Ängste überwinden

  • Ich schon wieder ;)


    *seufz* Uns ist was Blödes passiert. An Helloween ist die Kleine mit einer Gruppe von Kindern durch den Ort gezogen. Das war vorher so organisiert worden und die älteren Jugendlichen sollten dabei auf die kleineren Kinder aufpassen.
    Im Grunde haben sie das auch gemacht, aber ... einige der älteren Jungs haben Gruselgeschichten erzählt. Und zwar nicht irgendwelche, sondern eine über einen Bauernhof hier in der Nähe, an dem die Kinder auch vorbeikamen.
    Die Geschichte ging laut der Kleinen in etwa so: "Der älteste Sohn des Bauern war ein netter Mann, bis er eines Tages in die Jauchegrube fiel und von einer riesigen Ratte gebissen wurde. Die war sooooo groß! Und sie infizierte den Mann mit dem Bösen. Er hat ein kleines Mädchen umgebracht, sie zerhackt und ihre Einzelteile in Plastiktüten verpackt, die er über den Feldern verstreute." (Lag natürlich gerade eine Plastiktüte auf dem Feld daneben X( ) "Anschließend hängte er sich in der Scheune auf. Das komische Geräusch, das ihr hört, ist das Schaben des Seils am Balken, denn der Mann hängt da immer noch und spukt hier rum, weil seine Seele keine Ruhe findet."


    Ergebnis: Die Kleine hat jetzt panische Angst vor dem Hof. Sie muss da aber jeden Tag dran vorbei! Ihr Papa und ich sind mit ihr da hingegangen, haben ihr gezeigt, dass in der besagten Plastiktüte nichts drin ist und dass es da auch keine Jauchegrube und keine riesigen Ratten gibt.
    Hat aber nicht wirklich was genützt.


    Ich hatte überlegt, mit dem Bauern zu sprechen. Dass er ihr vielleicht den Hof zeigt. Aber - er ist alt, kauzig, komisch - und: Der älteste Sohn hat sich tatsächlich in der Scheune erhängt. (Natürlich nicht aus den Gründen, die die Jungs erzählt haben.) Es käme mir seltsam vor, den Mann zu bitten, der Kleinen zu zeigen, dass sein Sohn nicht mehr in der Scheune hängt. ;(


    Wie kann man ihr noch die Angst nehmen?

  • Hallo Tecret,


    ja, das ist wirklich blöd gelaufen!


    Wissen Sie denn, welche der älteren Jungen die Geschichte erzählt haben? Und haben Sie Kontakt zu den Eltern dieser Jungen?


    Ich denke, am ehesten kann man das Mädchen davon überzeugen, dass die Geschichte erfunden ist und sie keine Angst vor dem Hof haben muss, wenn die Jungs, die die Geschichte erzählt haben, mit dem Mädchen sprechen und ihr erzählen, dass sie sich die Geschichte nur ausgedacht haben. Vielleicht könnten Sie mit den Eltern der Jungs sprechen und diese darum bitten, dass die Jungs dem Mädchen erklären, dass die Geschichte erfunden wurde und warum sie sich diese Geschichte ausgedacht haben.


    Den Bauern würde ich auch nicht aufsuchen. Ich glaube, ich wäre an seiner Stelle nicht gerade begeistert, zu hören, dass er Hauptfigur einer solchen Geschichte geworden ist - erst recht nicht, wenn sich sein Sohn erhängt hat.


    Viel Erfolg wünscht


    Anne

  • Puh, war das anstrengend. ;(
    Aber der Tipp war ganz gut, danke. :)
    Es hat nur viel Überzeugungsarbeit gekostet, den Jungs klarzumachen, dass sie nicht so einen Müll erzählen dürfen und sie dazu zu bringen, überhaupt einzusehen, dass sie Müll erzählt haben.
    Erst, als ich drastisch wurde, haben sie es geschnallt.


    Mit drastisch meine ich, dass ich versucht habe, sie in die Lage der Betroffenen zu zwingen.
    "Stell dir mal vor, dein Vater würde Selbstmord begehen. Wäre schlimm für dich, oder? Und jetzt stell dir mal vor, da rennt einer durchs Dorf und erzählt rum, dass er es getan hat, weil er ein Mörder war. Fändest du nicht so lustig, oder? Und jetzt stell dir noch vor, das erzählt jemand deinem kleinen Bruder" (ungefähr so alt wie die Kleine) "glaubst du, der kann das richtig einordnen und wirklich unterscheiden, ob das Blödsinn ist oder nicht? Denk mal drüber nach, wie lange du an den Weihnachtsmann, an den Mann unter deinem Bett und andere Fantasiegestalten geglaubt hast. Kleine Kinder machen das. Es dauert, bis sie lernen, Fantasie und Realität voneinander zu unterscheiden. Noch schwieriger wird es, wenn in der Fantasie ein realer Kern auftaucht."


    Denn es bringt ja nichts, wenn die Jungs der Kleinen sagen, dass sie sich das nur ausgedacht haben, wenn sie nicht dahinter stehen, dabei vielleicht grinsen oder so. Die Kleine ist ja nicht doof. Sie merkt, ob das ehrlich ist oder nicht.


    Gestern haben sie ihr dann gesagt, dass es ihnen leid tut und dass sie das meiste erfunden haben.
    Das hat so ein wenig die Last genommen. Etwas ängstlich ist sie noch, wenn sie an dem Hof vorbei muss, aber das wird dann vielleicht mit der Zeit besser.

  • Hallo Tecret,


    danke für die Rückmeldung und Gratulation zu Ihrer Hartnäckigkeit und Durchsetzungsfähigkeit! :thumbup:


    Gestern haben sie ihr dann gesagt, dass es ihnen leid tut und dass sie das meiste erfunden haben.
    Das hat so ein wenig die Last genommen. Etwas ängstlich ist sie noch, wenn sie an dem Hof vorbei muss, aber das wird dann vielleicht mit der Zeit besser.


    Gedanken und Gefühle stimmen nicht immer überein. Gedanklich hat das Mädchen jetzt verstanden, dass der Hof keine Gefahr darstellt, aber das Gefühl (die Angst, die ausgelöst worden ist) braucht noch etwas länger, um das zu begreifen. Sie hat aber jetzt den Vorteil, dass ihr Kopf ihr helfen kann, wenn die Gefühle sich einmischen. Ich denke auch, dass die Ängstlichkeit mit der Zeit nachlassen wird, wenn sie feststellt, dass nichts passiert, wenn sie am Hof vorbeikommt.


    Das haben Sie wirklich gut gemacht!


    Anne

  • Hallo Tecret,


    das ist wirklich dumm gelaufen mit dieser Gruselgeschichte.
    Erstaunlich, wie kreativ diese Jungs waren/ sind, dass sie eine derart gruselige Geschichte erfunden haben.
    Viele Gruselgeschichten sind ja, seien wir ehrlich, nicht wirklich gruselig. Naja, diese schon - und wie!


    Ich möchte an dieser Stelle auch meinen Glückwunsch aussprechen und Ihnen sagen, dass ich Ihre Hartnäckigkeit und Ihre Rhetorik bewundere und einfach großartig finde. Mit diesen beiden Gaben haben Sie erreicht, dass sich diese unheimliche Geschichte nun in Nebel oder vielmehr im Tageslicht auflösen kann.
    Auch ich denke, dass die verursachte Angst noch einige Zeit braucht, um nachzulassen und um sich schließlich aufzulösen.
    Beobachten Sie die Lage weiterhin und fragen Sie Ihre Tochter, wie es ihr geht mit dieser Angst. Lassen Sie sie auch weiterhin nicht allein und signalisieren Sie ihr, dass Ängste nichts sind, wofür man sich schämen muss! Wir haben alle unsere kleineren und größeren Ängste und müssen lernen, und dies unser Leben lang, mit ihnen umzugehen. Ängste muss man annehmen, um sie überwinden zu können. Verdrängen und verschweigen, auch dagegen ankämpfen verstärkt sie hingegen noch.


    Aber es scheint, dass Sie gemeinsam auf einem sehr guten und vor allem freundlichen und sehr liebevollen Weg sind! Alles Gute für Sie!
    ^^

  • Danke. :)


    Heute hat mir die Kleine erzählt, dass sie wieder "ganz doll Angst" hatte, an dem Hof vorbei zu gehen. Dann hat sie sich aber gesagt, dass die Jungs doof sind und sie nur reinlegen wollten. Also ist sie ganz schnell an dem Hof vorbeigelaufen und nichts ist passiert.
    Wird also. ;)


    Mir war bei der Sache auch wichtig, dass die Jungs nicht so ein Märchen um diese familiäre Tragödie spinnen. Denn der Sohn des Bauern ist nun mal tatsächlich tot. Das ist zwar schon etliche Jahre her, aber es hinterlässt Narben. Und dann ist es nicht okay, wenn man derartige Unwahrheiten über die Umstände erzählt. Es ist nun mal nicht lustig, wenn sich jemand das Leben nimmt.

  • Hallo Tecret,

    Mir war bei der Sache auch wichtig, dass die Jungs nicht so ein Märchen um diese familiäre Tragödie spinnen. Denn der Sohn des Bauern ist nun mal tatsächlich tot. Das ist zwar schon etliche Jahre her, aber es hinterlässt Narben. Und dann ist es nicht okay, wenn man derartige Unwahrheiten über die Umstände erzählt. Es ist nun mal nicht lustig, wenn sich jemand das Leben nimmt.

    Ich sehe das ganz genauso!


    Aus den Beiträgen, die Sie schreiben, kann man herauslesen, dass Sie ein sehr feines Gespür dafür haben, was richtig und was falsch, was Recht und was Unrecht ist. Was Sie auszeichnet, ist, dass Sie sich einsetzen für die wichtigen und richtigen Dinge. Da tragen Sie eine wertvolle Eigenschaft in sich, die in der heutigen Gesellschaft leider oft fehlt. Und Sie sind auch Vorbild für das Mädchen und geben damit etwas wichtiges weiter. Das ist schön!


    Anne

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