Aufmerksamkeit-Defizit- Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS)

1. ADHS – eine Definition

Hinter ADHS verbirgt sich eine psychisch-neurologische Funktionsstörung, die bereits im Kindesalter ihre Anfänge nimmt und die auch als Hyperaktivitätssyndrom oder Hyperkinetische Störung bezeichnet wird. Die Abkürzung ADHS leitet sich dabei aus der fachlich korrekten Bezeichnung ab:

 

A    =    Aufmerksamkeits-

D    =   Defizit-

H    =   Hyperaktivitäts-

S    =   Syndrom

 

Hinter ADHS verbirgt sich also das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, womit damit bereits die hauptsächlichen Symptome zusammengefasst wurden: Ein Defizit der Aufmerksamkeit mit Elementen einer Hyperaktivität. Eine Ursache dieser Erkrankung konnte bislang noch nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

 

Gerade in den letzten Jahren hat die Anzahl gestellter ADHS Diagnosen drastisch zugenommen. Wurden früher die Kinder aufgrund ihrer motorischen Unruhe als Zappelphillipp „abgestempelt“, so weiß man heute, dass ADHS als reelles Krankheitsbild ursächlich ist. Der Beiname „Zappelphillipp-Syndrom“ hat sich dennoch bis heute gehalten.

 

 

ADHS-Grafik

 

2. Ursachen von ADHS

Gerade der Zuwachs an ADHS Erkrankungen innerhalb der letzten Jahre führte dazu, dass eine aktive Ursachenforschung betrieben wurde. Die bisherigen Ergebnisse sind allerdings nur mäßig befriedigend.

 

Als Quintessenz aller Studien kann festgehalten werden, dass es die Ursache schlechthin für ADHS Problematiken nicht gibt. Stattdessen geht man davon aus, dass verschiedene Faktoren eine Entstehung dieser psychischen Erkrankung begünstigen und in ihrem Zusammenspiel einen Ausbruch initiieren. Als mitverantwortlich erkannt wurden:

 

2.1 Genetische Ursachen

In Studien konnte eine genetische Disposition zur Entstehung einer ADHS Problematik erkannt werden Trat also innerhalb der Familie, beispielsweise bei Eltern, Geschwistern oder anderweitig in gerader und seitlicher Linie verwandten Personen ein ADHS auf, so erhöht sich die Gefahr einer Erkrankung weiterer Familienmitglieder.

 

2.2 Schwangerschafts- und geburtsspezifische Ursachen

Problematische Schwangerschafts- und Geburtsverläufe dürfen als mitverantwortlich für ADHS Symptome angesehen werden. Alkohol- und Nikotinabusus in der Schwangerschaft, eine frühe oder komplikationsreiche Geburt können direkten Einfluss auf die Hirnfunktionen nehmen. Defizite in Motorik, Sprache, Wahrnehmung, Konzentration und der Affektkontrolle sind die häufige Folge, womit eine direkte Verbindung zu ADHS Symptomen besteht.

 

2.3 Hirnorganische Ursachen

Auch eine direkt im Gehirn befindliche Ursache von ADHS konnte bislang noch nicht ausgeschlossen werden. Eine mittlerweile nachgewiesene Hirndurchblutungsstörung bei hyperaktiven Kindern sorgt für eine fehlerhafte Reizverarbeitung. Auch eine defizitäre Informationsweiterleitung durch eine Funktionsstörung der hierfür verantwortlichen Botenstoffe ist nicht auszuschließen.

 

2.4 Schädliche Umwelt- und Lebenseinflüsse

Auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass ADHS vielfältige Ursachen haben kann, so bleibt ein begünstigender Einfluss schwieriger Lebensverhältnisse bestehen. Hoher Fernsehkonsum, Bewegungsmangel, wenig Naturerfahrung, mangelnde Aufmerksamkeit der Bezugspersonen und permanente Misserfolgserlebnisse sind zwar nicht zwingend als Hauptursache zu benennen, begünstigen die Entstehung eines ADHS allerdings in unverhältnismäßigem Ausmaß.

 

3. ADHS betroffener Personenkreis

Wer an einem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom erkrankt, lässt sich aufgrund der unklaren Ursache logischerweise schwer erfassen. Nichtsdestotrotz gibt es gewissermaßen „ADHS Zielgruppen“ im negativen Sinne.

 

Es erkranken

 

  • überwiegend Kinder und Jugendliche, wobei die Symptome am häufigsten bereits im Kindergarten- und Grundschulalter auftreten und selten sogar bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben können,
  • Personen, die den genannten Ursachengruppen zuzuordnen sind und
  • Jungs deutlich häufiger als Mädchen.

 

4. Symptome von ADHS

Bei der Benennung von ADHS Symptomen muss klar unterschieden werden zwischen dem, was ist und dem, was wahrgenommen wird. Es gibt klare Anzeichen, die für das Vorliegen eines Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom sprechen. Zumeist sind es jedoch die wahrgenommenen Folgen, die die Aufmerksamkeit der Eltern, Erzieher, Lehrer und aller Bezugspersonen auf sich ziehen. Entsprechend wurden für die ADHS Symptomatik zweierlei Abstufungen geschaffen: Zum einen die Kernsymptome, die ADHS auch in der Krankheitsklassifizierung nach ICD-10 beschreiben, und zum anderen die Folgesymptome, die sozusagen als soziale Auswirkungen des Krankheitsbilds verstanden werden können.

 

4.1 Kernsymptome

Insgesamt drei Kernsymptome werden der ADHS Erkrankung zugeschrieben:

 

4.1.1 Aufmerksamkeitsstörung

Kinder mit ADHS leiden unter einer stark eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit. Grund hierfür ist, dass allzu häufig eine Unfähigkeit vorherrscht, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Es kommt zu einer wahren Reizüberflutung – ein Ignorieren unwichtiger Reize ist diesen Kindern schlichtweg unmöglich. Konzentrationsaufgaben scheitern folglich an der starken Ablenkbarkeit, die Wahrnehmung wird von Flüchtigkeit dominiert.

 

Typische Eigenschaften von ADHS Kindern sind aufgrund dieser Aufmerksamkeitsstörung:

 

  • Sie vermitteln ständig den Eindruck, nicht richtig hinzuhören oder hinzusehen, einfach nicht bei der Sache zu sein
  • ein fehlender Sinn für Details
  • scheinbare Träumereien
  • unvollständige Ausführung klarer Anweisungen meist zu Lasten der Details
  • gedankliches Abdriften bei Erklärungen, Anschein der gedanklichen Abwesenheit
  • häufiger Abbruch begonnener Aktivitäten
  • hohes Ablenkungspotenzial selbst unwichtigster Nebensächlichkeiten
  • auffallende Vergesslichkeit
  • Vermeidung geistig anfordernder Aufgaben
  • fehlende Organisationsfähigkeit
  • wahrgenommene Schlampigkeit, also häufiges Vergessen und Verlegen wichtiger Utensilien

 

4.1.2 Impulsivität/emotionale Instabilität

Eine weitere Schwierigkeit bei ADHS ist die große Impulsivität der Kinder. Sie haben ihre Reaktionen nur schwer unter Kontrolle, sondern handeln überwiegend aus ihrem ersten Impuls heraus. Dies führt in Kombination mit der permanenten Reizüberflutung dazu, dass ständig Aktionen ausgeführt werden, deren Folgen nicht abgewogen sind. Ein permanentes Hinwegsetzen über Regeln und Verbote ist die unschöne Konsequenz.

Mit dieser Impulsivität geht auch eine emotionale Instabilität einher. Ein adäquater Umgang mit Gefühlen ist nur schwer möglich, so dass es häufig zu vollkommen überzogen wirkenden Übersprunghandlungen kommt. Gerade die Frustrationstoleranz ist äußerst gering, aggressive Explosionen sind daher die Regel. Mit diesen Stimmungsschwankungen gehen eine leichte Reizbarkeit und sensible Reaktionen einher.

Probleme, die sich mit dieser Impulsivität einstellen, sind oft folgender Natur:

 

  • permanente Meinungsäußerung auch in unangemessenen Situationen
  • erscheinende Distanz- und Respektlosigkeit
  • ständiges Einmischen in Gespräche oder Aktivitäten anderer
  • häufige Tätigkeitswechsel
  • Hinwegsetzen über Grenzen, Regeln und Verbote, selbst beim Wissen um die entsprechenden Strafen
  • verbale Unterbrechung anderer
  • fortlaufender Erzählungsdrang ohne Rücksicht auf die Reaktionen anderer
  • nicht selten Dominanz gefährlicher Handlungen, die mit dem Wunsch, etwas auszuprobieren, erklärt werden

 

4.1.3 Hyperaktivität

Hyperaktivität, also ein übermäßiger Bewegungsdrang, ist im Rahmen des ADHS ein Kernsymptom, wobei es auch eine Krankheitsausprägung ohne eine hyperkinetische Beteiligung gibt. Dann wird jedoch von ADS, also ohne die Hyperaktivitäts-Komponente, gesprochen.

Wird die Erkrankung von Hyperaktivität begleitet, so zeigen die Kinder eine ihrem Alter ganz und gar nicht mehr angemessene Unfähigkeit, ihren Bewegungsdrang zu kontrollieren. Sie erscheinen überdreht, aufgeregt und zappelig und lassen sich selbst durch die kleinsten Anlässe zu neuen Bewegungsoffensiven motivieren. Eine äußere Einflussnahme auf dieses Verhalten ist nahezu unmöglich – der Bewegungsdrang lässt sich auch mit Strafen, Belohnungen oder in unangemessenen Situationen nicht eindämmen. Die größte Problematik, die damit einhergeht, ist die Begleitung dieser äußeren Hyperaktivität von einer inneren Unruhe. Die betroffenen Kinder stehen unter permanenter Hochspannung, die sich durch kleinste Auslöser Bahn bricht. Wutanfälle, Schreiben, Toben und Aggressionen sind das Ergebnis.

 

Die Hyperaktivitätskomponente bei ADHS zeigt sich wie folgt:

 

  • permanentes Bewegungsbedürfnis auch in unangemessenen Situationen
  • motorische Unruhe, die sich in körperlicher Aktivität in nicht selten gefährlichem Ausmaß Bahn bricht
  • in ruhigen Situationen werden zappeln und hampeln, schaukeln und wippen beobachtet
  • ständige Bewegung der Finger durch Nesteln an allen greifbaren Gegenständen
  • auffällige Ungeduld
  • ständig wechselnde Aktivitäten
  • rascher Abbruch begonnener Aktionen
  • plötzlicher Bewegungseinschuss
  • meist verbal ausufernde Begleitung ausgeführter Aktivitäten

 

4.2 Folgesymptome

Die hier genannten Kernsymptome des ADHS zeigen ihre Ausprägung im sozialen Leben. Daraus resultieren unangenehme Folgen, die eine solche Erkrankung nach sich zieht. Diese werden als Folgesymptome des ADHS zusammengefasst:

 

4.2.1 Soziale Problemlagen

  • permanente Grenzüberschreitung, Regelverstöße und unangemessene Verhaltensweisen führen zum unangenehmen Auffallen
  • erschwerte Eingliederung in soziale Gruppen
  • häufige Kontaktabbrüche
  • problematische Sozialkontakte in allen Belangen

 

4.2.2 Selbstwertproblematik

  • Selbst- und Fremdwahrnehmung als „schwieriges Kind“
  • gehäufte Maßregelungen
  • Stimmungsschwankungen mit depressiven Zügen
  • emotionale Sensibilität
  • regelmäßige Misserfolge in zahlreichen Lebensbereichen

 

4.2.3 Lerndefizite

  • normale bis überdurchschnittliche Intelligenz
  • Hausaufgaben und Lernsituationen werden zur immensen Belastungssituation
  • Leistungsabfall aufgrund mangelnden Konzentrationsvermögens
  • Fehler liegen oft nicht in vollständigem Unverständnis begründet, sondern in der unvollständig ausgeführten Arbeitsanweisung

 

4.2.4 Teilleistungsschwächen

  • Einschränkungen in einzelnen Entwicklungsbereichen wie zum Beispiel Sprache, Feinmotorik, Gleichgewichtssinn oder Wahrnehmung usw.

 

5. Diagnosestellung bei ADHS

Die Stellung der Diagnose ADHS gehört in die Hände eines Facharztes. Dies bedeutet, dass die Eltern bei Feststellen verschiedener Symptome sich zunächst an den betreuenden Kinderarzt wenden. Nach einer ersten Einschätzung überweist dieser an eine kompetente Fachkraft, bei der es sich in der Regel um einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie handelt. Aber auch ein Kinder- und Jugendpsychologe ist im komplexen Themenfeld des ADHS bewandert.

 

Auf ein erstes Gespräch folgt ein umfassendes Diagnoseverfahren, welches den gesamten körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklungsstand des Kindes erfassen soll:

 

  • Fragebogenanamnese über Eltern, Erzieher, Lehrer und Bezugspersonen zu verschiedenen Symptomen,
  • Intelligenz- und Persönlichkeitstests,
  • Tests zu Leistungsschwächen,
  • Konzentrationsüberprüfung,
  • EEG, Labor, Ganzkörperstatus,
  • Entwicklungsstatus sowie
  • körperliche und neurologische Untersuchung.

 

Ungeachtet der Ergebnisse dieser Testverfahren wird die Diagnose ADHS gestellt, wenn verschiedene Kernsymptome über mehr als sechs Monate in mindestens zwei verschiedenen Lebensbereichen kontinuierlich aufgetreten sind.

 

  1. 6. Die Behandlung von ADHS

Die ganzheitliche Ursächlichkeit und Symptomatik von ADHS macht eine ebenso ganzheitliche Behandlungsstrategie erforderlich. Folglich kommt nicht ein Behandlungsverfahren zum Einsatz, sondern eine Kombination aus mehreren verschiedenen Ansätzen:

 

  • medikamentöse Behandlung mit schulmedizinischem oder homöopathischem Ansatz
  • psychotherapeutische Maßnahmen wie beispielsweise Verhaltenstherapie oder kognitive Therapie
  • Entwicklungstherapeutische Maßnahmen wie Frühförderung, Ergotherapie, Mototherapie
  • familienunterstützende Leistungen wie Familienberatung, Familientherapie, Selbsthilfegruppen, Elterntraining, Hilfen zur Erziehung
  • sonstige Hilfestellung wie Ernährungsberatung, Selbsthilfegruppe und schulische Integrationsmaßnahmen

 

7. Praxistipps für Familie, Freizeit und Freundeskreis

7.1 Positiver Beziehungsaufbau

ADHS Kinder sind emotional instabil und zeigen eine große Sensibilität. Dies geht mit einem eingeschränkten Gefühl von Sicherheit einher, Unsicherheit wiederum verstärkt die Symptome. Deshalb ist ein liebevoll geprägtes Verhältnis zwischen den Bezugspersonen und dem Kind das A und O. Dieses erwächst aus einem von Respekt und Achtung geprägten Umgang sowie einer Erziehung frei von physischer und psychischer Gewalt auch in schwierigen Situationen.

 

7.2 Strukturen und Rituale

Unsicherheit lässt sich am besten mit stabilen Rahmenbedingungen begegnen. Deshalb sollte der Tagesablauf klar strukturiert werden und den Kindern tägliche Fixpunkte liefern, an denen sie sich orientieren können. Immer wiederkehrende Abläufe sollten einem festen Ritual folgen, da auch diese Sicherheit vermitteln. Essens- und Einschlafsituationen seien als zu ritualisierende Beispiele genannt. Auch feste Uhrzeiten geben einen strukturierten Rahmen.

 

7.3 Regeln und Grenzen

Überspringende Handlungen und Impulsivität bei ADHS Kindern führen häufig zu einem überschreiten von Grenzen und zu einem Brechen geltender Regeln. Dennoch sind diese von elementarer Bedeutung, denn auch sie werden zu Fixpunkten im täglichen Handeln. Die aufgestellten Regeln müssen klar durchdacht und zuvor offiziell ausgesprochen und im besten Fall sogar festgeschrieben sein, eine Regeländerung ist nicht vorgesehen, ein Abweichen wird stets mit der gleichen Konsequenz belegt. Gerade im Rahmen der Integration des ADHS in den kindlichen Alltag spielen diese Grenzen eine wichtige Rolle. Außerdem dienen sie der gesellschaftlichen Wertevermittlung, die auch bei ADHS Kindern unabdingbar ist.

 

7.4 Belohnungssystem statt Strafe

Im erzieherischen Kontext kann man sowohl mit positiven Verstärkern, also Belohnungen, als auch negativen Verstärkern, also Strafen, arbeiten. Im Zuge von ADHS hat sich herauskristallisiert, dass unerwünschtes Verhalten sich mit negativen Konsequenzen nicht eindämmen lässt, da die Kinder die Folgen ihres Handeln billigend in Kauf nehmen. Strafen würden das ohnehin stark negative Selbstvertrauen nur noch mehr belasten. Stattdessen hilft ein Belohnungssystem, bei dem erwünschte Verhaltensweisen positiv verstärkt werden. Hierfür eignet sich eine Vergabe von Pluspunkten für belohnungswürdiges Verhalten. Für das Erreichen einer bestimmten Punkteanzahl wird dann eine Belohnung vergeben.

 

7.5 Bewegungsangebot

Die Hyperaktivität ist bei ADHS ein sehr belastendes Problem, da der Bewegungsdrang sich zwar eine gewisse Zeit unterdrücken lässt, dann jedoch umso stärker hervorbricht. Deshalb ist es wichtig, den betroffenen Kindern ein motorisches Angebot zu unterbreiten. So sollte aktive Bewegung einen festen Platz im Tagesrhythmus erhalten und auch gezielt eingesetzt werden, wenn die motorische Unruhe im Tagesverlauf zunimmt. Bewegungen im Freien sind dabei am sinnvollsten.

 

7.6 Geduld, Ruhe und Entspannung

Aufmerksamkeitsstörungen erschweren das Erfassen selbst kleinster Aufgaben: die Gedanken schweifen  ab, selbst Nebensächlichkeiten erlangen eine immense Bedeutung. Folglich müssen Anweisung oft mehrfach wiederholt werden. Eltern sollten dabei stets geduldig bleiben und mit Ruhe an Probleme herangehen. Aufgeregte Reaktionen des sozialen Umfelds ziehen unerwünschterweise ein erneutes Aufpuschen des ADHS Kindes nach sich. Bei älteren Kindern kann sogar der gezielte Einsatz von Entspannungsübungen sinnvoll sein.

 

7.7 Kontakte fördern

ADHS Symptome gehen mit erschwerten Sozialkontakten einher. Ein Aufbau von Freundschaften gestaltet sich schwierig, oftmals sind diese nicht von langer Dauer. Auch eine Integration in bestehende Gruppen ist nicht einfach. Deshalb sollten Eltern diesbezüglich Hilfestellung geben und sich anbahnende Freundschaften aktiv durch Einladungen unterstützen, wobei eine zeitliche Begrenzung der gemeinsamen Erlebnisse zu empfehlen ist. Gerade bei extrem ungestümen Kindern kann es notwendig sein, dass ein Elternteil dem Treffen beiwohnt und gezielte Spielangebote unterbreitet. Diese Vorgehensweise ist absolut sinnvoll und kann helfen, eine stabile Freundschaft frustbefreit aufzubauen.

 

7.8 Loben, Motivieren und Selbstvertrauen stärken

Leider bekommen ADHS Kinder aufgrund ihrer auffälligen Verhaltensweisen von ihrer Umwelt immer wieder negatives Feedback. Erfolgserlebnisse werden sogar zur Seltenheit. Umso wichtiger ist es, dass innerhalb der Familie positive Ansätze, so gering sie auch sein mögen, umfassend gelobt werden. Diese Hervorhebung positiver Eigenschaften stärkt das Selbstvertrauen, welches mit gezielten aber definitiv bewältigbaren Aufgaben nochmals unterstützt werden kann. Außerdem sollte immer erst dann eine neue Anforderung vorgebracht werden, wenn die alte zufriedenstellend erledigt wurde.

 

7.9 Kommunikationsregeln

  • ruhige Ansprache in einer gediegenen Tonlage
  • vermeiden aufgeregter verbaler Äußerungen
  • Verwendung positiver Formulierungen
  • stets nur eine Anweisung geben und diese in einfacher, klarer und präziser Form mitteilen
  • verbindliches und bestimmtes Auftreten der Bezugspersonen in allen Bereichen, vor allem jedoch im Rahmen von Regel- und Grenzdiskussionen
  • Verzicht auf Zynismus, Ironie oder Aggression
  • körperlicher Kontakt während Gesprächen
  • verbale Aussagen mit Gesten untermauern
  • stets eine Rückmeldung geben

 

8. Praxistipps für Schule und Lernen

8.1 Lehrer informieren

Der erste Schritt für eine erfolgreiche Schullaufbahn von ADHS Kindern ist die effektive Zusammenarbeit von Lehrern und Eltern. Dies setzt voraus, dass die Eltern den Lehrer über die Diagnose unterrichten und dieser dann bereit dazu ist, sein diesbezügliches Wissen entsprechend zu schulen. Auch eine Information der Klassenkameraden kann im Sinne der Sozialgemeinschaft angeraten sein, sollte jedoch in der Hand des Lehrers liegen.

 

8.2 Ablenkung minimieren

Die Aufmerksamkeitsstörung des ADHS macht es erforderlich, in der Schule auf eine reizarme Umwelt zu achten. Am ehesten lässt sich dies durch einen Sitzplatz in der vorderen Reihe mit direktem Blick auf Lehrer und Tafel, nicht jedoch unmittelbar neben dem Fenster, realisieren. Im Zentrum steht der Versuch, die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Unterrichtsinhalte zu richten, ohne dass diese von benachbarten oder davor sitzenden Klassenkameraden oder diversen Außengeschehen abgelenkt wird.

 

8.3 Arbeitsplatz organisieren

Auch der schulische Arbeitsplatz an sich sollte möglichst minimalistisch gestaltet sein, so dass das Kind jederzeit einen Überblick über seine Arbeitsutensilien hat. Dies setzt ein täglich strukturiertes Bereitlegen aller Arbeitsmaterialien voraus. Ebenso muss jeden Tag „entrümpelt“ werden. Dies reduziert einerseits das Ablenkungspotenzial, andererseits wird die Arbeitseffektivität erhöht.

 

8.4 Lernschritte strukturieren

Können die meisten Kinder komplexe Arbeitsaufträge problemlos befolgen, so sind ADHS Kinder zu einer angemessenen Aufgabenaufschlüsselung nicht in der Lage und verlieren sich sozusagen in den Kleinigkeiten. Deshalb macht es Sinn, klare Lernschritte zu definieren und dem Kind nur solche Aufgaben zu unterbreiten, die auf diesen einen Lernerfolg abzielen. Dabei sollten die Anforderungen schleichend schwieriger werden.

 

8.5 Bewegungsdrang ableiten

Gerade im schulischen Kontext bereitet ADHS Kindern ihre Hyperaktivität die größten Probleme. Jeder Versuch, regelkonform still zu sitzen, lässt die Gedanken sich einzig darauf fokussieren – eine Aufnahme von Lerninhalten ist nicht möglich. Irgendwann bricht dieser Drang dann aber dennoch heraus und es kommt zu Konflikten mit den Lehrern. Deshalb ist es sinnvoll, dem Bewegungsdrang von vorne herein eine Ableitungsmöglichkeit zu bieten. Beispielsweise kann in jeder Ecke des Klassenzimmers ein Stuhl mit Blickrichtung zur Tafel aufgestellt werden, wohin die Kinder sich im Fall einer überschießenden Bewegung begeben können.

 

8.6 Pausen gönnen

Die Aufmerksamkeitskapazität von ADHS Kindern ist stark begrenzt. Fordert man sie über dieses erträgliche Maß hinaus, treten die typischen Symptome verstärkt zu Tage. Hier macht es Sinn, den Kindern mehrere Pauseneinheiten zu gönnen. Diese sollten einen klaren Zeitpunkt im Unterrichtsgeschehen erhalten, so dass die Kinder beim Blick auf die Uhr direkt wissen wie lange sie nun noch durchzuhalten haben. Auch das Verhalten während dieser kurzen Auszeit kann klare Regeln erfahren. Zum Beispiel kann ein ADHS Kind an die frische Luft gehen und dort drei Runden um den Schulhof rennen oder zehn tiefe Atemzüge ein- und ausatmen.

 

8.7 Würde beachten

ADHS Kinder sind ohnehin mit wenig Selbstvertrauen ausgestattet und ecken in ihrem sozialen Umfeld permanent an. Umso wichtiger ist es, dass in der Schule die kindliche Würde geachtet bleibt. Bloßstellen vor der Klasse, eine straffe Ahndung selbst kleiner Vergehen und eine Herabwürdigung der Persönlichkeit müssen tabu sein.

 

8.8 Hausaufgaben gestalten

  • eigener, übersichtlich strukturierter Arbeitsplatz ohne Ablenkungspotenzial
  • feste Hausaufgabenuhrzeiten und –abläufe
  • viel Lob und wenig Kritik
  • einkalkulierte Pausen
  • Hausaufgabenstrukturierung vom Leichten zum Schweren
  • Kontrolle der Hausaufgaben
  • Eigeninitiative fordern, aber bei Bedarf auch Hilfestellung geben

 

8.9 Externe Hilfestellung

  • Therapeutische Schülerhilfe
  • schulische Integrationshelfer
  • Integrationsklassen und Förderschulen

 

9. Die größten ADHS Irrtümer

Alle Zappelkinder haben ADHS

Falsch! Motorische Unruhe ist generell eine kindliche Eigenschaft und darüber hinaus auch Begleitsymptom zahlreicher anderer Krankheitsbilder, die psychische, aber auch organische Ursachen haben können. Treten zur motorischen Unruhe noch weitere Kernsymptome des ADHS auf, sollte ein Diagnoseverfahren bei einem Kinderpsychiater oder einem Kinderpsychologen eingeleitet werden.

 

ADHS bedarf immer einer medikamentösen Behandlung

Falsch! Sicher gibt es ADHS Ausprägungen, die ohne eine medikamentöse Therapie nicht auskommen, die Regel ist diese Behandlungsform jedoch nicht. Stattdessen wird bevorzugt mit therapeutischen und familienberaterischen Ansätzen gearbeitet.

 

ADHS Kinder sind hochbegabt oder unintelligent

Weder das Eine, noch das Andere! ADHS ist ein Krankheitsbild und sagt prinzipiell nichts über den Intellekt eines Kindes aus. Fakt ist allerdings, dass eine überdurchschnittliche Begabung in einzelnen Bereichen durchaus auftreten kann. Andererseits führt das Aufmerksamkeitsdefizit zu einem Versäumnis schulischer Lernstoffaufnahme, woraus oftmals schlechte Schulnoten resultieren. Mit Über- oder Unterintelligenz hat dies jedoch nichts zu tun.

 

ADHS basiert ausschließlich auf Erziehungsfehlern

Falsch! Sicher steht es außer Frage, dass soziale Faktoren die Ausprägung von ADHS beeinflussen können. Wenig Beachtung durch Bezugspersonen, häufige Herabwürdigung, mangelndes Bewegungsangebot in der Natur und stattdessen eine vorrangige Freizeitbeschäftigung mittels Fernseher und Spielkonsolen tragen zur Herausbildung eines ADHS bei, als hauptsächliche Ursachen konnten sie in Studien jedoch nicht festgestellt werden. In keinem Fall waren es die inkonsequenten Eltern, die frühe Betreuung in der Kinderkrippe oder das berühmte „Alles-Durchgehen-Lassen“, was zu ADHS geführt hat. Schuldzuweisungen und Selbstvorwürfe sind also absolut fehl am Platz – die Erkrankung ist auf verschiedene, sich gegenseitig potenzierende Bedingungen, allen voran erbliche Faktoren, zurückzuführen.

 

ADHS verwächst sich

Falsch! Irrsinnige Auffassungen gehen davon aus, dass ADHS ein vorübergehendes Erscheinungsbild ist, dem lediglich mit konsequenter Erziehung, bestenfalls jedoch mit Ignoranz zu begegnen sei, damit sich im Laufe der Entwicklung die Symptome sozusagen ins Wohlgefallen auflösen. Diese These folgt einer allzu naiven Annahme, denn erwiesenermaßen kann ADHS bis ins Erwachsenenalter bestehen, was auch bei rund 60 % aller Betroffenen tatsächlich der Fall ist. Eine Behandlung dieser psychischen Störung ist somit unabdingbar.

 

10. Differenzialdiagnose zu ADHS

Sicher ist die Angst vor einer fehlerhaften ADHS Diagnose nicht unbegründet, denn die teils sehr unspezifischen Symptome treffen auf eine Vielzahl anderweitiger psychischer Erkrankungen zu. Im Zuge einer adäquaten ADHS Diagnostik ist also eine Abgrenzung zu anderweitigen Krankheitsbildern obligatorisch. Diese können sein:

 

  • medikamentöse Nebenwirkungen,
  • Trauma,
  • Bindungs- und Anpassungsstörung,
  • Störungen des Sozialverhaltens,
  • Entwicklungsstörungen im physischen Bereich (Epilepsie, Schädel-Hirn-Trauma etc.)
  • Entwicklungsstörung im psychischen Bereich (Autismus, Rett-Syndrom etc.),
  • Hochbegabung,
  • Unterintelligenz,
  • Ticstörung,
  • Angst- und Panikstörung,
  • Zwangsstörungen,
  • Schlafstörung,
  • Aggressive Verhaltensstörung,
  • emotional-instabile Persönlichkeitsstörung
  • Borderline Persönlichkeitsstörung
  • Schizophrenie,
  • Depression,
  • Manie,
  • bipolare Störung,
  • Lernbehinderung.

 

11. Buchtipps

ADS Komm das schaffst Du Ratgeber ADHS

ADS - So stärken Sie Ihr Kind:
Was Eltern wissen müssen
und wie sie helfen können



Autorinnen:
Cordula Neuhaus (Vorwort),
Uta Reimann- Höhn

"Komm, das schaffst Du!" Aufmerksamkeitsprobleme und ADHS: Ergotherpeutische Alltagshilfen für
mehr / Konzentration /
Selbstständigkeit / Selbstvertrauen


Autorin:
Britta Winter

Ratgeber ADHS: Informationen
für Betroffene, Eltern,
Lehrer und Erzieher
zu Aufmerksamkeitsdefizit-/

Hyperaktivitätsstörungen


Autoren:
Manfred Döpfner, Jan Frölich,
Tanja Wolff Metternich

 

12. Webtipps

ADHS Deutschland e. V.

ADHS Deutschland e. V.

ADHS-Deutschland.de ist das Portal eines gemeinnützigen Selbsthilfe-Vereins mit ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern auf Bundes-, Landes- und örtlicher Ebene. Dort findet man jede Menge Informationen, Fortbildungen, Ursachenforschung, etc. zum Thema ADHS