigen keine Selbstverständlichkeit.


    Bezüglich der Belohnungen möchte ich jetzt noch eine Lanze für deinen Sohn brechen :D Belohnungen sind ein wichtiges Motivationsinstrument und es ist auch nichts Verwerfliches daran, gute Leistungen positiv zu verstärken. Für seine Arbeit in der Schule bekommt er dort sein Asterix-Heft als Belohnung. Für die Hausaufgaben bietet sich natürlich Ähnliches an, wobei es hier bestenfalls eben kein materieller Gegenstand wie eine Spielfigur oder ähnliches sein sollte. Wie wäre es denn mit einem Stempelsystem: Pro "gutem Hausaufgabentag" gibt es einen Stempel, bei fünf Stempel darf er sich eine schöne Sonntagsaktivität aussuchen?


    Ich bin gespannt, wie sich die Situation weiter entwickelt.


    Viele Grüße
    Tanja

  • Hallo,


    ich sollte ja mal berichten, wie es so weitergeht...
    Nun, vor knapp zwei Wochen war Elternabend - augenscheinlich alles so weit in Ordnung, zumindest sprach mich die Lehrerin nicht an, auch im Hausaufgabenheft keine Vermerke bisher.
    Auf Anraten hatten wir sowohl bei der U-Untersuchung als auch beim HNO-Arzt vorgesprochen wegen des SChulproblems, war aber alles in ORdnung, keine Auffälligkeiten.
    Der Vertrag, den wir im letzten SChuljahr mit unserem Sohn aufgesetzt hatten, hatte nach wie vor Gültigkeit und wurde genutzt - dieses SChuljahr machen alle Kinder sich Ende der Woche per Selbsteinschätzung Smilies zu Sozial- und Arbeitsverhalten. Mein Sohn machte die ganzen Wochen seit den Sommerferien einen geraden Smiley bei Arbeitsverhalten und einen lachenden bei Sozialverhalten. Gestern kam er mit dem Vertrag wieder. Unter diesen hatte die Lehrerin geschrieben: "Gilt auch für Schuljahr 2014/2015." Mein Sohn hatte unterschrieben. Als ich ihn nun darauf ansprach, was es damit auf sich hätte und warum er den Vertrag wieder mitgebracht hätte, sagte er zu mir, die Lehrerin "mache nicht mehr mit" und sei "aus dem Vertrag ausgestiegen" ?( ....weil es nicht klappt damit :!:


    ...ich frage mich ernsthaft, warum die Lehrerin mir nicht lieber ein paar klare Worte schreibt oder um ein Gespräch bittet. Sollte sie es nicht tun, werde ich es tun, denn mein Sohn hat entweder etwas nicht verstanden oder er hat das gleiche Problem wie schon letztes Jahr und das kann man doch nicht einfach so stehenlassen? Außerdem fände ich es äußerst bedenklich, wenn eine Lehrerin signalisiert, dass sie "nicht mehr mitmacht" - wo bleibt denn da die Lösungsorientierung???


    Vielleicht mache ich ja gerade aus einer Mücke einen Elefanten - das letzte Zeugnis war nämlich ganz gut: 3er in Mathe, Kunst und Sport, 1er in Lesen/Medienumgang und Musik und sonst alles 2er...aber ein ungutes Gefühl bleibt.


    Kurz vor dem Elternabend kam mein Sohn an und sagte, er müsse nachsitzen, weil er eine falsche Hausaufgabe gemacht hätte - falsch aufgeschrieben. Ich habe die Lehrerin beim Elternabend gefragt - sie erklärte es so, dass sie Freitags in der 6en Stunde sowieso Unterricht habe und Kindern, "die öfter mit sowas Probleme machen", dort die Möglichkeit gebe, das Versäumte nachzuholen...auf meine erstaunte Nachfrage, ob sowas schon öfter vorgekommen sei (wir kontrollieren für gewöhnlich, ob die Hausaufgaben gemacht sind - und das sind sie), kam eigentlich keine Aussage...sie wolle das mit ihm klären am nächsten Tag. Er erzählte mir dann, er müsse wirklich nachsitzen aber schlussendlich hat es dann doch nicht stattgefunden...was sind denn das bitte schön für Methoden? Natürlich hat er zu Hause die Aufgabe nachgeholt.

    Ich habe schon gemerkt, dass die Lust an der Schule schon wieder rapide nachgelassen hat - und dass, obwohl er zu Beginn des SChuljahres noch zu mir meinte, er woll sich dieses Jahr richtig anstrengen und nicht mehr so einen Durchhänger haben wie letztes Jahr. Heute im Auto erzählte er, dass er wieder häufiger aus dem Fenster schaue, "...weil er Sachen einfach nicht verstehe". Natürlich sagen sowohl ich als auch die Lehrerin, dass er dann nachfragen muss aber aus irgendeinem Grund tut er es nicht - letztens erzählte er mir, die Lehrerin schimpfe dann mit ihm...ach, irgendwie schwierig. Ich habe die Lehrerin darauf schon angesprochen und sie sagt ganz klar, dass die Kinder natürlich fragen sollen, wenn sie etwas nicht verstehen...


    Wie könnte ich jetzt bloss vorgehen?
    Ich habe den Eindruck, es liegt doch irgendwie an der Lehrerin, denn andere Fächer (Englisch z.B.) bei einer anderen Lehrerin findet er super, ebenso Musik...die Sachen, die die Klassenlehrerin unterrichtet, sind auch sonst das Problem...aber die Lehrerin abwählen geht ja schlecht...


    Ich habe echt bedenken, dass meinem eigentlich wissbegierigen Sohn die Lust am Lernen und der Schule vergeht...und er hat immerhin noch viele Jahre vor sich...


    Vielen Dank für Tipps und Ratschläge!


    Andrea

  • Hallo a79,


    ich finde es sehr schön, wie viele Gedanken Sie sich um das Wohl Ihres Sohnes machen und wie kreativ und geduldig Sie lösungsorientierte Methoden ausprobieren und umsetzen. Damit geben Sie Ihrem Sohn auf jeden Fall eine starken Rückhalt und einen klaren Rahmen, denn er weiß, dass Sie ihn wahr und ernst nehmen und dass Sie ihn gerne unterstützen wollen, ganz gleich, um welche Schwierigkeiten es sich handelt.
    Ich denke wie Tanja, dass Ihr Sohn wohl kein ADHS-Kind ist, sondern dass andere Dinge hier starken Einfluss haben, dass er nun wieder so "aus dem Fenster träumt" und "blockiert". So wie Sie die Lage schildern, scheint es da wohl offenbar tatsächlich Schwierigkeiten mit der Klassenlehrerin zu geben. Vielleicht sind auch gerade die 20 Jahre Schuldienst der Lehrerin der Knackpunkt. Mir scheint, als könne sie zum Einen mit dem lösungsorientierten Ansatz (Vertrag) nicht allzu viel anfangen und Sie schrieben ja auch schon, dass sie immer wieder ruppig und wenig sensibel und wenig einfühlsam mit Ihrem Sohn und vermutlich auch anderen Schülern umgeht.
    Nicht unterschätzen würde ich nach wie vor, welch große Umstellung Ihr Sohn bewältigen musste. Sie sind in ein anderes Bundesland gezogen und seine Freunde und sein gesamtes gewohntes und bekanntes Umfeld sind nicht mehr da. Und dann startete Ihr Sohn in der neuen Schule und dann von Anfang an diese "schwierige" Lehrerin... was ein Ankommen und neu Durchstarten nicht gerade unterstützt. Natürlich können Sie die Klassenlehrerin nicht "abwählen", aber ich denke, vielleicht wäre es gut, mit Ihrem Sohn offen und transparent umzugehen, was den Umgang und das Zurechtkommen mit der Lehrerin betrifft. Wir müssen schließlich alle lernen, dass wir nicht mit allen und jedem super zurechtkommen, dass es aber möglich ist, für sich Strategien zu entwickeln, dass es doch auf einer sachlichen Ebene gelingen kann, zusammen zu arbeiten. Vielleicht würde es Ihrem Sohn helfen, wenn Sie mit ihm Strategien entwickeln, wie er mit der Lehrerin gut zusammenarbeiten kann, mal weg von seinen Leistungen in der Schule und mehr hin zu dem, was für ihn offenbar sehr schwierig ist. Sich quasi überlegen, was die Klassenlehrerin erwartet und wie er diesen Erwartungen soweit gerecht werden kann, dass er nicht mehr "blockieren" muss und die Lehrerin zufrieden ist. Womöglich ändern sich dann dadurch seine Leistungen dann von alleine und die Noten werden wieder besser und er muss nicht mehr so viel aus dem Fenster träumen. Im Moment liegt der Fokus auf ihm selbst, er soll Leistungen erfüllen, sich bemühen, sein Bestes geben, aber da ist eben ein "Hindernis", dass es ihm schwer macht, dieses "Soll" zu erfüllen. ;)


    Ihren lösungsorientierten Ansatz finde ich sehr gut. Kennen Sie vielleicht von Ben Furmann "Ich schaffs!"? Vielleicht finden Sie in dieser Lektüre noch mehr kreative Ideen und Anregungen.


    Ich wünsche Ihnen alles Gute!
    Klara

  • Hallo Klara und danke für Ihre ausführliche Antwort!


    Nachdem ich hier geschrieben hatte, habe ich auch die zuständige Schulpsychologin kontaktiert und für heute einen Termin bekommen.
    Sie hat erstmal nur mich eingeladen, um den Sachverhalt zu schildern und herauszubekommen, was es überhaupt für ein Problem gibt und wo man ansetzen kann.


    Schon als ich erwähnte, wer die Klassenlehrerin ist, wurde mir klar, dass sie diese kennt - wurde mir so auch bestätigt. Bisherige Versuche, mit der Lehrerin zusammenzuarbeiten oder im Unterricht Dinge zu ändern, waren wohl wenig fruchtbar - zumal sie nur noch wenige Jahre bis zur Pension vor sich hat...und vermutlich daher auch wenige Ambitionen, auch an sich selbst zu arbeiten - so die Einschätzung der Schulpsychologin, die die Lehrerin kennt.


    Was es noch herauszufinden gilt ist, ob die Verständnisprobleme meines Sohnes nur im Zusammenspiel mit der Lehrerin entstehen oder ob er tatsächlich Schulstoff nicht begreift und er dort Förderung braucht.
    Da er gern ins Gymnasium möchte und ein Übertritt hier in Brandenburg entweder nach der 4. oder nach der 6. Klasse möglich ist, möchte die Schulpsychologin nun testen, inwieweit er von der Intelligenz her in der Lage dazu wäre, einen frühen Übergang anzustreben oder ob das überhaupt realistisch ist. Mein Sohn wäre - ich habe ihn gefragt - froh, wenn er früh die Schule wechseln könnte. Seinen Klassenverband möchte er dagegen innerhalb der Schule eher nicht wechseln - wäre auch nicht so leicht zu erreichen.
    Ihre Theorie ist, dass er sich besser motivieren kann, die schwierige Zeit zu überstehen, wenn "ein Ende" bald absehbar ist und er weiß, dass er die Fähigkeit dazu hätte, es zu schaffen - wir haben nämlich zu Hause den Eindruck, dass er uns da eher weniger glaubt. Wir haben nun für Mitte nächsten Monats einen Termin, bei der sie unseren Sohn mal kennenlernen und mit ihm ein paar Wissenstandsabfragen machen möchte - mein Sohn ist einverstanden.
    Besonders stutzig haben sie die Noten aus dem Ende des 2. Schuljahres im Vergleich zu der schriftlichen Beurteilung des 1. Schuljahres gemacht:


    1. Schuljahr (auszug):
    Arbeits- und Sozialverhalten:...bewies ein hohes Maß an Anstrengungsbereitschaft und Selbstständigkeit. Beim Anfertigen seiner Aufgaben zeigte er, dass er ausdauernd arbeiten konnte....bereicherte den Unterricht durch zielgerichtete und sachbezogene Beiträge...
    auch hier ein kleiner Hinweis auf zögerlichen Arbeitsbeginn, der gelegentlicher Ermutigung bedurfte..."Dann führte er seine Aufträge aber sehr gewissenhaft aus.".


    Lernentwicklung + Leistungsstand:
    Beteiligung im Unterricht vom Interesse am Thema abhängig. Kann verständlich und wortgewandt erzählen, sich zu Erzählungen anderer äußern und zielgerichtet nachfragen, unbekannte Texte flüssig lesen und Fragen dazu beantworten...
    Besonders seltsam war die Diskrepanz in Mathematik:
    ...addiert und subtrahiert sicher im Zahlenraum bis 20, wendet dabei Strategien an, kann Zahlen selbstsändig zerlegen, vergleichen und ergänzen, bearbeitet auch unbekannte Aufgabenformate eigenständig und stellt seine Lösungswege für Mitschüler anschaulich dar, zügiges Lösen von Sachaufgaben, kann seine Ergebnisse stets erläutern.


    Hier nun Zeugnis 3. Klasse:
    Bis auf Mathe (Note 3) alle Hauptfächer 2en und aus dem schriftlich fesgehaltenen Elterngespräch zum Halbjahr die Anmerkung: Grundaufgaben stärker üben und Aufmerksamkeit/Konzentration verbessern...


    Diese Unterschiede fand sie - wie wir auch- schon seltsam.
    Ich bin mal gespannt, was sich weiter ergibt. Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir nur unser Kind stärken können, um es ihm in der SChule leichter zu machen und hoffen, dass es uns mit Hilfe der Schulpsychologin gelingt.


    Das von Ihnen empfohlene Buch werde ich mir mal anschauen - danke für den Tipp!


    LG


    a79

  • Hallo a79,


    vielen Dank dafür, dass Sie uns weiter auf dem Laufenden halten. Mir scheint, die Kontaktaufnahme mit der Schulpsychologin war ein sehr guter Schritt. Es muss für Sie selbst und auch für Ihren Sohn eine große Entlastung sein, dass Sie nun erfahren haben, dass die Klassenlehrerin dort bekannt ist und Ihr Sohn offenbar bei Weitem nicht das einzige Kind ist, das Schwierigkeiten mit dieser Lehrerin hat.
    Das Vorgehen der Schulpsychologin klingt sehr gut und ich drücke Ihnen und Ihrem Sohn die Daumen, dass nun eine Lösung entwickelt werden kann, mit der es Ihrem Sohn wieder gut geht und er wieder gerne lernt und mit Aufmerksamkeit und Motivation am Unterricht mitmachen will.
    Ich bin mir sicher, dass es Ihnen gelingt, Ihren Sohn entsprechend zu stärken und zu unterstützen.


    Vielleicht haben Sie ja Lust, uns weiterhin zu berichten?!
    Alles Gute für Sie und vor allem auch für Ihren Sohn


    wünscht
    Klara

  • Hallo Zusammen,


    am Montag war nun Elternsprechtag - laut der Klassenlehrerin klappt es derzeit ganz gut. Jedoch erklärte sie mir tatsächlich, sie hätte in Absprache mit meinem Sohn den Vertrag "entsorgt", weil dieser nicht mehr funktionierte und mein Sohn auch damit keine bessere Motivation zeigte, seine Aufgaben zu erledigen. Seither, so sagt sie, klappt es besser als vorher mit dem Vertrag - ich sehe es auch an den Noten, er hat jetzt mehrere einser und zweier mit nach Hause gebracht.


    Am Mittwoch waren wir bei der Schulpsychologin, die seinen Wissensstand ein wenig abgeprüft hat - was das Aufgabenverständnis angeht, sieht sie meinen Sohn durchaus in der Lage, am Gymnasium seinen Weg zu machen aber sie sieht auch, dass er Konzentrationsprobleme hat und, wie sie sagt, sich nicht gut "zentrieren" bzw. auf seine Aufgaben fokussieren kann und dies üben müsse. Die beiden haben erarbeitet, was er tun muss, damit das klappt und wenige einfache Regeln auf einem Zettel festgehalten:


    1. Gut zuhören.
    2. Genau arbeiten - Was muss ich tun? Wie soll ich es tun?
    3. Konzentration - Kontrolle der gemachten Aufgaben
    4. Zufrieden sein


    So in etwa. Sie sagt, man könne jetzt erstmal sehen, wie es weiter läuft. Sie glaubt nicht, dass es so sehr an der Lehrerin liegt, hat den Eindruck, sie würde ihm jetzt keine argen Probleme bereiten. Eher steht er sich selbst im Weg, weil er seine Gedanken nicht gut zusammenhalten kann. Vorerst sieht sie keine Veranlassung, in der Richtung weitere Diagnostik zu betreiben, wir können aber gern jederzeit nochmal kommen, wenn es Probleme gibt.


    Ich bin gespannt, wie es weiter läuft und weise ihn jetzt immer auf seinen Zettel hin, wenn es nicht vorwärts geht - er hat nach wie vor Probleme, mit einer Aufgabe zu beginnen; WENN er erstmal begonnen hat, ist er oft flott fertig und sie sind auch recht gut gelöst - Rechtschreibung ist jetzt nicht so seins aber auch nicht besorgniserregend...


    Vorerst bin ich ein wenig beruhigt und hoffe, diese Ruhe auf meinen Sohn übertragen zu können.


    LG


    a79

  • Hallo a79,


    vielen herzlichen Dank dafür, dass Sie uns diese Neuigkeiten mitteilen. Die Regeln, die die Schulpsychologin mit Ihrem SOhn aufgestellt hat, klingen aus meiner Sicht gut und einfach umzusetzen und auch sehr verständlich.


    Es kann auch gut sein, dass dieser "entsorgte" Vertrag den Druck aus er Situation nimmt, denn so sind die Erwartungen an Ihren Sohn nicht mehr so stark präsent und die meisten Menschen "funktionieren" einfach nicht unter Druck.
    Für mich klingt diese neue Situation mit dem nicht mehr existenten Vertrag und den Regeln, an denen sich Ihr Sohn orientieren kann und darf nach mehr Leichtigkeit im Bezug auf das Thema Schule und Lernen.


    Vielleicht ergibt es sich ja, dass Sie mit Ihrem Sohn selbst noch genauer hinschauen können, woran es liegt, dass er diese "Startschwierigkeiten" hat?! Sie schreiben ja, dass er oftmals seine Zeit braucht, bis er anfängt, die an ihn gestellten Aufgaben zu bearbeiten. Vielleicht steht er sich da manchmal einfach selbst ein wenig im Weg? Vielleicht entsteht ja eine Situation, in der Sie mit ihm darüber ins Gespräch gehen können.


    Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute - und natürlich auch Ihrem Sohn!
    Klara

  • Hallo Klara,


    jetzt ist schon fast wieder ein Jahr vergangen und was soll ich sagen? - Probleme gibt es nach wie vor...
    Mein Sohn ist mittlerweile in der 4. Klasse, die Noten, zumindest die Fachnoten, sind zwischen 1 und 3, in den Hauptfächern hat er alles zweier, nur im Deutschanteil "sprechen und zuhören" hat er eine 3 und da liegt auch nach wie vor sein Problem.
    Die Noten in Arbeits- und Sozialverhalten, von denen es in Brandenburg 8 ! Stück gibt (mehr als Fachnoten, man stelle sich vor....) liegen alle bei 3....dazu meinte die Lehrerin nur, da es ja nur die Abstufungen 1-4 gebe, wäre eine 3 schon grenzwertig...seltsam, dass drei weitere Jungsmütter, mit denen ich mich auf dem Elternabend unterhielt, auch alle "grenzwertig" im Arbeits- und Sozialverhalten abschneiden...


    Nun zu meinem Sohn.
    Nach wie vor sind Hausaufgaben das Unwort des Jahres...hält er für absolut unnötig und macht jedes Mal einen Zwergenaufstand. Das macht es uns nicht gerade einfach. Wir könnten natürlich sagen: "Deine Verantwortung, dann mach sie halt nicht." Und hoffen, dass die Lehrerin entsprechend handelt - leider bedeutet das bei der Lehrerin, dass die "üblichen Verdächtigen" nachsitzen dürfen...damit ist ihnen aber m.E. auch nicht geholfen und meinem Sohn schon gar nicht. Wir machen das also anders: Bevor er nicht seine Hausaufgaben gemacht hat, geht hier im Haus kein elektronisches Medium an (Handy, Computer, Playstation) - das ist leider das Einzige, was bei ihm auch nur andeutungsweise funktioniert. Sowieso sind o.g. Medien reglementiert, auch zeitlich.


    Seit Anfang des SChuljahres merke ich nun, dass sich bei meinem Sohn immer mehr Lücken auftun. Das 1x1 sitzt nach wie vor nicht und natürlich zieht das Nachfolgeprobleme nach sich. Seine Bereitschaft, dafür bzw. etwas dagegen zu tun, liegt jedoch bei nahezu 0...und ich schaffe es nicht, ihn zu motivieren bzw. zu überzeugen, dass es IHM weiterhilft, diese Grundlagen auswendig zu wissen. Lieber quält er sich rechnenderweise durch halbschriftliche Division...und das dauert eeewig und führt dazu, dass er bei Arbeiten nicht fertig wird.


    Die Rechtschreibung ist eine Kathastrophe - er schreibt immer noch Groß und Klein wild durcheinander, manchmal mehrfach falsch und richtig gemischt in einem Text. Wenn man ihn hinweist, nochmal zu kontrollieren, findet er die Fehler, scheint also kein grundsätzliches sondern ein Konzentrationsproblem zu sein, zumal er auch Texte nur mit vielen Fehlern abschreibt...aber wie kann ich ihn unterstützen und ihm helfen ,dass es besser wird? Spätestens im nächsten Jahr wird ja sicher auch mal auf Rechtschreibung geachtet und dann hat er wieder Probleme...
    Auch liest er bei Arbeiten (es gab gerade einen Deutschtest, bei dem in einen Lückentext vorgegebene Verben in die Vergangenheitsform Perfekt gesetzt werden mussten - er wusste nicht, was er da machen soll und hat sie im PRäsens eingesetzt, hatte natürlich etliche Lücken übrig und die Sätze ergaben keinen Sinn = Note 6) die Aufgabenstellung offensichtlich nicht gescheit und hat dann keine Ahnung was er machen soll, fragt aber auch nicht sondern verzweifelt und schreibt nix oder total abwegige Sachen. Er hat keinerlei Problemlösestrategien, wie mir scheint...was kann ich nur tun?


    Er ist insgesamt ein kluger Kerl, interessiert sich in seiner Freizeit für alte Kulturen, Germanen und Römer, Mineralien, liest alles, was ihm zwischen die Finger kommt etc...aber der Schule kann er gerade so gar nichts abgewinnen. Wir versuchen, ihm klar zu machen, dass er da jetzt durch muss, um später mal seinen Vorlieben nachgehen zu können im Beruf - er meint dazu nur, er wisse schon alles, was er braucht für später...was kann man da noch gegen sagen bei so einer Einstellung?


    Ich freue mich ganz ehrlich, wenn hier noch jemand ernstgemeinte Ideen für mich hat...mein Mann sieht das ganz locker aber ich finde schon, dass sich da ein Problem anbahnt, dass man bereits jetzt bearbeiten müsste.


    Vielen Dank fürs Lesen des langen Textes!


    LG


    a79

  • Hallo a79,


    danke für Ihre ausführlichen Schilderungen. Mir gefällt, wie aufmerksam und fürsorglich Sie Ihrem Sohn gegenüber sind und die beschriebenen Entwicklungen bzw. die auftauchenden Defizite ernst nehmen und Ihren Sohn unterstützen und fördern wollen.
    Ich selbst erlebe in meiner Arbeit auch immer wieder Kids, die unter den Lehrplänen der Schule leiden, weil leider Wissen immer wieder auch völlig sinnbefreit an die Kinder vermittelt wird, zumindest erkennen viele Kinder keinen Sinn hinter dem, was sie da alles so lernen sollen und dementsprechend schwer tun sie sich dann auch damit.


    Sie selbst nehmen Ihren Sohn aufmerksam wahr und geben ihm zur Hilfestellung einen klaren Rahmen vor: Hausaufgaben sind so wichtig, dass diese oberste Priorität haben und erst wenn sie erledigt sind, dürfen Handy, PC und Co. genutzt werden. Bleiben Sie konsequent dabei und halten Sie diesen Rahmen/ diese Regeln.


    Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem, was Ihrem Sohn zu schaffen macht: Einerseits kann er keinen Sinn darin erkennen, bei dem, was er lernen soll und dann fällt es verständlicherweise auch viel schwerer, sich zu konzentrieren. Denn wenn er keinen Sinn erkennen kann, dann sind ihm die Dinge auch nicht wichtig, sondern eher lästig.
    Haben Sie denn schon versucht, ihm zu erklären, dass es immer wieder im Leben auch Aufgaben zu bewältigen gibt, die auch nicht so viel Spaß machen, die aber dennoch erledigt werden müssen? Das fängt ja schon beim Haushalt an, denn ich bezweifle, dass es vielen Menschen Spaß macht, Toiletten zu putzen, Müll zu entsorgen oder Böden zu wischen und und und, aber dennoch müssen diese Aufgaben auch erledigt werden. Und so ist es letztlich ja auch, wenn ich Grammatik und Rechtschreibung lerne oder das kleine Einmaleins. Es ist anstrengend und mühsam, aber wenn man es dann kann, fühlt es sich gut an und man darf zu Recht stolz auf sich sein, weil man es "durchgezogen" hat und sich dabei auch noch in Geduld und Ausdauer und Durchsetzungsvermögen geübt hat. Und auch, wenn Ihr Sohn überzeugt ist, dass er schon alles weiß und später in seinem Traumberuf alles, was er jetzt "blöd" findet, nicht mehr braucht, so wird er dennoch selbst in seinem Traumberuf auch Aufgaben erledigen müssen, die ihm keinen Spaß machen.


    Vielleicht können Sie seine Interessen an alten Kulturen zum Aufhänger nehmen, um ihm zu erklären, dass gute Rechtschreibung und gewisse Mathematikkenntnisse sinnvoll sind:
    Ihr Sohn fände es sicherlich blöd oder sogar peinlich und nervig, wenn er ein Buch über die alten Germanen lesen würde und das wäre voller Rechtschreibfehler. Das macht einem das Lesen und auch das Verstehen ja furchtbar schwer und man bekäme wohl außerdem den Eindruck, dass der Autor nicht so wirklich weiß, was er da schreibt und man würde ihn nicht ernst nehmen. Oder man stelle sich vor, die alten Römer hätten das kleine Einmaleins nicht gekonnt und hätten aber ihre Soldaten aufteilen wollen ihn sechs gleich große Truppen, um für Sicherheit und Ordnung in Rom zu sorgen, weil da gerade Unruhen auf den Straßen sind. Wie mühsam wäre das gewesen, wenn sie erst hätten mühsam durchzählen müssen, um sich in gleich große Gruppen aufzuteilen. Das ist doch viel eleganter, wenn man weiß, aha, wir sind 36 und teilen uns in 6 Gruppen, d.h. in jeder Gruppe sind 6 Personen. Das spart einfach viel Zeit und auch Nerven. Vielleicht können Sie ihm diese Themen auf so einem Weg schmackhaft machen?


    Haben Sie denn auch schon überlegt, Ihren Sohn testen zu lassen, ob er eine leichte Lese-Rechtschreibschwäche hat?


    Wissen Sie denn, warum Ihr Sohn im Arbeits- und Sozialverhalten lauter 3en hat? Wie begründet das die Lehrerin und was unternimmt sie, um die Kinder in diesem Bereich zu fördern?


    Ich freue mich auf Ihre Antwort!
    Klara

  • Hallo Klara,


    vielen Dank für die wieder sehr wertschätzende und hilfreiche Antwort!


    Wir haben schon viele Gespräche darüber geführt, dass wir alle Pflichten haben, die wir nicht so mögen und die trotzdem erledigt werden müssen (kennen Sie Ritter Rost und die "Liste der lästigen Pflichten" des Drachen Koks"? :D ), dies tun wir oft genug sogar gemeinsam - er räumt z.B. sein Zimmer auf und mein Mann putzt das Bad, ich mache die Wäsche....theoretisch weiß er das aber das hilft ihm nur bedingt dabei, seinen inneren Schweinehund zu überwinden. Zumal seine Frustrationstoleranzgrenze auch sehr niedrig liegt. Selbst seine Lehrerin, so erzählt er mir, meint, er könne seine Note in Arbeitsverhalten nur steigern, wenn er lerne, nicht so schnell aufzugeben. Wir üben das kleinteilig. Gerade motiviere ich ihn, jeden Montag in der Erzählrunde etwas von seinem Wochenende zu erzählen - das kostet ihn ordentlich Überwindung, obwohl er sonst eigentlich nicht auf den Mund gefallen ist, aber er versucht es - dafür gibt es natürlich Lob.


    Das ungeliebte Üben in Mathe (war am Wochenende gerade Thema), hat ihm diese Woche zu einer 2 in den täglichen Übungen verholfen - da hat er ganz stolz von erzählt...ich habe gemeinsam mit ihm festgestellt, dass das Üben vom Wochenende offenbar schon hilfreich war...in Deutsch war es ähnlich. Auch da haben wir am Wochenende einiges geübt...ist aber immer ein Kampf.


    Gerade kämpfen wir an Sachkunde - das Thema "Wald" interessiert ihn, aber er schafft es nicht, im Unterricht alles von der Tafel abzuschreiben, so dass ihm Sachen fehlen - er selbst denkt auch nicht daran, dass er die ja braucht, denn noch diese Woche wird ein Test dazu geschrieben und der letzte war eine 4+...also haben wir Sachen nachgeschlagen und ich habe ihn abgefragt. Jetzt muss er sich nur noch den Rest von einem Klassenkameraden organisieren - hat er heute vergessen und auch telefonsich niemanden erreicht...


    Die Idee mit der Verknüpfung zu den alten Kulturen ist gut - da werde ich mir mal was überlegen!
    Was die Überlegung mit der leichten Lese-Rechtschreib-Schwäche angeht: kann auch die Kombination von sehr gutem Lesevermögen und Textverständnis mit schlechter Rechtschreibung vorkommen? Mein Sohn liest total gern und viel, kann auch die Inhalte der Bücher gut erfassen und wiedergeben...nur die Rechtschreibung ist total schusselig...heute habe ich ihn vor der Hausaufgabe nochmal ganz bewusst und eindrücklich darauf hingewiesen, dass er sich konzentrieren soll, dass er richtig abschreibt - das hat sehr gut geklappt, bei einer Seite hat er nur einen Fehler gemacht, die grammatikalische Zuordnung der Satzbausteine hat auch gut funktioniert. Er kann es also, wie es aussieht, WENN er sich konzentriert.Getestet wurde er noch nicht. Nur die Schulpsychologin stellte letztes Jahr bereits fest, dass er so seine Schwierigkeiten mit der Konzentration hat - sie sah aber erstmal keinen weiterne Handlungsbedarf.


    Die Gründe für die Noten im Arbeits- und Sozialverhalten kann ich Ihnen nicht nennen, werde diese aber beim nächsten Elterngespräch mal erfragen - einer liegt ja offenbar schon im mangelnden Durchhaltevermögen meines Sohnes, wenn es schwierig wird....und daran, dass er nicht nachfragt...was sie dagegen tut, wüsste ich auch gern :whistling: ...zumal ja einige andere Schüler ebenfalls betroffen zu sein scheinen.


    Danke auf jeden Fall für die Ermutigung und die Denkanstöße...vielleicht lässt sich da was mit erreichen. Warten wir mal die Mathe- und Sachkundearbeit ab...


    LG


    a79

  • Hallo a79,


    hm, so wie Sie Ihren Sohn beschreiben, scheint er tatsächlich vor allem Konzentration und Frustrationstoleranz üben zu müssen. Es klingt alles nicht nach Legasthenie, sondern nach einem zu geringen Durchhaltevermögen. Ich finde es großartig, wie liebevoll-konsequent Sie Ihren Sohn fördern und mit Ihrem Mann zudem als Vorbilder wichtige Werte vorleben.


    Was mich etwas wundert ist, dass Ihr Sohn es nicht schafft, in Sachkunde alles von der Tafel abzuschreiben. Schreibt er zu langsam oder träumt er vor sich hin? Oder sollen die Kinder "nebenher" den Text von der Tafel abschreiben und die Lehrerin spricht weiter? Haben die Kinder auch im Unterricht die Zeit, um in Ruhe abzuschreiben und wird dies von der Lehrerin auch klar angekündigt, dass nun abgeschrieben werden soll? Vielleicht liegt es ja auch daran, dass die Aufgabenstellung nicht klar kommuniziert wird?!


    Um Ihrem Sohn dabei zu helfen, das Konzentrationsvermögen zu verbessern, würde ich Ihnen gerne Kinesiologie und auch Kinderyoga empfehlen.
    http://www.amazon.de/Kinesiolo…words=kinesiologie+kinder
    In der Kinesiologie gibt es viele kleine, sehr einfach umzusetzende Übungen, die uns helfen, unsere Konzentratin zu fördern und auch für andere Bereiche findet man hier tolle Hilfen.
    Durch das Üben von Yoga lernt man, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, also aufmerksam und ganz im Hier und Jetzt zu sein.
    http://www.amazon.de/Yoga-f%C3…=8-5&keywords=yoga+kinder


    Ich bin gespannt auf Ihre Rückmeldung zur Lehrerin und wie diese die schlechten Noten in Arbeits-und Sozialverhalten begründet und wie sie selbst die Kinder unterstützt, ein positives Verhalten zu entwickeln.


    Herzliche Grüße
    Klara

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