Was haltet ihr von der Schulfrei-Bewegung?

  • In Deutschland gibt es die Schulpflicht. Andere Länder sehen das etwas lockerer und haben eine Bildungspflicht. So muss ein Kind nicht zwingen in die Schule, sondern kann auch anderes unterrichtet werden, z.B. durch Fernlehrer oder die eigenen Eltern. Gelegentlich wird dann wohl geprüft, ob der Wissens- und Entwicklungsstand im "Normalbereich" liegt.


    Die Rufe nach Bildungspflicht statt Schulpflicht wird in Deutschland immer lauter, denn bisher müssen - bis auf wenige Ausnahmen - alle, deren Kinder Probleme mit dem Schulsystem haben oder dieses System ablehnen, ins Ausland gehen.


    Und dann gibt es noch die Freilerner, die gar keinen richtigen Unterricht haben, sondern sich selbstbestimmt entwickeln.


    Was haltet ihr davon? Würdet ihr eure Kinder auch dann in die Schule schicken, wenn hier auch andere Bildungswege erlaubt wären?

  • Hallo,


    ich finde die Option des Homeschoolings schon sehr spannend und fände es insgesamt besser, wenn es statt der Schulpflicht eine Bildungspflicht gäbe (mit den entsprechenden Wissensstandüberprüfungen). Ich glaube, in Österreich ist dsa z.B. so.
    Selbst würde ich mit meiner Tochter kein Homeschooling machen wollen, weil mir das nicht liegt. Und weil ich es wichtig finde, dass sie als Einzelkind entsprechenden Kontakt zu anderen Kindern hat, auch beim Lernen. Hier sind ja die meisten Kinder bis 15 Uhr mindestens in der OGS. Allerdings ist meine Tochter auf einer Montessorischule, sie lernt also selbstbestimmter als auf der Regelschule, und auch jahrgangsübergreifend. Das ist für unserer Umstände eine gute Lösung.
    Und dann muss es ja auch noch zum Kind passen.
    Aber Familien diese Option zu geben, fände ich sehr gut und würde wohl so manche Schwierigkeiten lösen, die manche Familien mit der Schule haben.


    Leider steht dem zur Zeit in Deutschland wohl der momentane Trend zu mehr gewollter staatlicher Kontrolle über die Entwicklung der Kinder entgegen.

  • Hallo, ich bin klarer Freund der Schulpflicht, hier geht es doch um mehr, als das bloß sehr Wissen vermitteln. Kinder müssen sich in ein Sozialgefüge integrieren, lernen sich mit Abstand zu den Eltern klar zu kommen etc. Auch sehe ich in meinem Umfeld zu viele Fälle, wo Eltern sich aus Faulheit zurück ziehen würden, wenn es die Pflicht nicht gäbe und die Kinder sich allein überliessen, da würde eine verzögerte Kontrolle einfach zu spät kommen. Es gibt genug Länder, die uns um unser System beneiden...

  • Das soziale Leben besteht doch aber nicht nur aus der Schule (wobei, dadurch, dass der Ganztag immer flächendeckender wird leider immer mehr, von daher wäre das für mich, neben meinen persönlichen Gründen, der dringenste für einen Schulbesuch meiner Tochter), es gibt andere soziale Gefüge, wie Vereine, Großfamilien, Familie überhaupt, Dorfgemeinschaften, Nachbarschaft etc. Ich denke, dass da schon jeder schauen können sollte, was für ihn am besten passt. Auch gibt es Kinder, die besser ohne das Sozialgefüge Schule aufgehoben sind.
    Dass Eltern sich dafür aus Faulheit entscheiden, halte ich für eher selten und wird auch auf Dauer nicht funktionieren. In Österreich wird z.B. dann keine neue Genehmigung für das nächste Schuljahr erteilt. Es gibt ja auch genug Kinder, die in der Schule nicht klarkommen.
    Ich verstehe Deine Einwände schon, denke aber, dass wir Familien insgesamt wieder mehr zutrauen sollten, anstatt so viel zu kontrollieren.
    Es gibt ja auch Schulformen, in denen Kinder sehr selbstbestimmt lernen. Klar gibt es auch da Kinder, die nicht so gut zurechtkommen. Genauso, wie es das an Regelschulen gibt.
    Ich halte viel von Vielfalt.

  • Ich fände das auch nicht schlecht. Dieser Schulzwang gefällt mir nicht.
    Freilernen wäre nun auch nicht meins und ich denke auch, dass es etwas realitätsferner ist bzw. die Kinder vor andere Probleme stellt, wenn sie später doch etwas lernen oder studieren wollen. Und wenn da überhaupt keine Kontrollen sind, gibt es bestimmt viele Kinder, die viel zu wenig von den Eltern mitbekommen, denn so ein Tag geht ja doch ziemlich schnell rum.
    Aber Homeschooling... warum nicht? Wenn mein Kind Probleme in der Schule hätte, wäre das durchaus etwas, was mir gefallen würde.

  • Nachdem ich über die Geschichte von André Stern, dem Sohn von Arno Stern gehört und gelesen habe, fand ich das sehr interessant, wie dieser Junge ohne Schule seinen Weg, doch sehr erfolgreich gegangen ist... Mittlerweile 3 oder 4 Sprachen spricht, sich das Gitarre spielen selbst beigebracht hat (ohne youtube), sowie lesen, schreiben und rechnen, manches auch weit nach seinem 6. Lebensjahr und vor Allem nachhaltig "gelernt" hat in Beziehungen zu seinen Mitmenschen in der Umgebung!
    Alles deshalb, weil seine Eltern zu 100% vertrauen in seine Fähigkeiten und nie Sorgen hatten, dass er etwas nicht schaffen könnte...


    Ob das heute noch so möglich ist, weiß ich nicht... die Kinder von André Stern besuchen zumindest keine Schule!


    Ich plädiere auch für viel mehr Vielfalt; für Neigungsfächer, in denen man besonders gut ist, die einen herausfordern und fördern, auf die man aufbauen kann; Fächer die einen auf das Leben und die Arbeit vorbereiten; Projekte, Präsentationen anstatt Klausuren; Lehrer und Schüler die Hand in Hand gemeinsam miteinander lernen, Erwartungen austauschen, abklären wo man noch Unterstützung braucht, was gut läuft; viel mehr Praktikas, um herauszufinden was einem liegt,...


    Aber dazu müsste sich ja u.a. erstmal der Inhalt(besonders Didaktik, Methodik & Pädagogik) des Lehrerstudiums ändern... und vor Allem das Denken der Gesellschaft...


    Was nicht ist, kann ja noch werden ✊ :rolleyes:;)

  • Es gibt ja durchaus Schulen, die das, was Du beschreibst, @Janella, mehr oder weniger machen. Montessorischulen z.B. oder Freie Schulen. Meistens ist es eine Mischung von begleitetem und selbstständigem Lernen, und die Persönlichkeitsbildung hat dort oft einen höheren Stellenwert als an vielen Regelschulen. Dann gibt es ja auch Demokratische Schulen oder Aktive Schulen, in denen das Lernen sehr frei geschieht.
    Ich glaub, egal um welche Schul- oder Lernform es sich handelt, es gibt immer Kinder, die dabei auf der Strecke bleiben und in einer anderen Schul- oder Lernform besser klarkommen würden.
    Da ist wohl jeder Jeck anders.


    Was nicht ist, kann ja noch werden

    Ein wahres Wort. :thumbup:

  • Ich glaube, diesen Wandel werden wir nicht mehr erleben. Aber es bewegt sich doch etwas. Die Nachfrage nach freieren Schulen und alternativen Bildungskonzepten ist da und wird weiter steigen. Und dann muss das ganze System umgestellt werden. Das dauert womöglich weitere 200 Jahre... ;)

  • Den Luxus, in einen Montessori - Kindergarten und danach auf eine Montessori - Grundschule gehen zu können, hat leider nicht jeder...
    Oftmals sind solche Schulmodelle rar und zu weit weg.
    Davon sollte es wirklich mehr geben!


    Dennoch traurig, dass sich "normale" Regelschulen so schwer tun, anders zu unterrichten!

  • Ich glaub, das ist von Schule zu Schule unterschiedlich.


    Eine gute Montessorischule arbeitet ohne Benotung und Prüfung, hat jahrgangsübergreifende Klassen, die Kinder haben eine Mischung aus begleiteter Freiarbeit, in der sie selbst wählen, was sie lernen, wobei die LehrerInnen darauf achten, dass ein Kind auf Dauer auch alles das lernt, was es können sollte. Aber das allein macht es ja nicht aus. Zugewandtheit ist wichtig, das soziale Miteinander der Kinder, die Verknüpfung mit dem "real life" außerhalb der Schule usw. Ich denke, die perfekte Schule gibt es da ohnehin nicht.


    Grundprinzipien der Montessoripädagogik sind: Lass mir Zeit (also kein Drängeln - was aber nicht laissez-faire bedeutet) und Hilf mir, es selbst zu tun. Außerdem ist der Kind "der Schmidt, seines Selbsts". Also wird Kinder der Raum gegeben, so zu sein, wie sie sind, und damit in einem sozialen Gefüge seinen Platz zu finden.


    Aber ich weiß nicht, ób Du das jetzt wissen wolltest, oder doch was anderes?

  • Ich finde es zwar interessant, würde mir aber nicht zutrauen, meine Kinder selbst zu unterrichten. Und ich glaube, dass es auch viele "asoziale" Eltern gibt, die ihr Kind nicht zur Schule schicken würden, aber statt mit ihm zu lernen, Bier trinkend auf dem Sofa sitzen. Eine strenge Kontrolle halte ich deshalb für sehr wichtig.

  • Wer soll denn das sein? 8o

    Damit ist jetzt sicher niemand aus dem Forum gemeint. :P
    Aber vorstellen könnte ich es mir auch. Wir haben in etwas weiterer Umgebung auch so "schlimme" Ecken. Entweder gehen die Eltern gar nicht erst vor die Tür oder sie bringen ihre Kinder morgens im Jogginganzug und holen sie mit Bierdose wieder ab. Die Kinder werden weitestgehend sich selbst überlassen und hängen die ganze Zeit draußen rum. Das kann ja nun auch nicht Sinn und Zweck des Freilernens sein. :cursing: Deswegen halte ich zumindest eine Bildungspflicht für wichtig und dazu eine Kontrollinstanz, die da auch wirklich hinterher ist.

  • Hallo alle,


    ich finde, hier im Forum wird momentan ganz schön viel gegen die Schule diskutiert. Können wir nicht froh sein, solch ein geordnetes System als Richtschnur für eine vielschichtige Gesellschaft vorweisen zu können, um relativ chancengleich ausbilden können? Zeichnet das unser Land nicht mit aus, ist es nicht eine Facette, um die uns viele in der Welt beneiden?

  • Naja, sagen wir mal so: Jedes Kind hat hier das Recht und die Pflicht auf Bildung und die Möglichkeit des Zugang dazu. Das ist sicherlich eine sehr große Errungenschaft, auch wenn es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.


    Das Problem ist, dass wir ein suboptimales Schulsystem haben, das eben keine Chancengleichheit garantiert, dadurch das früh Druck ausgeübt wird, benotet wird und in den meisten Bundesländern bereits nach der 4 Klasse in Leistungsniveaus eingeteilt wird, die den Kindern oft gar nicht gerecht werden, sich aber durchaus auf die Psyche und das Verhalten der Kinder auswirkt.
    Gesamtschule sind oft rar und nicht immer gut.


    Nicht grundlos gibt es nicht wenig Kinder, die bereits in der Grundschule mit Schulstress udn Depression zu kämpfen haben.


    Ich denke, wir haben eine gute Grundlage, aber unser Schulsystem Bedarf der dringenden Überarbeitung. Es gibt z.B. einiges von Skandinavien zu lernen.


    Freilernen oder Homeschooling könnten gleichwertige Alternativen zum bestehenden Schulsystem sein, die das System um eine Option ergänzen, ohne es komplett zu ersetzen. Ich denke, dass die Anzahl der Kinder, die zu Hause beschult werden würden, eher gering wäre und die an manchen Orten völlig überlaufenen Schulen nicht gefährden, noch nicht mal entlasten würden.

  • da stimmt ich Lynn voll und ganz zu, ich sehe es genauso!


    Hier bei uns ist es leider auch so, das die Kinder nun nach der 4 Klasse auf ein Gymnasium oder einer Oberschule gehen müssen. Wir haben unseren Sohn am Gymnasium angemeldet, doch wirklich glücklich sind wir damit nicht.
    Bei uns im ganzen Landkreis gibt es keine Gesamtschule, wo wir ihn lieber hin gehabt hätten. Im Nachbarort ( anderer Landkreis ) gibt es eine IGS, das ist allerdings eine Privatschule. Da sind wir gerade dran und versuchen mal, ob die ihn nehmen. Das ganze ist aber leider auch ziemlich teuer.


    In der Klasse meines Sohnes werden nur die Lernschwachen Kinder gefördert , die Kinder die gute Leistungen zeigen oder gefordert werden sollten, da passiert nichts. Wenn man nachfragt heißt es nur, das die dafür keine Zeit haben weil es zuviele Förderkinder gibt.


    Auch denke ich das dass Schulsystem dringen überarbeitet werden sollte!

  • @Len@
    Welche Chancen haben denn Schüler, die die Hauptschule verlassen, auf dem Arbeitsmarkt?
    Einige werden jetzt sagen, dann muss man sich eben mehr anstrengen, so dass man seinen Realschulabschluss schafft!
    Heutzutage werden ja schon Realschülern Ausbildungsplätze von Schülern weggenommen, die das Gymnasium besucht haben - so ist es bei meinem Partner in der Arbeit. Die nehmen ausschließlich Schüler mit Abitur, obwohl die Ausbildung auch für Realschüler gedacht ist...
    Das heißt, Realschüler nehmen wiederum die Ausbildungsplätze guter Hauptschüler weg - da sehe ich überhaupt keine Chancengleichheit!


    Auch wenn so langsam alle Hauptschulen in Werkrealschulen umgewandelt werden, hat es das eigentliche Problem, meiner Meinung nach, nicht gelöst!


    Dieses System bewertet einen nach Noten und schaut nicht nach dem Mensch, was in ihm steckt und welche Potenziale/Begabungen er hat.


    Wie schon in einem anderen "Thema" erwähnt, gibt es durchaus Schulen, die es schaffen nachhaltig zu unterrichten!
    Diesen Schulen sollte viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden und davon sollte es mehr geben!

  • Ausbildungsplätze wegnehmen? Sehe ich anders. Wer einen höheren Schulabschluss hat, auf den wartet der Lohn, mehr Auswahl unter den beruflichen Möglichkeiten zu haben.
    Wäre doch schlimm, dass wenn ein Kind Abitur gemacht hat, es keinen Beruf erlernen darf, obwohl es sich genau diesen wünscht, der aber für Realschüler ist.
    Und ein bisschen Verständnis habe ich auch für die Arbeitgeber. Sie machen gute und schlechte Erfahrung. Und wenn sie das Gefühl haben, dass sie in ihrem Betrieb besser mit Abiturienten zurecht kommen, ist es doch ihr gutes Recht, diese zu bevorzugen.

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