Logopädie

1. Definition von Logopädie

Hintergrund des Begriffs Logopädie ist die Wortableitung aus dem Altgriechischen

 

Logos = Wort

Paideuein = Erziehen

 

wonach Logopädie also die Sprecherziehung ist. Und genau dies trifft es auf den Punkt. Unter Logopädie wird die Sprachheilkunde verstanden, also ein Fachbereich der Gesundheitsbranche, der sich mit Störungen in der verbalen, zwischenmenschlichen Kommunikation befasst. Einer dortigen Beeinträchtigung können verschiedene Ursachen zugrunde liegen, namentlich als Störungen in der Sprache, beim Sprechen, mit der Stimme, dem Schlucken oder dem Hören genannt.

 

Logopaedie

 

 

Vorrangig stellt die Logopädie ein therapeutisches Mittel dar, ihr zentrales Anliegen ist also kurativer Natur. Dennoch können in Abhängigkeit vom Störungsbild auch präventive, beratende, diagnostische oder rehabilitative Charakter im Vordergrund stehen.

 

Die Zielgruppenbestimmung der Logopädie ist nur schwer möglich, spricht sie doch vorrangig alle Menschen, die in ihrer verbalen Kommunikation beeinträchtigt sind, an. Geschlechtlich agiert die Logopädie somit neutral. Welche Altersgruppe im Vordergrund steht, hängt natürlich von der Art des Störungsbildes ab. So kann der rehabilitative Charakter gerade bei älteren Menschen im Zuge einer Schlaganfallbehandlung im Zentrum stehen, während präventives Arbeiten vor allem bei der jüngeren Altersgruppe als Ergänzung einer ganzheitlichen Beseitigung von Entwicklungsverzögerungen den Fokus definiert.

 

Aus dieser Tatsache ergibt sich oftmals eine Spezialisierung logopädischer Praxen. Dabei bildet die frühkindliche Therapie den häufigsten Ansatz logopädischer Fachkräfte, da sich gerade im Rahmen der Sprachentwicklung von Kleinkindern etwaige logopädische Problemlagen herauskristallisieren.

 

2. Die häufigsten logopädischen Störungsbilder

Es gibt viele kindliche Störungsbilder, die die Einleitung logopädischer Behandlungen induzieren. Manche von ihnen sind äußerst bekannt, andere wiederum glücklicherweise eher die Seltenheit. Dabei lassen sich die Beeinträchtigungen den logopädischen Hauptbereichen zuordnen:

 

2.1 Sprachstörungen

  • Spracherwerb
  • Lautentwicklung und –bildung
  • Sprachverständnis und Text(re)produktion
  • Wortschatzbildung
  • Grammatik
  • Kommunikationsverständnis

Außerdem fällt ein durch eine Hirnschädigung verursachter Sprachverlust in diesen Bereich.

 

2.2 Stimmstörungen

mit

  • organischen, also in körperlichen Defiziten oder
  • funktionellen, also in Stimmeinsatz

begründeten Ursachen

 

2.3 Schluckstörungen

ebenfalls mit

  • organischen oder
  • funktionellen

Hintergründen

 

2.4 Sprechstörungen

als

  • Probleme in der Ausdrucksfähigkeit
  • Stottern
  • Poltern
  • Sprachblockade
  • von Hörproblemen herrührende Sprachdefizite

 

2.5 Komplexe logopädische Störungsbilder

Sie stellen eine der häufigsten logopädischen Indikationen dar und beruhen auf der ganzheitlichen Wahrnehmung frühkindlicher Störungsbilder, in deren Kontext auch die Sprache beeinträchtigt wird.

Beispiele hierfür sind

  • Autismus
  • Allgemeine Entwicklungsverzögerung
  • Auditive Wahrnehmungsstörungen
  • Geistige Behinderung
  • Beeinträchtigung der Hörfähigkeit
  • Mund-, gesichts- oder kieferspezifische Fehlbildungen

 

 

Logopaedie-Grafik

 

3. Inhalte und Schwerpunkte

Die Behandlungsmethode schlechthin zur Behebung von Störungen im Sprach- und Sprechverhalten gibt es nicht. Denn so vielfältig wie die frühkindlichen Störungsbilder, die zur Inszenierung einer logopädischen Versorgung führen, sein können, so weitreichend sind auch die Behandlungskonzepte, die im besten Fall individuell auf jedes einzelne Kind zuzuschneiden sind.

Dabei ist es natürlich eine zentrale Aufgabe des Logopäden, eine für die jeweilige Beeinträchtigung angemessene Therapiearbeit zu leisten. Aus diesem Grund lässt sich eine detaillierte logopädische Behandlung nur schwer skizzieren. Wohl aber der Behandlungsablauf sollte festgelegten Schemata folgen, anhand derer sich auch die Qualität erkennen lässt.

 

3.1 Diagnostik

Am Anfang jeder logopädischen Behandlung steht zunächst ein ausführliches Diagnoseverfahren, welches auch dann nicht entbehrlich ist, wenn eine logopädische Therapienotwendigkeit bereits durch den Kinder- oder Facharzt festgestellt wurde. Schließlich nimmt das Diagnoseverfahren bereits eine wichtige Funktion im Rahmen des Kennenlernens und des Aufbaus eines professionellen Patient-Therapeuten-Verhältnisses wahr.

Aus diesen Gründen sowie im Sinne einer passgenauen Therapiekonzeption sollte auf die logopädische Diagnostik keinesfalls verzichtet werden. Sie gliedert sich in drei Abschnitte:

 

3.1.1 Anamnese:

Sie ist eine allgemeine „Bestandsaufnahme“ in einem persönlichen Gespräch mit den Eltern, in dem die gesamte Entwicklung mit dem Fokus auf die Sprach- und Defizitentwicklung des Kindes erfasst wird. Hier können gegebenenfalls Eltern- und Erzieherfragebögen involviert sein.

 

3.1.2 Kontakt

Im spielerischen Zusammenhang wird eine erste Kontaktaufnahme zum Kind initiiert um einerseits eine Vertrauensbasis zu schaffen, andererseits jedoch auch festzustellen, inwiefern das Kind im Alltagszusammenhang zur verbalen und nonverbalen Kommunikation fähig ist und ob sich etwaige Defizite in bestimmten Situationen besonders zeigen, ohne dabei eine künstliche Untersuchungssituation herzustellen.

 

3.1.3 Untersuchung

Am Ende des Diagnoseverfahrens steht eine explizite logopädische Untersuchung, die basierend auf logopädischen Methoden von einer Fachkraft durchzuführen ist. In ihrem Rahmen werden ausdrücklich sprachliche Defizite und Ressourcen herauszufinden versucht.

 

Die in diesen drei Diagnoseschritten gewonnenen Erkenntnisse werden in einem Bericht zusammengefasst, welcher neben einer Beschreibung der Untersuchungssituation und der angewandten Methoden auch eine Diagnosestellung und die genaue Planung des Therapieablaufs beinhaltet. Der Inhalt dieses Schriftstücks ist mit den Eltern im Detail zu besprechen.

 

3.2 Logopädische Therapie

Wie bereits erwähnt, sind die logopädischen Therapieansätze von der Art des diagnostizierten Störungsbildes abhängig und werden in ihren Details samt Zielsetzung und Maßnahmen im Diagnose- und Behandlungsplan festgeschrieben. Dabei sollte gerade im frühkindlichen Bereich eine möglichst breite Palette etwaiger Techniken und Hilfsmittel zur Anwendung kommen.

Atemtechniken, Entspannungsübungen, Mund- und Zungengymnastik oder Sprechtraining seien hier nur als Beispiele aus dem Bereich des Möglichen genannt. Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass logopädische Therapieeinheiten sich auf zweierlei Vorgehensweisen stützen:

 

3.2.1 Direkte Logopädie

Der Patient, in diesem Fall das Kind, ist sich in dieser Situation über die Zielgerichtetheit der durchgeführten Übungen im Klaren. Es handelt sich also um ein gezieltes logopädisches Behandeln, in dessen Zentrum das Vermitteln von Übungstechniken steht. Dies dient der Schaffung einer Trainingsgrundlage für Zuhause beziehungsweise der Simulation von Situationen gestörten Sprachverhaltens sowie dem Erlernen einer adäquaten Reaktion.

 

3.2.2 Indirekte Logopädie

Während der indirekten Logopädie läuft die Behandlung subtil ab, ohne dass sich das Kind dessen bewusst ist. Grundlage bildet eine fachkompetente Planung dieser Behandlungssituation, in deren Kontext nunmehr eine ungezwungene Spiel- und Sprechsituation inszeniert wird, die jedoch in Aufbau, Inhalt und Ablauf an zahlreichen Stellen das vorhandene Defizit aufgreift. In dieser Methodik ist ein immenser Praxisbezug gegeben, der eine Übertragung des Gelernten auf den Alltag erleichtert.

 

3.3 Beratung und Elternarbeit

Beratung nimmt im logopädischen Kontext immer einen hohen Stellenwert ein, im Zuge der frühkindlichen Therapie gestaltet diese sich in der Regel als Elternarbeit aus. Üblicherweise finden logopädische Sitzungen in Abwesenheit der Eltern statt, so dass für diese regelmäßige Beratungseinheiten angeboten werden müssen.

In deren Rahmen erfahren die Eltern vieles über die Ressourcen und Defizite ihres Kindes und werden über Fort- und Rückschritte auf dem Laufenden gehalten. Elementar ist jedoch die Vermittlung von Übungswissen, also der Fähigkeit, direkte logopädische Behandlungsmaßnahmen selbst zuhause anzuleiten und im indirekten Behandlungskontext fördernde Spiel- und Sprechsituationen zu inszenieren.

 

4. Die Chancen und Grenzen der Logopädie

Warum Logopädie? Diese Frage stellt sich vermutlich jedes Elternteil, wenn von Seiten des Kinderarztes oder der Kinderbetreuungseinrichtung die Initiierung einer Sprachtherapie angeraten wurde oder man gar selbst festgestellt hat, dass im Sprachverhalten Diskrepanzen gegenüber Gleichaltrigen bestehen.

 

Fakt ist, dass sich dank der Logopädie auch für schwer sprachgestörte Kinder Chancen auf Heilung, zumindest jedoch auf Besserung eröffnen. Nichtsdestotrotz ist Logopädie kein „Wundermittel“, sondern stößt auch an ihre Grenzen.

 

4.1 Die Chancen

  • Behandlungsmöglichkeit von Defiziten im Sprechverhalten, egal ob diesen eine Sprach-, Sprech-, Stimm- oder Schluckstörung zugrunde liegt.
  • wichtiger Therapiebaustein im Kontext einer ganzheitlichen Behandlung komplexer Störungsbilder
  • je nach Indikation als alleinige Therapie bei vollständigem Verzicht auf medikamentöse und invasive Maßnahmen anwendbar
  • Methodenvielfalt, die individuelle Behandlungskonzepte zulässt
  • anwendbar auf alle Altersstufen, also bereits im frühkindlichen Bereich
  • Möglichkeit der frühzeitigen Prävention späterer Lese- und Rechtschreibschwächen
  • kindgerechte Mischung aus direkter und indirekter Vorgehensweisen

 

4.2 Die Grenzen

  • Behandlungserfolg stark abhängig von Störungsbild, Qualität, Quantität und Beginn der logopädischen Therapie
  • häufig ausschließlich im kurativen und rehabilitativen, nicht aber im präventiven Bereich durch Kostenübernahme charakterisiert
  • allzu oft Leistungsbeschränkung durch Budgetierung
  • Voraussetzung ist die erfolgreiche Behandlung eventuell bestehender Grunderkrankungen (Hördefizite)

 

5. Kosten und Kostenübernahmen

5.1 Krankenversicherung

Logopädie zur Behandlung frühkindlicher Sprachdefizite ist eine medizinische Leistung, deren Kostenübernahme prinzipiell dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen obliegt. Aus diesem Grund ist eine ärztliche Verordnung zwingende Voraussetzung. Liegt diese vor, so ist die Logopädie eine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkasse, woraufhin diese alle anfallenden Kosten zu tragen hat.

Eine Zuzahlung, wie sie Erwachsene leisten müssen, fällt nicht an. Auch Beihilfeberechtigte haben einen Anspruch auf logopädische Versorgung, da diese zu den beihilfefähigen Aufwendungen zählt. Versicherte privater Krankenkassen hingegen müssen aus dem Maßnahmenkatalog ihres Versicherers entnehmen, ob und in welchem Umfang die Logopädie finanziell abgedeckt ist.

 

5.2 Komplexleistung

Alternativ zur durch die Krankenkasse finanzierten Logopädie als singuläre Leistung besteht die Möglichkeit, Sprachtherapie im Rahmen einer Komplexleistung als Baustein einer ganzheitlichen Behandlung von Entwicklungsdefiziten zu initiieren. In diesem Fall ist Kostenträger das zuständige Sozialministerium, über welches die Komplexleistung beantragt und finanziert wird.

 

5.3 Sprachprojekte

Nicht zuletzt gibt es gerade im Vorschulbereich gehäuft Projekte, die auf die Verbesserung des Sprechverhaltens abzielen. Zumeist als Sprachfrühförderung bezeichnet, richten sich derartige Angebote an Kinder mit erkennbaren Artikulationsstörungen, denen häufig mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache zugrunde liegen.

Derartige Angebote werden zumeist als Modellprojekte finanziert und von den entsprechenden Verantwortungsstellen in ihren Kosten getragen. Eventuell kann ein Eigenanteil erhoben werden.

 

6. Zuständigkeit und Ansprechpartner

Wer der korrekte Ansprechpartner für die Einleitung und Durchführung einer logopädischen Therapie ist, hängt zentral von der zugrunde liegende Fragestellung ab:

 

6.1 Grundsätzlich ist der Kinderarzt die erste Anlaufstelle, wenn der Verdacht einer logopädischen Behandlungsindikation besteht. Dieser kann unter gegebenen Umständen auch die Involvierung eines Facharztes in die Wege leiten. Die letztendliche Notwendigkeit einer Therapie ergibt sich aus dem logopädischen Diagnoseverfahren. Für dieses wie auch für die Durchführung der Behandlung ist eine auf die frühkindliche Zielgruppe spezialisierte Fachpraxis für Logopädie die geeignete Adresse.

 

6.2 Besteht die sprachtherapeutische Indikation als Teil einer komplexen Entwicklungsstörung, so ist die Logopädie als Komplexleistung induziert. Entsprechende Maßnahmen werden durch Kontaktaufnahme zu einem Frühförderzentrum in die Wege geleitet, das den logopädischen Behandlungsbedarf im Rahmen des ohnehin stattfindenden Gesamtdiagnoseverfahrens feststellt. Insofern kein eigener Logopäde im Frühförderzentrum beschäftigt wird, besteht zumindest eine Kooperation zu entsprechenden Fachpraxen, wo die Behandlungseinheiten wahrzunehmen sind.

 

6.3 Ist die Logopädie hingegen weder medizinisch noch entwicklungsspezifisch begründet, so kommt die Teilnahme an einem Projekt der Sprachfrühförderung in Betracht. Derartige Veranstaltungen werden von Kindergärten oder Volkshochschulen angeboten, so dass eine Kontaktaufnahme dorthin angeraten ist. Es handelt sich lediglich um eine Unterstützungsmaßnahme, nicht jedoch um eine Therapie im medizinischen Sinne.